lichen Bilder der einzig wonnigen Stunden, die er an ihrer Seite, zu ihren Füßen verlebt hatte, durch seine Erinnerung, von jener ersten Begegnung auf dem Rasenplatze hinter dem Schlosse von Grenwitz bis zu dem Augenblick, wo sie, mit Thränen in den lieben Augen, sich von ihm wandte in jener Nacht unseligen Angedenkens, wo der Dämon der Eifersucht die scharfen Krallen in sein zuckendes Herz schlug.
"Vergieb mir, Melitta; vergieb mir!" stöhnte er, seinen Kopf in die Kissen drückend.
Da plötzlich hielt der Wagen. Die Thür wurde aufgerissen; die lange Gestalt, die ihm den Schlag herabgelassen hatte, half ihm aussteigen, reichte ihm die Hand, führte ihn einige Stufen hinauf zu einer hohen Fensterthür, durch deren rothe Vorhänge ein mattes Licht schimmerte. Die Thür that sich auf, und Oswald sah sich in dem Gartensaal von Melit¬ ta's Schloß und Melitta schlang ihre Arme um seinen Hals und Melitta's Stimme flüsterte: "ver¬ gieb mir, Oswald! vergieb mir!
"Du Grausamer!" sagte Melitta, als der erste wilde Sturm des Entzückens mit seinen Thränen¬ schauern der Wonne vorübergebraust war; "wie hast Du nur so viele Tage Dein Herz vor mir verschlie¬
lichen Bilder der einzig wonnigen Stunden, die er an ihrer Seite, zu ihren Füßen verlebt hatte, durch ſeine Erinnerung, von jener erſten Begegnung auf dem Raſenplatze hinter dem Schloſſe von Grenwitz bis zu dem Augenblick, wo ſie, mit Thränen in den lieben Augen, ſich von ihm wandte in jener Nacht unſeligen Angedenkens, wo der Dämon der Eiferſucht die ſcharfen Krallen in ſein zuckendes Herz ſchlug.
„Vergieb mir, Melitta; vergieb mir!“ ſtöhnte er, ſeinen Kopf in die Kiſſen drückend.
Da plötzlich hielt der Wagen. Die Thür wurde aufgeriſſen; die lange Geſtalt, die ihm den Schlag herabgelaſſen hatte, half ihm ausſteigen, reichte ihm die Hand, führte ihn einige Stufen hinauf zu einer hohen Fenſterthür, durch deren rothe Vorhänge ein mattes Licht ſchimmerte. Die Thür that ſich auf, und Oswald ſah ſich in dem Gartenſaal von Melit¬ ta's Schloß und Melitta ſchlang ihre Arme um ſeinen Hals und Melitta's Stimme flüſterte: „ver¬ gieb mir, Oswald! vergieb mir!
„Du Grauſamer!“ ſagte Melitta, als der erſte wilde Sturm des Entzückens mit ſeinen Thränen¬ ſchauern der Wonne vorübergebrauſt war; „wie haſt Du nur ſo viele Tage Dein Herz vor mir verſchlie¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="58"/>
lichen Bilder der einzig wonnigen Stunden, die er an<lb/>
ihrer Seite, zu ihren Füßen verlebt hatte, durch ſeine<lb/>
Erinnerung, von jener erſten Begegnung auf dem<lb/>
Raſenplatze hinter dem Schloſſe von Grenwitz bis zu<lb/>
dem Augenblick, wo ſie, mit Thränen in den lieben<lb/>
Augen, ſich von ihm wandte in jener Nacht unſeligen<lb/>
Angedenkens, wo der Dämon der Eiferſucht die ſcharfen<lb/>
Krallen in ſein zuckendes Herz ſchlug.</p><lb/><p>„Vergieb mir, Melitta; vergieb mir!“ſtöhnte er,<lb/>ſeinen Kopf in die Kiſſen drückend.</p><lb/><p>Da plötzlich hielt der Wagen. Die Thür wurde<lb/>
aufgeriſſen; die lange Geſtalt, die ihm den Schlag<lb/>
herabgelaſſen hatte, half ihm ausſteigen, reichte ihm<lb/>
die Hand, führte ihn einige Stufen hinauf zu einer<lb/>
hohen Fenſterthür, durch deren rothe Vorhänge ein<lb/>
mattes Licht ſchimmerte. Die Thür that ſich auf,<lb/>
und Oswald ſah ſich in dem Gartenſaal von Melit¬<lb/>
ta's Schloß und Melitta ſchlang ihre Arme um<lb/>ſeinen Hals und Melitta's Stimme flüſterte: „ver¬<lb/>
gieb mir, Oswald! vergieb mir!</p><lb/><p>„Du Grauſamer!“ſagte Melitta, als der erſte<lb/>
wilde Sturm des Entzückens mit ſeinen Thränen¬<lb/>ſchauern der Wonne vorübergebrauſt war; „wie haſt<lb/>
Du nur ſo viele Tage Dein Herz vor mir verſchlie¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[58/0068]
lichen Bilder der einzig wonnigen Stunden, die er an
ihrer Seite, zu ihren Füßen verlebt hatte, durch ſeine
Erinnerung, von jener erſten Begegnung auf dem
Raſenplatze hinter dem Schloſſe von Grenwitz bis zu
dem Augenblick, wo ſie, mit Thränen in den lieben
Augen, ſich von ihm wandte in jener Nacht unſeligen
Angedenkens, wo der Dämon der Eiferſucht die ſcharfen
Krallen in ſein zuckendes Herz ſchlug.
„Vergieb mir, Melitta; vergieb mir!“ ſtöhnte er,
ſeinen Kopf in die Kiſſen drückend.
Da plötzlich hielt der Wagen. Die Thür wurde
aufgeriſſen; die lange Geſtalt, die ihm den Schlag
herabgelaſſen hatte, half ihm ausſteigen, reichte ihm
die Hand, führte ihn einige Stufen hinauf zu einer
hohen Fenſterthür, durch deren rothe Vorhänge ein
mattes Licht ſchimmerte. Die Thür that ſich auf,
und Oswald ſah ſich in dem Gartenſaal von Melit¬
ta's Schloß und Melitta ſchlang ihre Arme um
ſeinen Hals und Melitta's Stimme flüſterte: „ver¬
gieb mir, Oswald! vergieb mir!
„Du Grauſamer!“ ſagte Melitta, als der erſte
wilde Sturm des Entzückens mit ſeinen Thränen¬
ſchauern der Wonne vorübergebrauſt war; „wie haſt
Du nur ſo viele Tage Dein Herz vor mir verſchlie¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/68>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.