vier tausend Thaler zusammen, und reißten da- mit nach Deutschland. In Hamburg, wo wir der schlechten Witterung wegen einige Tage ruhen mußten, machte Karl mit einigen Schiffskapitai- nen Bekanntschaft, sie verleiteten ihn zum Spie- le, er gewann am ersten Tage eine ansehnliche Summe, verlohr aber am andern den ganzen Ge- winn, und den Ueberrest unsers Vermögens. Reue und Verzweiflung bemächtigte sich seiner gleich stark, er erklärte die Gesellschaft für falsche Spie- ler, sie forderten Genugthuung und er wurde tödtlich verwundet in mein Zimmer getragen.
Ich will Ihnen meinen Jammer, mein Elend, das nun schrecklich begann und nie mehr endete, nicht schildern, beides war, wie meine Liebe, un- ermeßlich. Karl starb in meinen Armen; wie ich ihn begraben, alle meine Leute entlassen und be- zahlt hatte, nun mit meinem Kinde weiter reisen wollte, hatte ich noch hundert Thaler. Ich theil- te sie sparsam ein, und langte eben zu Wien an, als ich den letzten Thaler wechseln ließ. Karls Tante, zu welcher ich meine Zuflucht nehmen wollte, war ein Jahr zuvor gestorben, keiner meiner ehemaligen Freunde wollte sich meiner an- nehmen, und wie ich es endlich wagte, mich bei der Monarchin melden zu lassen, so ließ sie mir sagen, daß sie von meiner Verschwendung voll- kommen unterrichtet sei, und es sehr bedaure, daß sie meine rechtschaffne Mutter so unverdient ge- kränkt habe. Von ihr hätte ich künftig keine Un-
vier tauſend Thaler zuſammen, und reißten da- mit nach Deutſchland. In Hamburg, wo wir der ſchlechten Witterung wegen einige Tage ruhen mußten, machte Karl mit einigen Schiffskapitai- nen Bekanntſchaft, ſie verleiteten ihn zum Spie- le, er gewann am erſten Tage eine anſehnliche Summe, verlohr aber am andern den ganzen Ge- winn, und den Ueberreſt unſers Vermoͤgens. Reue und Verzweiflung bemaͤchtigte ſich ſeiner gleich ſtark, er erklaͤrte die Geſellſchaft fuͤr falſche Spie- ler, ſie forderten Genugthuung und er wurde toͤdtlich verwundet in mein Zimmer getragen.
Ich will Ihnen meinen Jammer, mein Elend, das nun ſchrecklich begann und nie mehr endete, nicht ſchildern, beides war, wie meine Liebe, un- ermeßlich. Karl ſtarb in meinen Armen; wie ich ihn begraben, alle meine Leute entlaſſen und be- zahlt hatte, nun mit meinem Kinde weiter reiſen wollte, hatte ich noch hundert Thaler. Ich theil- te ſie ſparſam ein, und langte eben zu Wien an, als ich den letzten Thaler wechſeln ließ. Karls Tante, zu welcher ich meine Zuflucht nehmen wollte, war ein Jahr zuvor geſtorben, keiner meiner ehemaligen Freunde wollte ſich meiner an- nehmen, und wie ich es endlich wagte, mich bei der Monarchin melden zu laſſen, ſo ließ ſie mir ſagen, daß ſie von meiner Verſchwendung voll- kommen unterrichtet ſei, und es ſehr bedaure, daß ſie meine rechtſchaffne Mutter ſo unverdient ge- kraͤnkt habe. Von ihr haͤtte ich kuͤnftig keine Un-
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vier tauſend Thaler zuſammen, und reißten da-
mit nach Deutſchland. In Hamburg, wo wir
der ſchlechten Witterung wegen einige Tage ruhen
mußten, machte Karl mit einigen Schiffskapitai-
nen Bekanntſchaft, ſie verleiteten ihn zum Spie-
le, er gewann am erſten Tage eine anſehnliche
Summe, verlohr aber am andern den ganzen Ge-
winn, und den Ueberreſt unſers Vermoͤgens. Reue
und Verzweiflung bemaͤchtigte ſich ſeiner gleich
ſtark, er erklaͤrte die Geſellſchaft fuͤr falſche Spie-
ler, ſie forderten Genugthuung und er wurde
toͤdtlich verwundet in mein Zimmer getragen.
Ich will Ihnen meinen Jammer, mein Elend,
das nun ſchrecklich begann und nie mehr endete,
nicht ſchildern, beides war, wie meine Liebe, un-
ermeßlich. Karl ſtarb in meinen Armen; wie ich
ihn begraben, alle meine Leute entlaſſen und be-
zahlt hatte, nun mit meinem Kinde weiter reiſen
wollte, hatte ich noch hundert Thaler. Ich theil-
te ſie ſparſam ein, und langte eben zu Wien an,
als ich den letzten Thaler wechſeln ließ. Karls
Tante, zu welcher ich meine Zuflucht nehmen
wollte, war ein Jahr zuvor geſtorben, keiner
meiner ehemaligen Freunde wollte ſich meiner an-
nehmen, und wie ich es endlich wagte, mich bei
der Monarchin melden zu laſſen, ſo ließ ſie mir
ſagen, daß ſie von meiner Verſchwendung voll-
kommen unterrichtet ſei, und es ſehr bedaure, daß
ſie meine rechtſchaffne Mutter ſo unverdient ge-
kraͤnkt habe. Von ihr haͤtte ich kuͤnftig keine Un-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/211>, abgerufen am 19.02.2025.
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