Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.wie am hellen Tage; denn der Wagen bewegte sich Oswald lehnte sich in die schwellenden Kissen. Und vor diesem wonnigen Traum versank die wie am hellen Tage; denn der Wagen bewegte ſich Oswald lehnte ſich in die ſchwellenden Kiſſen. Und vor dieſem wonnigen Traum verſank die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="57"/> wie am hellen Tage; denn der Wagen bewegte ſich<lb/> mit einer Schnelligkeit, gegen die ſelbſt ein ungedul¬<lb/> diger Liebender nichts hätte einwenden können. Der<lb/> Weg war gut, und wenn auch hie oder da ein Stein<lb/> im Geleiſe lag, ſo hing der Wagen in ſo vortreff¬<lb/> lichen Federn, daß man den dadurch verurſachten<lb/> Stoß kaum ſpürte.</p><lb/> <p>Oswald lehnte ſich in die ſchwellenden Kiſſen.<lb/> Der weiche Sammet ſchien einen feinen Wohlgeruch<lb/> auszuſtrömen, der den engen Raum erfüllte, wie das<lb/> Boudoir einer hübſchen Frau. Ja, es war Oswald,<lb/> als ob es daſſelbe Parfüm ſei, das Melitta zu führen<lb/> gewohnt war. Und plötzlich war es ihm, als ſäße<lb/> Melitta neben ihm, als berühre ihre warme weiche<lb/> Hand ſeine Hand, als fühlte er das Wehen ihres<lb/> Athems an ſeiner Stirn, als legten ſich ihre Lippen<lb/> leicht wie ein Hauch auf ſeinen Mund.</p><lb/> <p>Und vor dieſem wonnigen Traum verſank die<lb/> Wirklichkeit in nichts. Oswald vergaß, was er vor¬<lb/> hatte; er dachte nicht daran, was ſeiner harrte; er<lb/> wußte nicht mehr, wo er war — und nur ſie, ſie<lb/> allein erfüllte ſeine ganze Seele. Wie eine Sturm¬<lb/> fluth von Seligkeit überkam ihn die Erinnerung an<lb/> ihren Liebreiz, ihre Güte, ihre holde Rede und ihren<lb/> ſüßen Kuß. Mit wunderbarer Klarheit zogen die köſt¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [57/0067]
wie am hellen Tage; denn der Wagen bewegte ſich
mit einer Schnelligkeit, gegen die ſelbſt ein ungedul¬
diger Liebender nichts hätte einwenden können. Der
Weg war gut, und wenn auch hie oder da ein Stein
im Geleiſe lag, ſo hing der Wagen in ſo vortreff¬
lichen Federn, daß man den dadurch verurſachten
Stoß kaum ſpürte.
Oswald lehnte ſich in die ſchwellenden Kiſſen.
Der weiche Sammet ſchien einen feinen Wohlgeruch
auszuſtrömen, der den engen Raum erfüllte, wie das
Boudoir einer hübſchen Frau. Ja, es war Oswald,
als ob es daſſelbe Parfüm ſei, das Melitta zu führen
gewohnt war. Und plötzlich war es ihm, als ſäße
Melitta neben ihm, als berühre ihre warme weiche
Hand ſeine Hand, als fühlte er das Wehen ihres
Athems an ſeiner Stirn, als legten ſich ihre Lippen
leicht wie ein Hauch auf ſeinen Mund.
Und vor dieſem wonnigen Traum verſank die
Wirklichkeit in nichts. Oswald vergaß, was er vor¬
hatte; er dachte nicht daran, was ſeiner harrte; er
wußte nicht mehr, wo er war — und nur ſie, ſie
allein erfüllte ſeine ganze Seele. Wie eine Sturm¬
fluth von Seligkeit überkam ihn die Erinnerung an
ihren Liebreiz, ihre Güte, ihre holde Rede und ihren
ſüßen Kuß. Mit wunderbarer Klarheit zogen die köſt¬
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