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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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zu sagen, daß man sich in Grenwitz ganz ausnehmend
freuen würde, Sie möglichst bald wieder innerhalb
des Schloßwalles zu sehen. Ich erwiederte, wie mir
die Ausführung dieses Auftrages zu ganz besonderem
Vergnügen gereiche und daß ich Ihnen zur Rückfahrt
meinen Wagen und meine Gesellschaft anbieten würde --
was ich denn, hochachtungsvoll und ergebenst, hiermit
gethan haben will."

So sprach Doctor Braun, freundlich und lebhaft,
wie es seine Gewohnheit war, die grauen Augen mit
den braunen, leuchtenden Sternen forschend auf Os¬
wald heftend. "Ich komme Ihnen recht ungelegen,
gestehen Sie es nur!" setzte er hinzu.

"Durchaus nicht!" erwiederte Oswald, "das heißt,
ich weiß, wie Achill, als man ihm die Brisäis raubte,
den Boten von seiner Botschaft wol zu unterscheiden."

"Und wer ist die schöne Brisäis, die ich Ihnen
entführe?" fragte der Doctor.

"Die Einsamkeit," erwiederte Oswald.

"Nun, daraus mache ich mir kein großes Ge¬
wissen," sagte der Andere lachend; "die Einsamkeit ist
wie der Duft einer Giftpflanze, süß aber betäubend
und mit der Zeit geradezu verderblich, selbst für die
stärksten Constitutionen. Wollen Sie meinem Rathe
folgen? lassen Sie die schöne Brisäis Einsamkeit in

zu ſagen, daß man ſich in Grenwitz ganz ausnehmend
freuen würde, Sie möglichſt bald wieder innerhalb
des Schloßwalles zu ſehen. Ich erwiederte, wie mir
die Ausführung dieſes Auftrages zu ganz beſonderem
Vergnügen gereiche und daß ich Ihnen zur Rückfahrt
meinen Wagen und meine Geſellſchaft anbieten würde —
was ich denn, hochachtungsvoll und ergebenſt, hiermit
gethan haben will.“

So ſprach Doctor Braun, freundlich und lebhaft,
wie es ſeine Gewohnheit war, die grauen Augen mit
den braunen, leuchtenden Sternen forſchend auf Os¬
wald heftend. „Ich komme Ihnen recht ungelegen,
geſtehen Sie es nur!“ ſetzte er hinzu.

„Durchaus nicht!“ erwiederte Oswald, „das heißt,
ich weiß, wie Achill, als man ihm die Briſäis raubte,
den Boten von ſeiner Botſchaft wol zu unterſcheiden.“

„Und wer iſt die ſchöne Briſäis, die ich Ihnen
entführe?“ fragte der Doctor.

„Die Einſamkeit,“ erwiederte Oswald.

„Nun, daraus mache ich mir kein großes Ge¬
wiſſen,“ ſagte der Andere lachend; „die Einſamkeit iſt
wie der Duft einer Giftpflanze, ſüß aber betäubend
und mit der Zeit geradezu verderblich, ſelbſt für die
ſtärkſten Conſtitutionen. Wollen Sie meinem Rathe
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[110/0120] zu ſagen, daß man ſich in Grenwitz ganz ausnehmend freuen würde, Sie möglichſt bald wieder innerhalb des Schloßwalles zu ſehen. Ich erwiederte, wie mir die Ausführung dieſes Auftrages zu ganz beſonderem Vergnügen gereiche und daß ich Ihnen zur Rückfahrt meinen Wagen und meine Geſellſchaft anbieten würde — was ich denn, hochachtungsvoll und ergebenſt, hiermit gethan haben will.“ So ſprach Doctor Braun, freundlich und lebhaft, wie es ſeine Gewohnheit war, die grauen Augen mit den braunen, leuchtenden Sternen forſchend auf Os¬ wald heftend. „Ich komme Ihnen recht ungelegen, geſtehen Sie es nur!“ ſetzte er hinzu. „Durchaus nicht!“ erwiederte Oswald, „das heißt, ich weiß, wie Achill, als man ihm die Briſäis raubte, den Boten von ſeiner Botſchaft wol zu unterſcheiden.“ „Und wer iſt die ſchöne Briſäis, die ich Ihnen entführe?“ fragte der Doctor. „Die Einſamkeit,“ erwiederte Oswald. „Nun, daraus mache ich mir kein großes Ge¬ wiſſen,“ ſagte der Andere lachend; „die Einſamkeit iſt wie der Duft einer Giftpflanze, ſüß aber betäubend und mit der Zeit geradezu verderblich, ſelbſt für die ſtärkſten Conſtitutionen. Wollen Sie meinem Rathe folgen? laſſen Sie die ſchöne Briſäis Einſamkeit in

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/120>, abgerufen am 24.11.2024.