Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.nige Zeilen schreiben willst, so werde ich's richtig Sie entließ mich nun, und ich eilte nach Hau- Am folgenden Tage ließen wir uns bei der nige Zeilen ſchreiben willſt, ſo werde ich's richtig Sie entließ mich nun, und ich eilte nach Hau- Am folgenden Tage ließen wir uns bei der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0195" n="181"/> nige Zeilen ſchreiben willſt, ſo werde ich's richtig<lb/> beſtellen laſſen.</p><lb/> <p>Sie entließ mich nun, und ich eilte nach Hau-<lb/> ſe, um in meinem Zimmer Gott danken zu koͤn-<lb/> nen. Meine Freude war groß und unausſprech-<lb/> lich, ich konnte ſie nicht faſſen, ich betete, weinte<lb/> und ſprach mit mir ſelbſt, ich wollte ſchreiben, und<lb/> vermocht's nicht. Wie der Kammerlakei den Brief<lb/> von mir abfordern ließ, hatte ich noch keine Zeile<lb/> geendigt; ich ſchrieb nun nur in hoͤchſter Eile, was<lb/> ich haͤtte ausfuͤhrlich ſchreiben koͤnnen. Am ſech-<lb/> ſten Tage, als ich eben aufgeſtanden war, und<lb/> nachrechnete: ob mein Karl nicht etwann heute<lb/> ſchon eintreffen koͤnne? ließ mich ſeine Tante in's<lb/> Sprachzimmer rufen. Ich flog hinab, und mein<lb/> Karl mir in die Arme. Er war Tag und Nacht<lb/> als Kourier nach Wien geritten, um mich nur ei-<lb/> nige Tage eher ſehen und ſprechen zu koͤnnen.<lb/> Sein Haar hieng unordentlich umher, er ſah blaß<lb/> und bleich aus, aber nie ſah ihn mein Auge ſchoͤ-<lb/> ner, nie hatte ſeine Geſtalt ſo tiefen Eindruck auf<lb/> mein Herz gemacht. Alles, ſo gar ſein mit Koth<lb/> beſpritzter Rock war mir ein Beweis ſeiner hefti-<lb/> gen und zaͤrtlichen Liebe.</p><lb/> <p>Am folgenden Tage ließen wir uns bei der<lb/> Monarchin melden, ſie empfieng uns mit neuer<lb/> Huld und Gnade, ſchenkte meinem Karl den Kam-<lb/> merherrnſchluͤſſel, und einen Ring, welchen er mir<lb/> in ihrer Gegenwart an den Finger ſtecken mußte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [181/0195]
nige Zeilen ſchreiben willſt, ſo werde ich's richtig
beſtellen laſſen.
Sie entließ mich nun, und ich eilte nach Hau-
ſe, um in meinem Zimmer Gott danken zu koͤn-
nen. Meine Freude war groß und unausſprech-
lich, ich konnte ſie nicht faſſen, ich betete, weinte
und ſprach mit mir ſelbſt, ich wollte ſchreiben, und
vermocht's nicht. Wie der Kammerlakei den Brief
von mir abfordern ließ, hatte ich noch keine Zeile
geendigt; ich ſchrieb nun nur in hoͤchſter Eile, was
ich haͤtte ausfuͤhrlich ſchreiben koͤnnen. Am ſech-
ſten Tage, als ich eben aufgeſtanden war, und
nachrechnete: ob mein Karl nicht etwann heute
ſchon eintreffen koͤnne? ließ mich ſeine Tante in's
Sprachzimmer rufen. Ich flog hinab, und mein
Karl mir in die Arme. Er war Tag und Nacht
als Kourier nach Wien geritten, um mich nur ei-
nige Tage eher ſehen und ſprechen zu koͤnnen.
Sein Haar hieng unordentlich umher, er ſah blaß
und bleich aus, aber nie ſah ihn mein Auge ſchoͤ-
ner, nie hatte ſeine Geſtalt ſo tiefen Eindruck auf
mein Herz gemacht. Alles, ſo gar ſein mit Koth
beſpritzter Rock war mir ein Beweis ſeiner hefti-
gen und zaͤrtlichen Liebe.
Am folgenden Tage ließen wir uns bei der
Monarchin melden, ſie empfieng uns mit neuer
Huld und Gnade, ſchenkte meinem Karl den Kam-
merherrnſchluͤſſel, und einen Ring, welchen er mir
in ihrer Gegenwart an den Finger ſtecken mußte
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