da genommen haben! Das schlechteste auf dem ganzen Teller. Gott, was seid ihr Männer doch für hülflose, unpraktische Geschöpfe! Ich merke schon, daß ich für Sie sorgen muß."
Und sie begann, trotz Oswald's Versicherung, daß er gar keinen Hunger habe, seinen Teller mit dem Besten, was sie auf dem Tisch entdecken konnte, zu füllen.
Es schmeckt Ihnen nicht," sagte sie endlich fast traurig, als sie sah, daß der junge Mann selbst jetzt die Speisen kaum berührte. "Sind sie krank?"
"Ich befand mich im Leben nicht wohler. Aber sind Sie nie in der Stimmung gewesen, wo man Essen und Trinken für das Ueberflüssigste von der Welt, und die himmlischen Götter selbst, die doch noch des Nektars und des Ambrosia bedurften, für sehr arm¬ selige Götter hält?"
"O gewiß kenne ich solche Stimmungen," antwortete Melitta; "genau so war mir zu Muthe, als ich von meiner Tante zum ersten Mal auf den Ball geführt wurde. Aber das ist lange, undenkbar lange her; seitdem hat meine Stimmung, so viel ich weiß, mit meinem Appetit nie wieder etwas zu thun gehabt."
Trotz dieser Prahlerei indessen blieb auch für Me¬ litta außer ein paar eingemachten Früchten alles auf
da genommen haben! Das ſchlechteſte auf dem ganzen Teller. Gott, was ſeid ihr Männer doch für hülfloſe, unpraktiſche Geſchöpfe! Ich merke ſchon, daß ich für Sie ſorgen muß.“
Und ſie begann, trotz Oswald's Verſicherung, daß er gar keinen Hunger habe, ſeinen Teller mit dem Beſten, was ſie auf dem Tiſch entdecken konnte, zu füllen.
Es ſchmeckt Ihnen nicht,“ ſagte ſie endlich faſt traurig, als ſie ſah, daß der junge Mann ſelbſt jetzt die Speiſen kaum berührte. „Sind ſie krank?“
„Ich befand mich im Leben nicht wohler. Aber ſind Sie nie in der Stimmung geweſen, wo man Eſſen und Trinken für das Ueberflüſſigſte von der Welt, und die himmliſchen Götter ſelbſt, die doch noch des Nektars und des Ambroſia bedurften, für ſehr arm¬ ſelige Götter hält?“
„O gewiß kenne ich ſolche Stimmungen,“ antwortete Melitta; „genau ſo war mir zu Muthe, als ich von meiner Tante zum erſten Mal auf den Ball geführt wurde. Aber das iſt lange, undenkbar lange her; ſeitdem hat meine Stimmung, ſo viel ich weiß, mit meinem Appetit nie wieder etwas zu thun gehabt.“
Trotz dieſer Prahlerei indeſſen blieb auch für Me¬ litta außer ein paar eingemachten Früchten alles auf
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da genommen haben! Das ſchlechteſte auf dem ganzen
Teller. Gott, was ſeid ihr Männer doch für hülfloſe,
unpraktiſche Geſchöpfe! Ich merke ſchon, daß ich für
Sie ſorgen muß.“
Und ſie begann, trotz Oswald's Verſicherung, daß
er gar keinen Hunger habe, ſeinen Teller mit dem
Beſten, was ſie auf dem Tiſch entdecken konnte, zu
füllen.
Es ſchmeckt Ihnen nicht,“ ſagte ſie endlich faſt
traurig, als ſie ſah, daß der junge Mann ſelbſt jetzt
die Speiſen kaum berührte. „Sind ſie krank?“
„Ich befand mich im Leben nicht wohler. Aber
ſind Sie nie in der Stimmung geweſen, wo man
Eſſen und Trinken für das Ueberflüſſigſte von der Welt,
und die himmliſchen Götter ſelbſt, die doch noch des
Nektars und des Ambroſia bedurften, für ſehr arm¬
ſelige Götter hält?“
„O gewiß kenne ich ſolche Stimmungen,“ antwortete
Melitta; „genau ſo war mir zu Muthe, als ich von
meiner Tante zum erſten Mal auf den Ball geführt
wurde. Aber das iſt lange, undenkbar lange her;
ſeitdem hat meine Stimmung, ſo viel ich weiß, mit
meinem Appetit nie wieder etwas zu thun gehabt.“
Trotz dieſer Prahlerei indeſſen blieb auch für Me¬
litta außer ein paar eingemachten Früchten alles auf
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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