Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.lassen, und vermachte ihr in seinem letzten Wil- Erst. Bändch. B
laſſen, und vermachte ihr in ſeinem letzten Wil- Erſt. Baͤndch. B
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="17"/> laſſen, und vermachte ihr in ſeinem letzten Wil-<lb/> len das Haͤuschen, welches er mit ſauerm<lb/> Schweiße erworben und erkauft hatte. Wenn<lb/> Sie zum Thore hinein gehen, ſo koͤnnen Sie das<lb/> Haͤuschen, rechts am Thurme angebaut, ſtehen<lb/> ſehen, es iſt klein, ſehr klein, aber mein Gott-<lb/> ſeeliger meinte, daß um des Haͤuschen willen ſich<lb/> doch vielleicht ein junger Handwerksmann finden<lb/> wuͤrde, der das Maͤdel heirathen, und mich mit<lb/> ihr bis an meinen Tod ernaͤhren wuͤrde. Er<lb/> ſtarb, wir weinten beide lange um ihn, und<lb/> naͤhrten uns mit unſrer Haͤnde Arbeit. Unter<lb/> der Zeit ward Friede mit den Preuſſen, die Sol-<lb/> daten kehrten zuruͤck, mit ihnen kam auch ein<lb/> junger Auslaͤnder an, welcher das Strumpfwir-<lb/> kerhandwerk gelernt hatte, und durch Zufall mit<lb/> meiner Tochter bekannt wurde. Wenn ich dann<lb/> und wann in die Kirche gieng, und fruͤher nach<lb/> Hauſe kam, ſo traf ich ihn immer bei ihr. Da<lb/> er ſich ſelbſt gegen mich erklaͤrte, daß er redliche<lb/> Abſichten auf's Maͤdchen habe, daß ſeine Kapi-<lb/> tulation bald zu Ende gehe, und er ſich dann<lb/> hier anſaͤſſig machen wolle; ſo konnte ich im<lb/> Grunde gegen dieſen Umgang nichts Anwenden,<lb/> aber er war mir doch auch nicht angenehm, weil<lb/> ein Maͤdchen dadurch ſo leicht bei allen jungen<lb/> Leuten verſchrien wird, und, wenn der Soldat<lb/> nicht redlich denkt, am Ende ſitzen bleibt. Es<lb/> war uͤbrigens ein lieber, ſtiller Menſch, der ſich<lb/> nach dem Zeugniſſe aller, die ich darum befragte,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Erſt. Baͤndch. B</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0031]
laſſen, und vermachte ihr in ſeinem letzten Wil-
len das Haͤuschen, welches er mit ſauerm
Schweiße erworben und erkauft hatte. Wenn
Sie zum Thore hinein gehen, ſo koͤnnen Sie das
Haͤuschen, rechts am Thurme angebaut, ſtehen
ſehen, es iſt klein, ſehr klein, aber mein Gott-
ſeeliger meinte, daß um des Haͤuschen willen ſich
doch vielleicht ein junger Handwerksmann finden
wuͤrde, der das Maͤdel heirathen, und mich mit
ihr bis an meinen Tod ernaͤhren wuͤrde. Er
ſtarb, wir weinten beide lange um ihn, und
naͤhrten uns mit unſrer Haͤnde Arbeit. Unter
der Zeit ward Friede mit den Preuſſen, die Sol-
daten kehrten zuruͤck, mit ihnen kam auch ein
junger Auslaͤnder an, welcher das Strumpfwir-
kerhandwerk gelernt hatte, und durch Zufall mit
meiner Tochter bekannt wurde. Wenn ich dann
und wann in die Kirche gieng, und fruͤher nach
Hauſe kam, ſo traf ich ihn immer bei ihr. Da
er ſich ſelbſt gegen mich erklaͤrte, daß er redliche
Abſichten auf's Maͤdchen habe, daß ſeine Kapi-
tulation bald zu Ende gehe, und er ſich dann
hier anſaͤſſig machen wolle; ſo konnte ich im
Grunde gegen dieſen Umgang nichts Anwenden,
aber er war mir doch auch nicht angenehm, weil
ein Maͤdchen dadurch ſo leicht bei allen jungen
Leuten verſchrien wird, und, wenn der Soldat
nicht redlich denkt, am Ende ſitzen bleibt. Es
war uͤbrigens ein lieber, ſtiller Menſch, der ſich
nach dem Zeugniſſe aller, die ich darum befragte,
Erſt. Baͤndch. B
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