Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.Pfarrer. Das ist unser Kloster, und dies Ich. Sie muß doch von vornehmer Geburt Pfarrer. Allerdings! Wir haben beides ge- Ich. Und die Briefe? Pfarrer. Sind alle unlesbar. Das Pa- Ich. Hat man denn gar keine Muthmaßung: Pfarrer. Gar keine! daß sie eine Auslän- Pfarrer. Das iſt unſer Kloſter, und dies Ich. Sie muß doch von vornehmer Geburt Pfarrer. Allerdings! Wir haben beides ge- Ich. Und die Briefe? Pfarrer. Sind alle unlesbar. Das Pa- Ich. Hat man denn gar keine Muthmaßung: Pfarrer. Gar keine! daß ſie eine Auslaͤn- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0220" n="206"/> <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Das iſt unſer Kloſter, und dies<lb/> nennt ſie ihr Schloß.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Sie muß doch von vornehmer Geburt<lb/> ſeyn, denn ihre Brieftaſche, ihr Ring ſcheint es<lb/> zu beſtaͤtigen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Allerdings! Wir haben beides ge-<lb/> nau unterſucht, aber nichts endecket. Der Ring<lb/> iſt wirklich aͤcht, und ſoll uͤber dreitauſend Gulden<lb/> werth ſeyn. Weh dem, welcher ihr ſolchen zu<lb/> nehmen ſucht, ſie raßt dann ſchrecklich. Im Rin-<lb/> ge ſind die Buchſtaben: F. K. G. H. einge-<lb/> graben.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Und die Briefe?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Sind alle unlesbar. Das Pa-<lb/> pier iſt gelb, und alle Buchſtaben ſind ſo in ein-<lb/> ander gefloſſen, daß man nur ſelten ein unbedeu-<lb/> tendes Wort leſen kann. Da ſie den Ring ſchon<lb/> vielen, und mancherlei Leuten gezeigt hat, und<lb/> leicht einmal einen zum Raube deſſelben verleiten<lb/> kann, ſo machte ich ſchon oft dem Abte den Vor-<lb/> ſchlag, einen aͤhnlichen aber falſchen verfertigen,<lb/> und ihn unbemerkt gegen den aͤchten vertauſchen<lb/> zu laſſen, aber er denkt zu gewiſſenhaft, glaubt,<lb/> daß man's fuͤr Habſucht nehmen koͤnne, und will<lb/> der Armen nicht ihren einzigen Troſt rauben.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Hat man denn gar keine Muthmaßung:<lb/> woher ſie kam? wer ſie ſeyn koͤnne?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Gar keine! daß ſie eine Auslaͤn-<lb/> derin iſt, beweißt ihr Dialekt, mehr kann ich Ih-<lb/> nen nicht ſagen, ob wir uns gleich Anfangs alle<lb/> Muͤhe gaben, mehr zu erfahren. Wir haben die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [206/0220]
Pfarrer. Das iſt unſer Kloſter, und dies
nennt ſie ihr Schloß.
Ich. Sie muß doch von vornehmer Geburt
ſeyn, denn ihre Brieftaſche, ihr Ring ſcheint es
zu beſtaͤtigen.
Pfarrer. Allerdings! Wir haben beides ge-
nau unterſucht, aber nichts endecket. Der Ring
iſt wirklich aͤcht, und ſoll uͤber dreitauſend Gulden
werth ſeyn. Weh dem, welcher ihr ſolchen zu
nehmen ſucht, ſie raßt dann ſchrecklich. Im Rin-
ge ſind die Buchſtaben: F. K. G. H. einge-
graben.
Ich. Und die Briefe?
Pfarrer. Sind alle unlesbar. Das Pa-
pier iſt gelb, und alle Buchſtaben ſind ſo in ein-
ander gefloſſen, daß man nur ſelten ein unbedeu-
tendes Wort leſen kann. Da ſie den Ring ſchon
vielen, und mancherlei Leuten gezeigt hat, und
leicht einmal einen zum Raube deſſelben verleiten
kann, ſo machte ich ſchon oft dem Abte den Vor-
ſchlag, einen aͤhnlichen aber falſchen verfertigen,
und ihn unbemerkt gegen den aͤchten vertauſchen
zu laſſen, aber er denkt zu gewiſſenhaft, glaubt,
daß man's fuͤr Habſucht nehmen koͤnne, und will
der Armen nicht ihren einzigen Troſt rauben.
Ich. Hat man denn gar keine Muthmaßung:
woher ſie kam? wer ſie ſeyn koͤnne?
Pfarrer. Gar keine! daß ſie eine Auslaͤn-
derin iſt, beweißt ihr Dialekt, mehr kann ich Ih-
nen nicht ſagen, ob wir uns gleich Anfangs alle
Muͤhe gaben, mehr zu erfahren. Wir haben die
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