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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

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konnte ich sie nur abhalten, nicht in meiner Ge-
genwart ihr einziges Kind zu verfluchen. (seuf-
zend
) Es giebt doch sehr harte Herzen! (zu mir,
sehr freundlich
) Weißt du denn etwas neues?
Dein Geliebter sitzt beim Profosen.

Ich. (erschrocken) Beim Profosen?

Die Monarchin. Und das mit vollem Rech-
te. Er hat deine Flucht befördert, dich durch sei-
ne Pferde nach Wien führen lassen! davon hast du
mir kein Wort erzählt.

Ich. Er that's aus Liebe.

Die Monarchin. (lachend) Soll denn die
Liebe alles entschuldigen? -- Wie lange soll ich
ihn wohl dort sitzen lassen?

Ich. Ach, nicht lange! Ach, nur nicht lange!

Monarchin. Dann thät's wohl Noth, daß
ich eine Staffette nach ihm schickte.

Ich. Ja, ja, eine Staffette!

Monarchin. (lachend) Du bist wenigstens
aufrichtig! Ich muß also schon deinen Willen er-
füllen. Jetzt gehe wieder nach Hause, und wenn
der Graf ankommt, so will ich dir's schon wissen
lassen. Aber Strafe hat er doch verdient, du
mußt mir also versprechen -- -- doch nein! warum
sollte ich den Aermsten seine Angst verlängern! In
einer Stunde wird die Staffette abgehen, man soll
bei dir vorher erst anfragen, und wenn du ihm ei-

konnte ich ſie nur abhalten, nicht in meiner Ge-
genwart ihr einziges Kind zu verfluchen. (ſeuf-
zend
) Es giebt doch ſehr harte Herzen! (zu mir,
ſehr freundlich
) Weißt du denn etwas neues?
Dein Geliebter ſitzt beim Profoſen.

Ich. (erſchrocken) Beim Profoſen?

Die Monarchin. Und das mit vollem Rech-
te. Er hat deine Flucht befoͤrdert, dich durch ſei-
ne Pferde nach Wien fuͤhren laſſen! davon haſt du
mir kein Wort erzaͤhlt.

Ich. Er that's aus Liebe.

Die Monarchin. (lachend) Soll denn die
Liebe alles entſchuldigen? — Wie lange ſoll ich
ihn wohl dort ſitzen laſſen?

Ich. Ach, nicht lange! Ach, nur nicht lange!

Monarchin. Dann thaͤt's wohl Noth, daß
ich eine Staffette nach ihm ſchickte.

Ich. Ja, ja, eine Staffette!

Monarchin. (lachend) Du biſt wenigſtens
aufrichtig! Ich muß alſo ſchon deinen Willen er-
fuͤllen. Jetzt gehe wieder nach Hauſe, und wenn
der Graf ankommt, ſo will ich dir's ſchon wiſſen
laſſen. Aber Strafe hat er doch verdient, du
mußt mir alſo verſprechen — — doch nein! warum
ſollte ich den Aermſten ſeine Angſt verlaͤngern! In
einer Stunde wird die Staffette abgehen, man ſoll
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[180/0194] konnte ich ſie nur abhalten, nicht in meiner Ge- genwart ihr einziges Kind zu verfluchen. (ſeuf- zend) Es giebt doch ſehr harte Herzen! (zu mir, ſehr freundlich) Weißt du denn etwas neues? Dein Geliebter ſitzt beim Profoſen. Ich. (erſchrocken) Beim Profoſen? Die Monarchin. Und das mit vollem Rech- te. Er hat deine Flucht befoͤrdert, dich durch ſei- ne Pferde nach Wien fuͤhren laſſen! davon haſt du mir kein Wort erzaͤhlt. Ich. Er that's aus Liebe. Die Monarchin. (lachend) Soll denn die Liebe alles entſchuldigen? — Wie lange ſoll ich ihn wohl dort ſitzen laſſen? Ich. Ach, nicht lange! Ach, nur nicht lange! Monarchin. Dann thaͤt's wohl Noth, daß ich eine Staffette nach ihm ſchickte. Ich. Ja, ja, eine Staffette! Monarchin. (lachend) Du biſt wenigſtens aufrichtig! Ich muß alſo ſchon deinen Willen er- fuͤllen. Jetzt gehe wieder nach Hauſe, und wenn der Graf ankommt, ſo will ich dir's ſchon wiſſen laſſen. Aber Strafe hat er doch verdient, du mußt mir alſo verſprechen — — doch nein! warum ſollte ich den Aermſten ſeine Angſt verlaͤngern! In einer Stunde wird die Staffette abgehen, man ſoll bei dir vorher erſt anfragen, und wenn du ihm ei-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/194>, abgerufen am 18.05.2024.