Der graue Mann. Es gäbe Ursache zum Murren. Unser König, würden die Leute sagen, ist ein Narr, jetzt hat er auch einen Narren zum Erzbischof gemacht, das wird eine närrische Re- gierung werden!
Alles lachte, der Kaplan zog sich beschämt in einen Winkel, ich selbst konnte mich nicht enthal- ten, mit Oldenholm auszurufen: wenn das Narrheit ist; so liegt doch wenigstens viel Metho- de darinne! Keiner wollte es nun wieder wagen, den wahnsinnigen Wahrheitsverkündiger mit neuen Fragen zu belästigen, er konnte ruhig denken, und ungestört seinen Plan zur künftigen Regie- rung ordnen, denn dies ist eins seiner Lieblings- geschäfte. Die Neugierde der Gesellschaft war noch nicht halb befriedigt, viele, an deren Spitze ich mit stand, wünschten etwas von seinem Auf- enthalte in der Oberwelt zu erfahren, der gefälli- ge Herr des Schlosses erbarmte sich unsrer auf's neue. Wie war's denn, sagte er, in der Ober- welt?
Der graue Mann. (mit vieler Wär- me) O schön, herrlich! Wenn ich dort hätte bleiben können, dann würde ich an kein irrdisches Reich mehr denken! Ach! es war eine selige Zeit, so wohl kann mir's hienieden nie werden.
Der Kaplan. Aber warum denn nicht?
Der graue Mann. Es gaͤbe Urſache zum Murren. Unſer Koͤnig, wuͤrden die Leute ſagen, iſt ein Narr, jetzt hat er auch einen Narren zum Erzbiſchof gemacht, das wird eine naͤrriſche Re- gierung werden!
Alles lachte, der Kaplan zog ſich beſchaͤmt in einen Winkel, ich ſelbſt konnte mich nicht enthal- ten, mit Oldenholm auszurufen: wenn das Narrheit iſt; ſo liegt doch wenigſtens viel Metho- de darinne! Keiner wollte es nun wieder wagen, den wahnſinnigen Wahrheitsverkuͤndiger mit neuen Fragen zu belaͤſtigen, er konnte ruhig denken, und ungeſtoͤrt ſeinen Plan zur kuͤnftigen Regie- rung ordnen, denn dies iſt eins ſeiner Lieblings- geſchaͤfte. Die Neugierde der Geſellſchaft war noch nicht halb befriedigt, viele, an deren Spitze ich mit ſtand, wuͤnſchten etwas von ſeinem Auf- enthalte in der Oberwelt zu erfahren, der gefaͤlli- ge Herr des Schloſſes erbarmte ſich unſrer auf's neue. Wie war's denn, ſagte er, in der Ober- welt?
Der graue Mann. (mit vieler Waͤr- me) O ſchoͤn, herrlich! Wenn ich dort haͤtte bleiben koͤnnen, dann wuͤrde ich an kein irrdiſches Reich mehr denken! Ach! es war eine ſelige Zeit, ſo wohl kann mir's hienieden nie werden.
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Der Kaplan. Aber warum denn nicht?
Der graue Mann. Es gaͤbe Urſache zum
Murren. Unſer Koͤnig, wuͤrden die Leute ſagen,
iſt ein Narr, jetzt hat er auch einen Narren zum
Erzbiſchof gemacht, das wird eine naͤrriſche Re-
gierung werden!
Alles lachte, der Kaplan zog ſich beſchaͤmt in
einen Winkel, ich ſelbſt konnte mich nicht enthal-
ten, mit Oldenholm auszurufen: wenn das
Narrheit iſt; ſo liegt doch wenigſtens viel Metho-
de darinne! Keiner wollte es nun wieder wagen,
den wahnſinnigen Wahrheitsverkuͤndiger mit neuen
Fragen zu belaͤſtigen, er konnte ruhig denken,
und ungeſtoͤrt ſeinen Plan zur kuͤnftigen Regie-
rung ordnen, denn dies iſt eins ſeiner Lieblings-
geſchaͤfte. Die Neugierde der Geſellſchaft war
noch nicht halb befriedigt, viele, an deren Spitze
ich mit ſtand, wuͤnſchten etwas von ſeinem Auf-
enthalte in der Oberwelt zu erfahren, der gefaͤlli-
ge Herr des Schloſſes erbarmte ſich unſrer auf's
neue. Wie war's denn, ſagte er, in der Ober-
welt?
Der graue Mann. (mit vieler Waͤr-
me) O ſchoͤn, herrlich! Wenn ich dort haͤtte
bleiben koͤnnen, dann wuͤrde ich an kein irrdiſches
Reich mehr denken! Ach! es war eine ſelige
Zeit, ſo wohl kann mir's hienieden nie werden.
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/61>, abgerufen am 16.02.2025.
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