Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.und am Ende desselben erblickte ich hie und da die Ich. Welche Zeiten? Die Alte. Wo ich in schönen Kutschen mit und am Ende deſſelben erblickte ich hie und da die Ich. Welche Zeiten? Die Alte. Wo ich in ſchoͤnen Kutſchen mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0171" n="157"/> und am Ende deſſelben erblickte ich hie und da die<lb/> Ruinen einer breiten Garnirung, welche von eben<lb/> ſo feinem Mouſſelin ausgenaͤht war. Sie hatte<lb/> ein kleines Leibchen von eben dieſem Zeuge an,<lb/> das vorne mit einer alten ſeidnen Schleife gebun-<lb/> den war, uͤber dieſem Leibchen trug ſie eine Art<lb/> von Korſette, das einſt aus Taffet beſtand, nun<lb/> aber mit wollnen und leinenen Flecken von aller-<lb/> hand Farben beinahe uͤberzogen war. An ihren<lb/> Fuͤſſen erblickte ich zerriſſne, ſeidne Struͤmpfe und<lb/> alte Pantoffeln von ſeidnem Zeuge. Ihre ſchon<lb/> ziemlich grauen Haare waren mit einem feinen,<lb/> aber ſehr zerrißnen Strohhute bedeckt, an welchem<lb/> noch hie und da ein Stuͤckchen Band oder Flor zu<lb/> ſehen war. Der etwas fremde und beinahe ſchwaͤ-<lb/> biſche Dialekt ihrer Sprache fiel mir gleich An-<lb/> fangs auf, jetzt wirkte ihre Kleidung noch ſtaͤrker<lb/> auf meine Neugierde, ſie ſchien mir ein deutlicher<lb/> Beweiß zu ſeyn, daß die arme Alte einſt beſſere<lb/> Tage genoſſen hatte. Gerne haͤtte ich dies alles<lb/> naͤher erfahren, da aber Neugierde einen Ungluͤck-<lb/> lichen immer beleidigt, und dieſer am meiſten<lb/> Schonung verdient, ſo wuͤrde ich ſie ganz unter-<lb/> druͤckt haben, wenn mir die treuherzige Alte nicht<lb/> ſelbſt den Faden zum Geſpraͤche uͤberreicht haͤtte.<lb/> Ach Gott, ſprach ſie eben ſeufzend, wo ſind die<lb/> Zeiten?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Welche Zeiten?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Die Alte</hi>. Wo ich in ſchoͤnen Kutſchen mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [157/0171]
und am Ende deſſelben erblickte ich hie und da die
Ruinen einer breiten Garnirung, welche von eben
ſo feinem Mouſſelin ausgenaͤht war. Sie hatte
ein kleines Leibchen von eben dieſem Zeuge an,
das vorne mit einer alten ſeidnen Schleife gebun-
den war, uͤber dieſem Leibchen trug ſie eine Art
von Korſette, das einſt aus Taffet beſtand, nun
aber mit wollnen und leinenen Flecken von aller-
hand Farben beinahe uͤberzogen war. An ihren
Fuͤſſen erblickte ich zerriſſne, ſeidne Struͤmpfe und
alte Pantoffeln von ſeidnem Zeuge. Ihre ſchon
ziemlich grauen Haare waren mit einem feinen,
aber ſehr zerrißnen Strohhute bedeckt, an welchem
noch hie und da ein Stuͤckchen Band oder Flor zu
ſehen war. Der etwas fremde und beinahe ſchwaͤ-
biſche Dialekt ihrer Sprache fiel mir gleich An-
fangs auf, jetzt wirkte ihre Kleidung noch ſtaͤrker
auf meine Neugierde, ſie ſchien mir ein deutlicher
Beweiß zu ſeyn, daß die arme Alte einſt beſſere
Tage genoſſen hatte. Gerne haͤtte ich dies alles
naͤher erfahren, da aber Neugierde einen Ungluͤck-
lichen immer beleidigt, und dieſer am meiſten
Schonung verdient, ſo wuͤrde ich ſie ganz unter-
druͤckt haben, wenn mir die treuherzige Alte nicht
ſelbſt den Faden zum Geſpraͤche uͤberreicht haͤtte.
Ach Gott, ſprach ſie eben ſeufzend, wo ſind die
Zeiten?
Ich. Welche Zeiten?
Die Alte. Wo ich in ſchoͤnen Kutſchen mit
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