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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

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Bürgermeister. Man wird alles mögliche
anwenden, Ihnen das Leiden, welches man Ih-
nen aus Pflicht zufügen mußte, wieder zu er-
setzen.

Friedrich. (aufschreiend) So wäre
vielleicht meine Unschuld entdeckt?

Bürgermeister. Sie ist's, sie ist's voll-
kommen!

Friedrich. Vollkommen? vollkommen?

Bürgermeister. Ja! Ich wollte Sie nur
nach und nach zu der unerwarteten Freude vor-
bereiten.

Friedrich. Ach freilich unerwartet, aber
auch spät, sehr spät -- doch Herr, es war dein
Wille, ich bin dein Geschöpf, und darf nicht ha-
dern! Ist's denn aber auch gewiß? O bester Herr,
zürnen Sie nicht, ist's denn auch gewiß?

Bürgermeister. Sicher und gewiß! die-
ser Kuß, den ich Ihnen als Vorsteher der ganzen
Stadt gebe, sei Ihnen ein Beweiß, daß wir Sie
alle von ganzem Herzen bedauren, und alles an-
wenden werden, um Ihnen die möglichste Genug-
thuung zu verschaffen. Kommen Sie jetzt -- --

Friedrich. Ich komme, ich komme! Nur
noch einen Blick in diesen Kerker! (lebhaft)
Und meine Ketten? O diese darf ich doch mit
mir nehmen?


Bür-

Buͤrgermeiſter. Man wird alles moͤgliche
anwenden, Ihnen das Leiden, welches man Ih-
nen aus Pflicht zufuͤgen mußte, wieder zu er-
ſetzen.

Friedrich. (aufſchreiend) So waͤre
vielleicht meine Unſchuld entdeckt?

Buͤrgermeiſter. Sie iſt's, ſie iſt's voll-
kommen!

Friedrich. Vollkommen? vollkommen?

Buͤrgermeiſter. Ja! Ich wollte Sie nur
nach und nach zu der unerwarteten Freude vor-
bereiten.

Friedrich. Ach freilich unerwartet, aber
auch ſpaͤt, ſehr ſpaͤt — doch Herr, es war dein
Wille, ich bin dein Geſchoͤpf, und darf nicht ha-
dern! Iſt's denn aber auch gewiß? O beſter Herr,
zuͤrnen Sie nicht, iſt's denn auch gewiß?

Buͤrgermeiſter. Sicher und gewiß! die-
ſer Kuß, den ich Ihnen als Vorſteher der ganzen
Stadt gebe, ſei Ihnen ein Beweiß, daß wir Sie
alle von ganzem Herzen bedauren, und alles an-
wenden werden, um Ihnen die moͤglichſte Genug-
thuung zu verſchaffen. Kommen Sie jetzt — —

Friedrich. Ich komme, ich komme! Nur
noch einen Blick in dieſen Kerker! (lebhaft)
Und meine Ketten? O dieſe darf ich doch mit
mir nehmen?


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[144/0158] Buͤrgermeiſter. Man wird alles moͤgliche anwenden, Ihnen das Leiden, welches man Ih- nen aus Pflicht zufuͤgen mußte, wieder zu er- ſetzen. Friedrich. (aufſchreiend) So waͤre vielleicht meine Unſchuld entdeckt? Buͤrgermeiſter. Sie iſt's, ſie iſt's voll- kommen! Friedrich. Vollkommen? vollkommen? Buͤrgermeiſter. Ja! Ich wollte Sie nur nach und nach zu der unerwarteten Freude vor- bereiten. Friedrich. Ach freilich unerwartet, aber auch ſpaͤt, ſehr ſpaͤt — doch Herr, es war dein Wille, ich bin dein Geſchoͤpf, und darf nicht ha- dern! Iſt's denn aber auch gewiß? O beſter Herr, zuͤrnen Sie nicht, iſt's denn auch gewiß? Buͤrgermeiſter. Sicher und gewiß! die- ſer Kuß, den ich Ihnen als Vorſteher der ganzen Stadt gebe, ſei Ihnen ein Beweiß, daß wir Sie alle von ganzem Herzen bedauren, und alles an- wenden werden, um Ihnen die moͤglichſte Genug- thuung zu verſchaffen. Kommen Sie jetzt — — Friedrich. Ich komme, ich komme! Nur noch einen Blick in dieſen Kerker! (lebhaft) Und meine Ketten? O dieſe darf ich doch mit mir nehmen? Buͤr-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/158>, abgerufen am 21.11.2024.