Prinzessin nennen -- denn ich wette, es ist ein ge¬ stohlenes Königskind -- unterdessen anfangen?"
"Wenn wir sie nicht auf der offenen Landstraße zurücklassen wollen, werden wir uns wohl entschließen müssen, sie mit uns zu nehmen."
"Aber das Kind wird nicht mit uns gehen wollen. Höre, kleine Czika, willst Du mit mir gehen?"
"Ja, Herr," sagte das Kind, das bis jetzt, ohne eine Spur von Besorgniß, Furcht oder Angst zu ver¬ rathen, ruhig dagestanden hatte.
"Hm!" sagte der Baron, "da komme ich ja zu einem Adoptivkinde, ich weiß nicht wie."
Er war mit einem Male sehr ernst geworden. Er streichelte der Czika die blauschwarzen seidenen Locken von der feinen Stirn, und betrachtete sie lange un¬ verwandt.
"Wie schön das Kind ist!" murmelte er; "wie wunderschön! Und wie groß es geworden ist! -- Komm mit mir, kleine Czika, Du sollst es gut, sehr gut bei mir haben; ich will Dich mehr lieben als Deine Mutter, die Dich so schnöde verlassen, Dich je geliebt hat."
"Mutter verläßt die Czika nicht;" sagte das Kind, ruhig zum Baron emporblickend; "Mutter ist, wo die Czika ist; Mutter ist überall."
Prinzeſſin nennen — denn ich wette, es iſt ein ge¬ ſtohlenes Königskind — unterdeſſen anfangen?“
„Wenn wir ſie nicht auf der offenen Landſtraße zurücklaſſen wollen, werden wir uns wohl entſchließen müſſen, ſie mit uns zu nehmen.“
„Aber das Kind wird nicht mit uns gehen wollen. Höre, kleine Czika, willſt Du mit mir gehen?“
„Ja, Herr,“ ſagte das Kind, das bis jetzt, ohne eine Spur von Beſorgniß, Furcht oder Angſt zu ver¬ rathen, ruhig dageſtanden hatte.
„Hm!“ ſagte der Baron, „da komme ich ja zu einem Adoptivkinde, ich weiß nicht wie.“
Er war mit einem Male ſehr ernſt geworden. Er ſtreichelte der Czika die blauſchwarzen ſeidenen Locken von der feinen Stirn, und betrachtete ſie lange un¬ verwandt.
„Wie ſchön das Kind iſt!“ murmelte er; „wie wunderſchön! Und wie groß es geworden iſt! — Komm mit mir, kleine Czika, Du ſollſt es gut, ſehr gut bei mir haben; ich will Dich mehr lieben als Deine Mutter, die Dich ſo ſchnöde verlaſſen, Dich je geliebt hat.“
„Mutter verläßt die Czika nicht;“ ſagte das Kind, ruhig zum Baron emporblickend; „Mutter iſt, wo die Czika iſt; Mutter iſt überall.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0134"n="124"/>
Prinzeſſin nennen — denn ich wette, es iſt ein ge¬<lb/>ſtohlenes Königskind — unterdeſſen anfangen?“</p><lb/><p>„Wenn wir ſie nicht auf der offenen Landſtraße<lb/>
zurücklaſſen wollen, werden wir uns wohl entſchließen<lb/>
müſſen, ſie mit uns zu nehmen.“</p><lb/><p>„Aber das Kind wird nicht mit uns gehen wollen.<lb/>
Höre, kleine Czika, willſt Du mit mir gehen?“</p><lb/><p>„Ja, Herr,“ſagte das Kind, das bis jetzt, ohne<lb/>
eine Spur von Beſorgniß, Furcht oder Angſt zu ver¬<lb/>
rathen, ruhig dageſtanden hatte.</p><lb/><p>„Hm!“ſagte der Baron, „da komme ich ja zu<lb/>
einem Adoptivkinde, ich weiß nicht wie.“</p><lb/><p>Er war mit einem Male ſehr ernſt geworden. Er<lb/>ſtreichelte der Czika die blauſchwarzen ſeidenen Locken<lb/>
von der feinen Stirn, und betrachtete ſie lange un¬<lb/>
verwandt.</p><lb/><p>„Wie ſchön das Kind iſt!“ murmelte er; „wie<lb/>
wunderſchön! Und wie groß es geworden iſt! — Komm<lb/>
mit mir, kleine Czika, Du ſollſt es gut, ſehr gut bei<lb/>
mir haben; ich will Dich mehr lieben als Deine<lb/>
Mutter, die Dich ſo ſchnöde verlaſſen, Dich je geliebt<lb/>
hat.“</p><lb/><p>„Mutter verläßt die Czika nicht;“ſagte das Kind,<lb/>
ruhig zum Baron emporblickend; „Mutter iſt, wo die<lb/>
Czika iſt; Mutter iſt überall.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[124/0134]
Prinzeſſin nennen — denn ich wette, es iſt ein ge¬
ſtohlenes Königskind — unterdeſſen anfangen?“
„Wenn wir ſie nicht auf der offenen Landſtraße
zurücklaſſen wollen, werden wir uns wohl entſchließen
müſſen, ſie mit uns zu nehmen.“
„Aber das Kind wird nicht mit uns gehen wollen.
Höre, kleine Czika, willſt Du mit mir gehen?“
„Ja, Herr,“ ſagte das Kind, das bis jetzt, ohne
eine Spur von Beſorgniß, Furcht oder Angſt zu ver¬
rathen, ruhig dageſtanden hatte.
„Hm!“ ſagte der Baron, „da komme ich ja zu
einem Adoptivkinde, ich weiß nicht wie.“
Er war mit einem Male ſehr ernſt geworden. Er
ſtreichelte der Czika die blauſchwarzen ſeidenen Locken
von der feinen Stirn, und betrachtete ſie lange un¬
verwandt.
„Wie ſchön das Kind iſt!“ murmelte er; „wie
wunderſchön! Und wie groß es geworden iſt! — Komm
mit mir, kleine Czika, Du ſollſt es gut, ſehr gut bei
mir haben; ich will Dich mehr lieben als Deine
Mutter, die Dich ſo ſchnöde verlaſſen, Dich je geliebt
hat.“
„Mutter verläßt die Czika nicht;“ ſagte das Kind,
ruhig zum Baron emporblickend; „Mutter iſt, wo die
Czika iſt; Mutter iſt überall.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/134>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.