"Und darin hatten Sie vollkommen Recht", sagte der Baron; "ich denke und fühle so auch nur, wenn ich, wie jetzt, complet betrunken bin. -- Was war das?"
Ein greller Schrei tönte aus geringer Entfernung durch den stillen Morgen zu ihnen herüber, -- und noch einmal, schriller, verzweifelnder, wie wenn ein Weib -- denn es war eines Weibes Stimme -- das Messer in des Mörders Hand blinken sieht. Vor ihnen in geringer Entfernung lag ein Stück Wald¬ land; der Weg führte daran herum, das Geschrei mußte von der andern Seite kommen, die jetzt noch durch ein paar einzeln stehende Eichen und durch dichtes Unterholz verdeckt war.
"Zu, Karl! zu!" schrie der Baron.
Der Kutscher hieb kräftig in die Pferde. Die edlen Thiere, wie voll Entsetzen über eine so unwürdige Behandlung, stürmten mit einer Schnelligkeit dahin, die den Insassen des Wagens leicht hätte gefährlich werden können. Im Nu war die Waldecke erreicht. Sobald sie einen Blick auf die andere Seite werfen konnten, bot sich ihnen das seltsamste Schauspiel dar. -- Ein seltsam gekleidetes, braunes Weib, um deren bläu¬ lich schwarze Haare ein Stück rothes Zeug turban¬ artig gewunden war, lief kreischend her hinter drei Reitern, die ihre Rosse zur größten Eile spornend, im
„Und darin hatten Sie vollkommen Recht“, ſagte der Baron; „ich denke und fühle ſo auch nur, wenn ich, wie jetzt, complet betrunken bin. — Was war das?“
Ein greller Schrei tönte aus geringer Entfernung durch den ſtillen Morgen zu ihnen herüber, — und noch einmal, ſchriller, verzweifelnder, wie wenn ein Weib — denn es war eines Weibes Stimme — das Meſſer in des Mörders Hand blinken ſieht. Vor ihnen in geringer Entfernung lag ein Stück Wald¬ land; der Weg führte daran herum, das Geſchrei mußte von der andern Seite kommen, die jetzt noch durch ein paar einzeln ſtehende Eichen und durch dichtes Unterholz verdeckt war.
„Zu, Karl! zu!“ ſchrie der Baron.
Der Kutſcher hieb kräftig in die Pferde. Die edlen Thiere, wie voll Entſetzen über eine ſo unwürdige Behandlung, ſtürmten mit einer Schnelligkeit dahin, die den Inſaſſen des Wagens leicht hätte gefährlich werden können. Im Nu war die Waldecke erreicht. Sobald ſie einen Blick auf die andere Seite werfen konnten, bot ſich ihnen das ſeltſamſte Schauſpiel dar. — Ein ſeltſam gekleidetes, braunes Weib, um deren bläu¬ lich ſchwarze Haare ein Stück rothes Zeug turban¬ artig gewunden war, lief kreiſchend her hinter drei Reitern, die ihre Roſſe zur größten Eile ſpornend, im
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„Und darin hatten Sie vollkommen Recht“, ſagte
der Baron; „ich denke und fühle ſo auch nur, wenn
ich, wie jetzt, complet betrunken bin. — Was war das?“
Ein greller Schrei tönte aus geringer Entfernung
durch den ſtillen Morgen zu ihnen herüber, — und
noch einmal, ſchriller, verzweifelnder, wie wenn ein
Weib — denn es war eines Weibes Stimme — das
Meſſer in des Mörders Hand blinken ſieht. Vor
ihnen in geringer Entfernung lag ein Stück Wald¬
land; der Weg führte daran herum, das Geſchrei
mußte von der andern Seite kommen, die jetzt noch
durch ein paar einzeln ſtehende Eichen und durch
dichtes Unterholz verdeckt war.
„Zu, Karl! zu!“ ſchrie der Baron.
Der Kutſcher hieb kräftig in die Pferde. Die
edlen Thiere, wie voll Entſetzen über eine ſo unwürdige
Behandlung, ſtürmten mit einer Schnelligkeit dahin,
die den Inſaſſen des Wagens leicht hätte gefährlich
werden können. Im Nu war die Waldecke erreicht.
Sobald ſie einen Blick auf die andere Seite werfen
konnten, bot ſich ihnen das ſeltſamſte Schauſpiel dar. —
Ein ſeltſam gekleidetes, braunes Weib, um deren bläu¬
lich ſchwarze Haare ein Stück rothes Zeug turban¬
artig gewunden war, lief kreiſchend her hinter drei
Reitern, die ihre Roſſe zur größten Eile ſpornend, im
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/129>, abgerufen am 16.02.2025.
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