Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.gut und ehrbar aufgeführt hatte. Wenn sie ihren gut und ehrbar aufgefuͤhrt hatte. Wenn ſie ihren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="18"/> gut und ehrbar aufgefuͤhrt hatte. Wenn ſie ihren<lb/> Verſtand haͤtte, und aufrichtig reden wollte, ſo<lb/> muͤßte ſie's ſelbſt geſtehen, daß ich ihr alles,<lb/> was aus dieſem Umgange uͤbles entſtehen koͤnne,<lb/> muͤtterlich vorgeſtellt habe; aber ſie war dazumal<lb/> ein leichtes, fluͤchtiges Ding, ließ meine Ermah-<lb/> nung zu einem Ohre hinein zum andern hinaus-<lb/> gehen, und ſaß immer wieder mit ihrem Solda-<lb/> ten auf der Ofenbank, wenn ich fruͤher als ge-<lb/> woͤhnlich heimkam. Bald hernach kam mein Sohn<lb/> aus der Fremde zuruͤck, er hatte ſich in ſeinem<lb/> Handwerke freilich manche Kenntniß, aber kein<lb/> Geld geſammlet, er hofte ſich jetzt zu Hauſe beſ-<lb/> ſer zu ernaͤhren, und hoͤrte mit Wehmuth, daß<lb/> ſein verſtorbner Vater der Schweſter das Haͤus-<lb/> chen vermacht hatte, worauf er ſeine groͤßte Hof-<lb/> nung gegruͤndet hatte. Beide waren meine Kin-<lb/> der, ich wuͤnſchte von ganzem Herzen, beide<lb/> gluͤcklich zu ſehen, da aber der Sohn jetzt am er-<lb/> ſten Huͤlfe bedurfte, ſo laͤugne ich's nicht, daß ich<lb/> oft ſelbſt der Tochter zuredete, ſie moͤchte ihm<lb/> das Haͤuschen abtreten. Er konnte in dieſem<lb/> Falle ſogleich ſein Handwerk treiben, ſich wahr-<lb/> ſcheinlich bald gluͤcklich verheirathen, und mir Un-<lb/> terhalt auf meine alten Tage ſichern. Anfangs<lb/> wollte ſie von dieſem Vorſchlage gar nichts hoͤ-<lb/> ren, berief ſich immer auf's vaͤterliche Teſtament,<lb/> und verſicherte mich, daß ihr Soldat eben ſo gute<lb/> Struͤmpfe wirken, und mich auch ernaͤhren koͤnne.<lb/> Als aber kurz nachher die Garniſon verwechſelt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0032]
gut und ehrbar aufgefuͤhrt hatte. Wenn ſie ihren
Verſtand haͤtte, und aufrichtig reden wollte, ſo
muͤßte ſie's ſelbſt geſtehen, daß ich ihr alles,
was aus dieſem Umgange uͤbles entſtehen koͤnne,
muͤtterlich vorgeſtellt habe; aber ſie war dazumal
ein leichtes, fluͤchtiges Ding, ließ meine Ermah-
nung zu einem Ohre hinein zum andern hinaus-
gehen, und ſaß immer wieder mit ihrem Solda-
ten auf der Ofenbank, wenn ich fruͤher als ge-
woͤhnlich heimkam. Bald hernach kam mein Sohn
aus der Fremde zuruͤck, er hatte ſich in ſeinem
Handwerke freilich manche Kenntniß, aber kein
Geld geſammlet, er hofte ſich jetzt zu Hauſe beſ-
ſer zu ernaͤhren, und hoͤrte mit Wehmuth, daß
ſein verſtorbner Vater der Schweſter das Haͤus-
chen vermacht hatte, worauf er ſeine groͤßte Hof-
nung gegruͤndet hatte. Beide waren meine Kin-
der, ich wuͤnſchte von ganzem Herzen, beide
gluͤcklich zu ſehen, da aber der Sohn jetzt am er-
ſten Huͤlfe bedurfte, ſo laͤugne ich's nicht, daß ich
oft ſelbſt der Tochter zuredete, ſie moͤchte ihm
das Haͤuschen abtreten. Er konnte in dieſem
Falle ſogleich ſein Handwerk treiben, ſich wahr-
ſcheinlich bald gluͤcklich verheirathen, und mir Un-
terhalt auf meine alten Tage ſichern. Anfangs
wollte ſie von dieſem Vorſchlage gar nichts hoͤ-
ren, berief ſich immer auf's vaͤterliche Teſtament,
und verſicherte mich, daß ihr Soldat eben ſo gute
Struͤmpfe wirken, und mich auch ernaͤhren koͤnne.
Als aber kurz nachher die Garniſon verwechſelt
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