Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.Gesicht der Alten, mit welchem sie ihre Hände Ich. Wo ist sie denn? Gewiß nicht zu Die Alte. (nach einem Winkel hin- Eine schlecht gekleidete Gestalt erhob sich nun Ich. Unmöglich, das ist nicht Kätchen! Die Alte. Ach, leider, ist sie's! (im bit- Geſicht der Alten, mit welchem ſie ihre Haͤnde Ich. Wo iſt ſie denn? Gewiß nicht zu Die Alte. (nach einem Winkel hin- Eine ſchlecht gekleidete Geſtalt erhob ſich nun Ich. Unmoͤglich, das iſt nicht Kaͤtchen! Die Alte. Ach, leider, iſt ſie's! (im bit- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="28"/> Geſicht der Alten, mit welchem ſie ihre Haͤnde<lb/> faltete, der langſame Athemzug, mit welchem ſich<lb/> ein tiefer Seufzer von ihrer Bruſt loͤßte, ſchien<lb/> mir im Voraus die Gewißheit ihres Todes zu<lb/> verkuͤndigen, aber ich betrog mich diesmal ganz.<lb/> Ach, Gott, ſprach die Alte, ſie lebt noch immer!<lb/> Ihr Elend verbittert mir noch ſtets meine alten<lb/> Tage, die ſich, wenn Jammer und Kummer ſie<lb/> anders verkuͤrzen, bald enden muͤſſen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Wo iſt ſie denn? Gewiß nicht zu<lb/> Hauſe?</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Alte. (nach einem Winkel hin-<lb/> zeigend)</hi> da ſitzt ſie ja, und verzehrt eben ihr<lb/> Morgenbrod! Komm her, Kaͤthe, und bewill-<lb/> komm den Herrn!</p><lb/> <p>Eine ſchlecht gekleidete Geſtalt erhob ſich nun<lb/> aus dem Winkel und trat naͤher, ſie hielte in ih-<lb/> rer gelben Hand ein Stuͤck ſchwarzes Brod, indeß<lb/> ihr welkes, bleiches Geſicht daran kaute, und<lb/> mich mit einem verzerrten Laͤcheln gruͤßte.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Unmoͤglich, das iſt nicht Kaͤtchen!</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Alte</hi>. Ach, leider, iſt ſie's! (<hi rendition="#g">im bit-<lb/> tern Tone</hi>) Ja, Herr! So kann Kummer<lb/> und Elend arbeiten, ſo kann's zernichten, was<lb/> Gott ſelbſt wohl gemacht nannte! (<hi rendition="#g">mit der<lb/> Hand in der Stube umherzeigend</hi>) Sie<lb/> ſehen hier die Werkſtaͤtte des Jammers, (<hi rendition="#g">auf<lb/> Kaͤtchen deutend</hi>) und dies iſt ſein Meiſter-<lb/> ſtuͤck. — — Ich fand keine Worte, meine Ver-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0042]
Geſicht der Alten, mit welchem ſie ihre Haͤnde
faltete, der langſame Athemzug, mit welchem ſich
ein tiefer Seufzer von ihrer Bruſt loͤßte, ſchien
mir im Voraus die Gewißheit ihres Todes zu
verkuͤndigen, aber ich betrog mich diesmal ganz.
Ach, Gott, ſprach die Alte, ſie lebt noch immer!
Ihr Elend verbittert mir noch ſtets meine alten
Tage, die ſich, wenn Jammer und Kummer ſie
anders verkuͤrzen, bald enden muͤſſen.
Ich. Wo iſt ſie denn? Gewiß nicht zu
Hauſe?
Die Alte. (nach einem Winkel hin-
zeigend) da ſitzt ſie ja, und verzehrt eben ihr
Morgenbrod! Komm her, Kaͤthe, und bewill-
komm den Herrn!
Eine ſchlecht gekleidete Geſtalt erhob ſich nun
aus dem Winkel und trat naͤher, ſie hielte in ih-
rer gelben Hand ein Stuͤck ſchwarzes Brod, indeß
ihr welkes, bleiches Geſicht daran kaute, und
mich mit einem verzerrten Laͤcheln gruͤßte.
Ich. Unmoͤglich, das iſt nicht Kaͤtchen!
Die Alte. Ach, leider, iſt ſie's! (im bit-
tern Tone) Ja, Herr! So kann Kummer
und Elend arbeiten, ſo kann's zernichten, was
Gott ſelbſt wohl gemacht nannte! (mit der
Hand in der Stube umherzeigend) Sie
ſehen hier die Werkſtaͤtte des Jammers, (auf
Kaͤtchen deutend) und dies iſt ſein Meiſter-
ſtuͤck. — — Ich fand keine Worte, meine Ver-
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