Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861."Verzeihen Sie, gnädige Frau," sagte der junge "Aber nicht unerwartet Ihr dolce far niente "Wenn die Strafe gerecht ist, so ist sie auf alle "Sie sehen auch wahrhaftig wie ein reuiger Sün¬ "Und in so derangirter Toilette? Im Ernst, gnä¬ „Verzeihen Sie, gnädige Frau,“ ſagte der junge „Aber nicht unerwartet Ihr dolce far niente „Wenn die Strafe gerecht iſt, ſo iſt ſie auf alle „Sie ſehen auch wahrhaftig wie ein reuiger Sün¬ „Und in ſo derangirter Toilette? Im Ernſt, gnä¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0159" n="149"/> <p>„Verzeihen Sie, gnädige Frau,“ ſagte der junge<lb/> Mann, die ſchöne zitternde Hand, die jetzt in der ſeinen<lb/> ruhte, ehrfurchtsvoll an die Lippen führend, „wenn ich<lb/> unangemeldet —“</p><lb/> <p>„Aber nicht unerwartet Ihr <hi rendition="#aq">dolce far niente</hi><lb/> ſtöre — und ſo weiter, und ſo weiter —“ unterbrach<lb/> ihn Melitta. „Kommen Sie, von Ihnen will ich<lb/> keine Redensarten hören. Ueberlaſſen Sie das unſern<lb/> hohlköpfigen Junkern. Setzen Sie ſich und bedanken<lb/> Sie ſich zuvörderſt, daß Sie mich überhaupt noch fin¬<lb/> den. Bemperlein und Julius ſind, an Ihrem Kommen<lb/> verzweifelnd, vor einer halben Stunde auf Beſuch in<lb/> die Nachbarſchaft gefahren. So müſſen Sie denn mit<lb/> mir allein vorlieb nehmen. Das iſt Ihre gerechte Strafe.“</p><lb/> <p>„Wenn die Strafe gerecht iſt, ſo iſt ſie auf alle<lb/> Fälle ſehr mild,“ antwortete Oswald heiter, „und ich<lb/> unterwerfe mich ihr mit der Demuth, die dem reuigen<lb/> Sünder ziemt.“</p><lb/> <p>„Sie ſehen auch wahrhaftig wie ein reuiger Sün¬<lb/> der aus! Aber im Ernſt, warum kommen Sie ſo<lb/> ſpät, und —“</p><lb/> <p>„Und in ſo derangirter Toilette? Im Ernſt, gnä¬<lb/> dige Frau, ich konnte nicht früher und nicht anders<lb/> erſcheinen. Wenn man, wie ich, den weiten, unbekannten<lb/> Weg zu Fuß zurücklegt.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [149/0159]
„Verzeihen Sie, gnädige Frau,“ ſagte der junge
Mann, die ſchöne zitternde Hand, die jetzt in der ſeinen
ruhte, ehrfurchtsvoll an die Lippen führend, „wenn ich
unangemeldet —“
„Aber nicht unerwartet Ihr dolce far niente
ſtöre — und ſo weiter, und ſo weiter —“ unterbrach
ihn Melitta. „Kommen Sie, von Ihnen will ich
keine Redensarten hören. Ueberlaſſen Sie das unſern
hohlköpfigen Junkern. Setzen Sie ſich und bedanken
Sie ſich zuvörderſt, daß Sie mich überhaupt noch fin¬
den. Bemperlein und Julius ſind, an Ihrem Kommen
verzweifelnd, vor einer halben Stunde auf Beſuch in
die Nachbarſchaft gefahren. So müſſen Sie denn mit
mir allein vorlieb nehmen. Das iſt Ihre gerechte Strafe.“
„Wenn die Strafe gerecht iſt, ſo iſt ſie auf alle
Fälle ſehr mild,“ antwortete Oswald heiter, „und ich
unterwerfe mich ihr mit der Demuth, die dem reuigen
Sünder ziemt.“
„Sie ſehen auch wahrhaftig wie ein reuiger Sün¬
der aus! Aber im Ernſt, warum kommen Sie ſo
ſpät, und —“
„Und in ſo derangirter Toilette? Im Ernſt, gnä¬
dige Frau, ich konnte nicht früher und nicht anders
erſcheinen. Wenn man, wie ich, den weiten, unbekannten
Weg zu Fuß zurücklegt.“
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