"Was?" sagte Melitta, welche die Fenster öffnete, um die frische Luft in das heiße, blumendufterfüllte Gemach strömen zu lassen.
"Die Venus von Milo!" rief Oswald, und ein wollüstiger Schauder durchrieselte ihn.
"Meine Heilige! ich sagte es Ihnen ja. Nun, wie finden Sie die Kapelle?"
Es war ein nicht sehr großes, aber verhältni߬ mäßig hohes Gemach; rechts und links je ein Fenster, das auf die Veranda führte; der Thür gegenüber stand in einer Nische auf einem niedrigen Piedestale das Bild der Göttin. Bequeme Gartenstühle, eine Chaise longue, ein Tisch, auf dem Bücher, Papiere, Zeichen¬ materialien, eine angefangene Stickerei, Reitpeitsche und Handschuhe in malerischer Unordnung durcheinander lagen -- waren die einfache, schickliche Ausstattung.
"Sind Sie sehr naß geworden?" fragte Melitta, ihren Hut auf den Tisch werfend, ohne die Antwort auf ihre vorige Frage abzuwarten. Und dann:
"Gehen Sie da vom Fenster fort, Sie werden sich erkälten. Kommen Sie hierher, oder nein! setzen Sie sich auf die Chaise longue und erholen Sie sich!"
Und wieder:
"Wenn ich nur etwas für Sie herbeischaffen könnte!
„Was iſt das!“ rief er im erſten Schrecken.
„Was?“ ſagte Melitta, welche die Fenſter öffnete, um die friſche Luft in das heiße, blumendufterfüllte Gemach ſtrömen zu laſſen.
„Die Venus von Milo!“ rief Oswald, und ein wollüſtiger Schauder durchrieſelte ihn.
„Meine Heilige! ich ſagte es Ihnen ja. Nun, wie finden Sie die Kapelle?“
Es war ein nicht ſehr großes, aber verhältni߬ mäßig hohes Gemach; rechts und links je ein Fenſter, das auf die Veranda führte; der Thür gegenüber ſtand in einer Niſche auf einem niedrigen Piedeſtale das Bild der Göttin. Bequeme Gartenſtühle, eine Chaiſe longue, ein Tiſch, auf dem Bücher, Papiere, Zeichen¬ materialien, eine angefangene Stickerei, Reitpeitſche und Handſchuhe in maleriſcher Unordnung durcheinander lagen — waren die einfache, ſchickliche Ausſtattung.
„Sind Sie ſehr naß geworden?“ fragte Melitta, ihren Hut auf den Tiſch werfend, ohne die Antwort auf ihre vorige Frage abzuwarten. Und dann:
„Gehen Sie da vom Fenſter fort, Sie werden ſich erkälten. Kommen Sie hierher, oder nein! ſetzen Sie ſich auf die Chaiſe longue und erholen Sie ſich!“
Und wieder:
„Wenn ich nur etwas für Sie herbeiſchaffen könnte!
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0209"n="199"/><p>„Was iſt das!“ rief er im erſten Schrecken.</p><lb/><p>„Was?“ſagte Melitta, welche die Fenſter öffnete,<lb/>
um die friſche Luft in das heiße, blumendufterfüllte<lb/>
Gemach ſtrömen zu laſſen.</p><lb/><p>„Die Venus von Milo!“ rief Oswald, und ein<lb/>
wollüſtiger Schauder durchrieſelte ihn.</p><lb/><p>„Meine Heilige! ich ſagte es Ihnen ja. Nun, wie<lb/>
finden Sie die Kapelle?“</p><lb/><p>Es war ein nicht ſehr großes, aber verhältni߬<lb/>
mäßig hohes Gemach; rechts und links je ein Fenſter,<lb/>
das auf die Veranda führte; der Thür gegenüber ſtand<lb/>
in einer Niſche auf einem niedrigen Piedeſtale das<lb/>
Bild der Göttin. Bequeme Gartenſtühle, eine Chaiſe<lb/>
longue, ein Tiſch, auf dem Bücher, Papiere, Zeichen¬<lb/>
materialien, eine angefangene Stickerei, Reitpeitſche<lb/>
und Handſchuhe in maleriſcher Unordnung durcheinander<lb/>
lagen — waren die einfache, ſchickliche Ausſtattung.</p><lb/><p>„Sind Sie ſehr naß geworden?“ fragte Melitta,<lb/>
ihren Hut auf den Tiſch werfend, ohne die Antwort<lb/>
auf ihre vorige Frage abzuwarten. Und dann:</p><lb/><p>„Gehen Sie da vom Fenſter fort, Sie werden ſich<lb/>
erkälten. Kommen Sie hierher, oder nein! ſetzen Sie<lb/>ſich auf die Chaiſe longue und erholen Sie ſich!“</p><lb/><p>Und wieder:</p><lb/><p>„Wenn ich nur etwas für Sie herbeiſchaffen könnte!<lb/></p></div></body></text></TEI>
[199/0209]
„Was iſt das!“ rief er im erſten Schrecken.
„Was?“ ſagte Melitta, welche die Fenſter öffnete,
um die friſche Luft in das heiße, blumendufterfüllte
Gemach ſtrömen zu laſſen.
„Die Venus von Milo!“ rief Oswald, und ein
wollüſtiger Schauder durchrieſelte ihn.
„Meine Heilige! ich ſagte es Ihnen ja. Nun, wie
finden Sie die Kapelle?“
Es war ein nicht ſehr großes, aber verhältni߬
mäßig hohes Gemach; rechts und links je ein Fenſter,
das auf die Veranda führte; der Thür gegenüber ſtand
in einer Niſche auf einem niedrigen Piedeſtale das
Bild der Göttin. Bequeme Gartenſtühle, eine Chaiſe
longue, ein Tiſch, auf dem Bücher, Papiere, Zeichen¬
materialien, eine angefangene Stickerei, Reitpeitſche
und Handſchuhe in maleriſcher Unordnung durcheinander
lagen — waren die einfache, ſchickliche Ausſtattung.
„Sind Sie ſehr naß geworden?“ fragte Melitta,
ihren Hut auf den Tiſch werfend, ohne die Antwort
auf ihre vorige Frage abzuwarten. Und dann:
„Gehen Sie da vom Fenſter fort, Sie werden ſich
erkälten. Kommen Sie hierher, oder nein! ſetzen Sie
ſich auf die Chaiſe longue und erholen Sie ſich!“
Und wieder:
„Wenn ich nur etwas für Sie herbeiſchaffen könnte!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/209>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.