Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.wunderung auszudrücken, Kätchen war vor zehn Die Alte. Schlimmer eben nicht, nur daß wunderung auszudruͤcken, Kaͤtchen war vor zehn Die Alte. Schlimmer eben nicht, nur daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="29"/> wunderung auszudruͤcken, Kaͤtchen war vor zehn<lb/> Jahren wirklich ein ſchoͤnes Maͤdchen, jetzt war<lb/> ihr Geſicht bis zur Haͤßlichkeit herabgeſunken,<lb/> nicht eine Spur der ehemaligen Schoͤnheit war<lb/> mehr vorhanden, alle die ſo intereſſirenden, anzie-<lb/> henden Mienen waren verſchwunden, ihr Auge<lb/> ſelbſt war kleiner geworden, dicke, verzerrte Fal-<lb/> ten umhuͤllten es. Ihr Geſicht verkuͤndigte nicht<lb/> mehr unterdruͤckte Unſchuld, inneres Leiden, es<lb/> war jetzt das Bild der vollendeten Narrheit. Ihr<lb/> Haar, das ſich ehemals in natuͤrlichen Locken um<lb/> Nacken und Schulter wiegte, war jetzt in einan-<lb/> der gewirrt, und hob die Haube empor, die es<lb/> decken ſollte. Fahles Gelb hatte die blaſſe Roͤthe<lb/> ihrer Wangen verdraͤngt, ihr Kopf hing ſeit-<lb/> waͤrts, ſelbſt ihr Koͤrper war kleiner geworden.<lb/> So geht's ihr jetzt wohl ſchlimmer rief ich endlich<lb/> nach langem Staunen aus.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Alte</hi>. Schlimmer eben nicht, nur daß<lb/> jetzt auch die Hofnung zur Beſſerung ſchwindet.<lb/> Sie treibt's noch immer im Alten, arbeitet nur,<lb/> wenn's ihr beliebt, und betet ohne Unterlaß.<lb/> Das Andenken an ihren Liebhaber, vorzuͤglich<lb/> aber ſein eingebildetes, blutiges Ende, ſcheint<lb/> nach und nach ganz aus ihrem Gedaͤchtniſſe zu<lb/> verſchwinden, ſie ſpricht ſelten mehr von ihm,<lb/> und nur in allgemeinen, fluͤchtigen Ausdruͤcken,<lb/> aber der Verluſt ihres Haͤuschens liegt ihr noch<lb/> gleich ſtark am Herzen, von dieſem ſpricht ſie oft<lb/> und vielmals. — Ich wollte noch vieles mit der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0043]
wunderung auszudruͤcken, Kaͤtchen war vor zehn
Jahren wirklich ein ſchoͤnes Maͤdchen, jetzt war
ihr Geſicht bis zur Haͤßlichkeit herabgeſunken,
nicht eine Spur der ehemaligen Schoͤnheit war
mehr vorhanden, alle die ſo intereſſirenden, anzie-
henden Mienen waren verſchwunden, ihr Auge
ſelbſt war kleiner geworden, dicke, verzerrte Fal-
ten umhuͤllten es. Ihr Geſicht verkuͤndigte nicht
mehr unterdruͤckte Unſchuld, inneres Leiden, es
war jetzt das Bild der vollendeten Narrheit. Ihr
Haar, das ſich ehemals in natuͤrlichen Locken um
Nacken und Schulter wiegte, war jetzt in einan-
der gewirrt, und hob die Haube empor, die es
decken ſollte. Fahles Gelb hatte die blaſſe Roͤthe
ihrer Wangen verdraͤngt, ihr Kopf hing ſeit-
waͤrts, ſelbſt ihr Koͤrper war kleiner geworden.
So geht's ihr jetzt wohl ſchlimmer rief ich endlich
nach langem Staunen aus.
Die Alte. Schlimmer eben nicht, nur daß
jetzt auch die Hofnung zur Beſſerung ſchwindet.
Sie treibt's noch immer im Alten, arbeitet nur,
wenn's ihr beliebt, und betet ohne Unterlaß.
Das Andenken an ihren Liebhaber, vorzuͤglich
aber ſein eingebildetes, blutiges Ende, ſcheint
nach und nach ganz aus ihrem Gedaͤchtniſſe zu
verſchwinden, ſie ſpricht ſelten mehr von ihm,
und nur in allgemeinen, fluͤchtigen Ausdruͤcken,
aber der Verluſt ihres Haͤuschens liegt ihr noch
gleich ſtark am Herzen, von dieſem ſpricht ſie oft
und vielmals. — Ich wollte noch vieles mit der
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