Er warf sich in einen der Lehnstühle und stützte den Kopf in die Hand; dann sprang er wieder auf, lehnte sich in's Fenster und starrte mit düstern Augen hinein in den Sturm und Regen; dann ging er mit hastigen Schritten in dem Gemache auf und ab; end¬ lich warf er sich vor dem Piedestale der Göttin nieder und legte seine heiße Stirn auf ihre Marmorfüße.
Das Rauschen eines Gewandes dicht neben ihm schreckte ihn aus seinem Fiebertraum.
"Melitta," rief er, ihre Hände ergreifend, noch auf den Knieen, "Melitta!"
Sie ließ ihm ihre Hand, die er mit Küssen bedeckte, mit der andern streichelte sie sanft sein Haar.
"Melitta!" rief er mit Thränen der Wonne im Auge zu ihr aufschauend, "Melitta!"
Sie beugte sich zu ihm nieder und küßte ihn zärt¬ lich auf die Stirn; dann aber eilte sie von ihm fort, warf sich in einen der Lehnstühle und schluchzte, als ob ihr das Herz brechen wollte.
Oswald fiel vor ihr nieder; er umfaßte ihre Knie; er drückte sein glühendes Gesicht in ihren Schooß; er küßte ihr Gewand, ihre Hände. "Melitta! süße, holde, weine nicht! Wie kannst Du weinen, daß Du mich so namenlos glücklich machst! Melitta, liebe, liebe Melitta! Deine Thränen tödten mich. Nimm
Er warf ſich in einen der Lehnſtühle und ſtützte den Kopf in die Hand; dann ſprang er wieder auf, lehnte ſich in's Fenſter und ſtarrte mit düſtern Augen hinein in den Sturm und Regen; dann ging er mit haſtigen Schritten in dem Gemache auf und ab; end¬ lich warf er ſich vor dem Piedeſtale der Göttin nieder und legte ſeine heiße Stirn auf ihre Marmorfüße.
Das Rauſchen eines Gewandes dicht neben ihm ſchreckte ihn aus ſeinem Fiebertraum.
„Melitta,“ rief er, ihre Hände ergreifend, noch auf den Knieen, „Melitta!”
Sie ließ ihm ihre Hand, die er mit Küſſen bedeckte, mit der andern ſtreichelte ſie ſanft ſein Haar.
„Melitta!“ rief er mit Thränen der Wonne im Auge zu ihr aufſchauend, „Melitta!“
Sie beugte ſich zu ihm nieder und küßte ihn zärt¬ lich auf die Stirn; dann aber eilte ſie von ihm fort, warf ſich in einen der Lehnſtühle und ſchluchzte, als ob ihr das Herz brechen wollte.
Oswald fiel vor ihr nieder; er umfaßte ihre Knie; er drückte ſein glühendes Geſicht in ihren Schooß; er küßte ihr Gewand, ihre Hände. „Melitta! ſüße, holde, weine nicht! Wie kannſt Du weinen, daß Du mich ſo namenlos glücklich machſt! Melitta, liebe, liebe Melitta! Deine Thränen tödten mich. Nimm
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Er warf ſich in einen der Lehnſtühle und ſtützte
den Kopf in die Hand; dann ſprang er wieder auf,
lehnte ſich in's Fenſter und ſtarrte mit düſtern Augen
hinein in den Sturm und Regen; dann ging er mit
haſtigen Schritten in dem Gemache auf und ab; end¬
lich warf er ſich vor dem Piedeſtale der Göttin nieder
und legte ſeine heiße Stirn auf ihre Marmorfüße.
Das Rauſchen eines Gewandes dicht neben ihm
ſchreckte ihn aus ſeinem Fiebertraum.
„Melitta,“ rief er, ihre Hände ergreifend, noch
auf den Knieen, „Melitta!”
Sie ließ ihm ihre Hand, die er mit Küſſen bedeckte,
mit der andern ſtreichelte ſie ſanft ſein Haar.
„Melitta!“ rief er mit Thränen der Wonne im
Auge zu ihr aufſchauend, „Melitta!“
Sie beugte ſich zu ihm nieder und küßte ihn zärt¬
lich auf die Stirn; dann aber eilte ſie von ihm fort,
warf ſich in einen der Lehnſtühle und ſchluchzte, als
ob ihr das Herz brechen wollte.
Oswald fiel vor ihr nieder; er umfaßte ihre Knie;
er drückte ſein glühendes Geſicht in ihren Schooß;
er küßte ihr Gewand, ihre Hände. „Melitta! ſüße,
holde, weine nicht! Wie kannſt Du weinen, daß Du
mich ſo namenlos glücklich machſt! Melitta, liebe,
liebe Melitta! Deine Thränen tödten mich. Nimm
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/211>, abgerufen am 17.06.2024.
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