während jene nur die Ausgeburten der wüsten Phan¬ tasie eines verbrannten Dichtergehirnes sind."
"Sie mögen Recht haben," sagte Melitta, während sie jetzt von der Terrasse in den Garten hinabstiegen. "Es ist vielleicht ein Unglück, daß solche Bücher ge¬ schrieben werden, und ein noch größeres Unglück, daß wir, und besonders wir Frauen, in unserer Erziehung und Bildung so verwahrlost sind, um an diesen Büchern doch eine Art von Geschmack zu finden. Uebrigens nehme ich Alles, was Sue von jenem Gesindel erzählt, auf Treu und Glauben hin, wie die Berichte eines überseeischen Reisenden von den Wundern, die er zu Wasser und zu Lande erlebte, um so mehr, als er die Sphären der Gesellschaft, die ich kenne, zum Theil sehr wahr, sehr treu schildert."
"Ist etwa Rudolphe, Grand Duc Regant de Gerolstein auch nach dem Leben?"
"Das weiß ich nicht, aber so viel weiß ich, daß Geschichten, wie die des Marquis d' Harville und seiner Frau so oder ähnlich alle Tage im Leben vorkommen."
Oswald antwortete nicht; es fiel ihm ein, was er über das Verhältniß Melitta's zu ihrem Gemahl ge¬ hört hatte, wie Herr von Berkow nun schon seit sieben Jahren in unheilbarem Wahnsinn lag. Eine Ahnung der trauervollen Scenen bis zum Hereinbrechen der
F. Spielhagen, Problematische Naturen. I. 11
während jene nur die Ausgeburten der wüſten Phan¬ taſie eines verbrannten Dichtergehirnes ſind."
„Sie mögen Recht haben,“ ſagte Melitta, während ſie jetzt von der Terraſſe in den Garten hinabſtiegen. „Es iſt vielleicht ein Unglück, daß ſolche Bücher ge¬ ſchrieben werden, und ein noch größeres Unglück, daß wir, und beſonders wir Frauen, in unſerer Erziehung und Bildung ſo verwahrloſt ſind, um an dieſen Büchern doch eine Art von Geſchmack zu finden. Uebrigens nehme ich Alles, was Sue von jenem Geſindel erzählt, auf Treu und Glauben hin, wie die Berichte eines überſeeiſchen Reiſenden von den Wundern, die er zu Waſſer und zu Lande erlebte, um ſo mehr, als er die Sphären der Geſellſchaft, die ich kenne, zum Theil ſehr wahr, ſehr treu ſchildert.“
„Iſt etwa Rudolphe, Grand Duc Régant de Gerolstein auch nach dem Leben?“
„Das weiß ich nicht, aber ſo viel weiß ich, daß Geſchichten, wie die des Marquis d' Harville und ſeiner Frau ſo oder ähnlich alle Tage im Leben vorkommen.“
Oswald antwortete nicht; es fiel ihm ein, was er über das Verhältniß Melitta's zu ihrem Gemahl ge¬ hört hatte, wie Herr von Berkow nun ſchon ſeit ſieben Jahren in unheilbarem Wahnſinn lag. Eine Ahnung der trauervollen Scenen bis zum Hereinbrechen der
F. Spielhagen, Problematische Naturen. I. 11
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während jene nur die Ausgeburten der wüſten Phan¬
taſie eines verbrannten Dichtergehirnes ſind."
„Sie mögen Recht haben,“ ſagte Melitta, während
ſie jetzt von der Terraſſe in den Garten hinabſtiegen.
„Es iſt vielleicht ein Unglück, daß ſolche Bücher ge¬
ſchrieben werden, und ein noch größeres Unglück, daß
wir, und beſonders wir Frauen, in unſerer Erziehung
und Bildung ſo verwahrloſt ſind, um an dieſen Büchern
doch eine Art von Geſchmack zu finden. Uebrigens
nehme ich Alles, was Sue von jenem Geſindel erzählt,
auf Treu und Glauben hin, wie die Berichte eines
überſeeiſchen Reiſenden von den Wundern, die er zu
Waſſer und zu Lande erlebte, um ſo mehr, als er die
Sphären der Geſellſchaft, die ich kenne, zum Theil ſehr
wahr, ſehr treu ſchildert.“
„Iſt etwa Rudolphe, Grand Duc Régant de
Gerolstein auch nach dem Leben?“
„Das weiß ich nicht, aber ſo viel weiß ich, daß
Geſchichten, wie die des Marquis d' Harville und ſeiner
Frau ſo oder ähnlich alle Tage im Leben vorkommen.“
Oswald antwortete nicht; es fiel ihm ein, was er
über das Verhältniß Melitta's zu ihrem Gemahl ge¬
hört hatte, wie Herr von Berkow nun ſchon ſeit ſieben
Jahren in unheilbarem Wahnſinn lag. Eine Ahnung
der trauervollen Scenen bis zum Hereinbrechen der
F. Spielhagen, Problematische Naturen. I. 11
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/171>, abgerufen am 17.06.2024.
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