Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.Lange konnte ich mich von meiner Angst und Als sie alles angehört, und genau geprüft Lange konnte ich mich von meiner Angſt und Als ſie alles angehoͤrt, und genau gepruͤft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0188" n="174"/> <p>Lange konnte ich mich von meiner Angſt und<lb/> Schrecken nicht erholen, wir waren ſchon eine<lb/> Stunde raſch auf der Straße vorwaͤrts gefahren,<lb/> als ich mich immer noch nicht aufzublicken getrau-<lb/> te. Mein ehrlicher Kutſcher ſprach mir nun Muth<lb/> zu, und verſicherte mich, daß jede Gefahr vor-<lb/> uͤber ſei. Seine Verſicherung, der ich anfangs<lb/> nur ſchwach traute, beſtaͤtigte ſich in der Folge,<lb/> wir erreichten am ſechſten Tage gluͤcklich die Re-<lb/> ſidenzſtadt. Ich kehrte in einem Wirthshauſe ein,<lb/> und gieng am andern Tage mit ſchwerem Herzen<lb/> zu Karls Tante. Von ihrer Aufnahme hieng<lb/> meine ganze Hofnung, und all mein Gluͤck ab,<lb/> ſie empfieng mich mit kaltem, forſchendem Blicke,<lb/> als ich ihr den Brief uͤberreichte; umarmte mich<lb/> aber mit um ſo groͤßerer Waͤrme, als ſie ihn ge-<lb/> leſen hatte. Sie forderte ſogleich eine genaue<lb/> Erzaͤhlung von allem, was ſich mit mir zugetra-<lb/> gen hatte, fragte oft: ob ich ihren Neffen recht<lb/> herzlich liebe? und fragte noch oͤfterer: wie viel<lb/> denn eigentlich meine vaͤterliche Erbſchaft betra-<lb/> ge? — — Ich ſah's deutlich, daß dieſe vor-<lb/> zuͤglich ihre Aufmerkſamkeit erregte, und mich ih-<lb/> res Schutzes faͤhig machte; aber ich verargte es<lb/> der guten Alten nicht, weil ihr das Gluͤck des<lb/> geliebten Neffen ſehr eifrig am Herzen lag, und<lb/> ſie ihn oft ihren lieben Sohn nannte.</p><lb/> <p>Als ſie alles angehoͤrt, und genau gepruͤft<lb/> hatte, verſprach ſie mir alle moͤgliche Hofnung,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0188]
Lange konnte ich mich von meiner Angſt und
Schrecken nicht erholen, wir waren ſchon eine
Stunde raſch auf der Straße vorwaͤrts gefahren,
als ich mich immer noch nicht aufzublicken getrau-
te. Mein ehrlicher Kutſcher ſprach mir nun Muth
zu, und verſicherte mich, daß jede Gefahr vor-
uͤber ſei. Seine Verſicherung, der ich anfangs
nur ſchwach traute, beſtaͤtigte ſich in der Folge,
wir erreichten am ſechſten Tage gluͤcklich die Re-
ſidenzſtadt. Ich kehrte in einem Wirthshauſe ein,
und gieng am andern Tage mit ſchwerem Herzen
zu Karls Tante. Von ihrer Aufnahme hieng
meine ganze Hofnung, und all mein Gluͤck ab,
ſie empfieng mich mit kaltem, forſchendem Blicke,
als ich ihr den Brief uͤberreichte; umarmte mich
aber mit um ſo groͤßerer Waͤrme, als ſie ihn ge-
leſen hatte. Sie forderte ſogleich eine genaue
Erzaͤhlung von allem, was ſich mit mir zugetra-
gen hatte, fragte oft: ob ich ihren Neffen recht
herzlich liebe? und fragte noch oͤfterer: wie viel
denn eigentlich meine vaͤterliche Erbſchaft betra-
ge? — — Ich ſah's deutlich, daß dieſe vor-
zuͤglich ihre Aufmerkſamkeit erregte, und mich ih-
res Schutzes faͤhig machte; aber ich verargte es
der guten Alten nicht, weil ihr das Gluͤck des
geliebten Neffen ſehr eifrig am Herzen lag, und
ſie ihn oft ihren lieben Sohn nannte.
Als ſie alles angehoͤrt, und genau gepruͤft
hatte, verſprach ſie mir alle moͤgliche Hofnung,
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