Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.spielte mit einer Bleifeder, während er Melitta, in Ge¬ "Wollen Sie mich zeichnen?" rief Melitta. "Ich wollte, ich könnte." "Warum nicht, da liegt mein Album." "Das hilft mir nichts. Lehren Sie mich erst die "Sehen Sie, das ist es gerade, was ich immer "Ich bin überzeugt, Ihr Album wird das Gegen¬ "Nein, man darf es nicht; aber Sie dürfen es. "So waren Sie in Italien?" "Vor zwei Jahren mit meinem Vetter Barnewitz ſpielte mit einer Bleifeder, während er Melitta, in Ge¬ „Wollen Sie mich zeichnen?“ rief Melitta. „Ich wollte, ich könnte.“ „Warum nicht, da liegt mein Album.“ „Das hilft mir nichts. Lehren Sie mich erſt die „Sehen Sie, das iſt es gerade, was ich immer „Ich bin überzeugt, Ihr Album wird das Gegen¬ „Nein, man darf es nicht; aber Sie dürfen es. „So waren Sie in Italien?“ „Vor zwei Jahren mit meinem Vetter Barnewitz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183" n="173"/> ſpielte mit einer Bleifeder, während er Melitta, in Ge¬<lb/> danken verloren, anſchaute.</p><lb/> <p>„Wollen Sie mich zeichnen?“ rief Melitta.</p><lb/> <p>„Ich wollte, ich könnte.“</p><lb/> <p>„Warum nicht, da liegt mein Album.“</p><lb/> <p>„Das hilft mir nichts. Lehren Sie mich erſt die<lb/> Kunſt, unmittelbar mit den Augen malen zu können.“</p><lb/> <p>„Sehen Sie, das iſt es gerade, was ich immer<lb/> wünſche. Wie oft, wenn mich eine Landſchaft, eine<lb/> Geſtalt, ein Geſicht intereſſiren, denke ich: jetzt mußt<lb/> du's treffen; und will ich nun auf das Papier bannen,<lb/> was mir ſo klar vor den Augen ſteht, wird's eine<lb/> Stümperei.“</p><lb/> <p>„Ich bin überzeugt, Ihr Album wird das Gegen¬<lb/> theil beweiſen; darf man es beſehen?“</p><lb/> <p>„Nein, man darf es nicht; aber Sie dürfen es.<lb/> Im Grunde hat es nur Werth für mich; denn für<lb/> mich ſteht nicht nur das darin, was ich gezeichnet habe,<lb/> ſondern auch, was ich habe zeichnen wollen. Ueber¬<lb/> dies iſt mir mein Album eine Art von Tagebuch.<lb/> Dieſes hier werde ich kurz vor meiner italieniſchen<lb/> Reiſe angefangen haben.“</p><lb/> <p>„So waren Sie in Italien?“</p><lb/> <p>„Vor zwei Jahren mit meinem Vetter Barnewitz<lb/> und ſeiner Frau. Ich wollte, Sie wären auch von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [173/0183]
ſpielte mit einer Bleifeder, während er Melitta, in Ge¬
danken verloren, anſchaute.
„Wollen Sie mich zeichnen?“ rief Melitta.
„Ich wollte, ich könnte.“
„Warum nicht, da liegt mein Album.“
„Das hilft mir nichts. Lehren Sie mich erſt die
Kunſt, unmittelbar mit den Augen malen zu können.“
„Sehen Sie, das iſt es gerade, was ich immer
wünſche. Wie oft, wenn mich eine Landſchaft, eine
Geſtalt, ein Geſicht intereſſiren, denke ich: jetzt mußt
du's treffen; und will ich nun auf das Papier bannen,
was mir ſo klar vor den Augen ſteht, wird's eine
Stümperei.“
„Ich bin überzeugt, Ihr Album wird das Gegen¬
theil beweiſen; darf man es beſehen?“
„Nein, man darf es nicht; aber Sie dürfen es.
Im Grunde hat es nur Werth für mich; denn für
mich ſteht nicht nur das darin, was ich gezeichnet habe,
ſondern auch, was ich habe zeichnen wollen. Ueber¬
dies iſt mir mein Album eine Art von Tagebuch.
Dieſes hier werde ich kurz vor meiner italieniſchen
Reiſe angefangen haben.“
„So waren Sie in Italien?“
„Vor zwei Jahren mit meinem Vetter Barnewitz
und ſeiner Frau. Ich wollte, Sie wären auch von
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