Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.barer, als ihr, war. Damit ich aber nicht mehr Der unglückliche Greis wollte noch weiter spre- barer, als ihr, war. Damit ich aber nicht mehr Der ungluͤckliche Greis wollte noch weiter ſpre- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0089" n="75"/> barer, als ihr, war. Damit ich aber nicht mehr<lb/> Schuld auf mich lade, als ich zu tragen faͤhig<lb/> bin, und wirklich zu buͤßen verdiene, ſo frage ich<lb/> dich, mein Schmerzenskind, meine Benjamine,<lb/> an dieſer heiligen Staͤtte vor Gottes Angeſichte,<lb/> und in Gegenwart der ganzen vor ihm verſamm-<lb/> leten Gemeinde: ob ich nicht alles that, was mir<lb/> Gott zu thun befahl? Ob ich dich nicht von fruͤ-<lb/> her Jugend an zur ſtrengen Beobachtung ſeiner<lb/> Gebote ermahnte? Dir nicht anſchauend die<lb/> ſchrecklichen Folgen zeigte, welche jedes Laſter<lb/> nach ſich ziehen muß? O, meine Tochter! O.<lb/> meine Tochter, wie beugſt du mich! — — —</p><lb/> <p>Der ungluͤckliche Greis wollte noch weiter ſpre-<lb/> chen, aber das laute Schluchzen der ganzen Ge-<lb/> meinde, das klaͤgliche, fuͤrchterliche Winſeln ſei-<lb/> nes Kindes hinderte ihn, er mußte harren, und<lb/> im Stillen die Fruͤchte ſeiner ſchrecklichen Rede<lb/> erwarten. Die Weiber verließen ihre Stuͤhle,<lb/> die Jungfrauen folgten, alle draͤngten ſich zur<lb/> Ungluͤcklichen, umarmten und kuͤßten ſie wechſels-<lb/> weiſe. Vergebung, Vater, Vergebung, rief ein<lb/> unſchuldiges Maͤdchen. Vergebung, riefen alle<lb/> Weiber und Jungfrauen. Vergebung erſchall's<lb/> von allen Emporkirchen der Maͤnner. Ich ver-<lb/> zeihe, ich vergebe willig, ſprach der Greis im<lb/> geruͤhrten Tone, ich hoffe, daß auch Gott ihr<lb/> Flehen hoͤrt, und mit barmherzigem Auge auf ſie<lb/> herabblickt. Der Kuß des Friedens ſoll ihr wer-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [75/0089]
barer, als ihr, war. Damit ich aber nicht mehr
Schuld auf mich lade, als ich zu tragen faͤhig
bin, und wirklich zu buͤßen verdiene, ſo frage ich
dich, mein Schmerzenskind, meine Benjamine,
an dieſer heiligen Staͤtte vor Gottes Angeſichte,
und in Gegenwart der ganzen vor ihm verſamm-
leten Gemeinde: ob ich nicht alles that, was mir
Gott zu thun befahl? Ob ich dich nicht von fruͤ-
her Jugend an zur ſtrengen Beobachtung ſeiner
Gebote ermahnte? Dir nicht anſchauend die
ſchrecklichen Folgen zeigte, welche jedes Laſter
nach ſich ziehen muß? O, meine Tochter! O.
meine Tochter, wie beugſt du mich! — — —
Der ungluͤckliche Greis wollte noch weiter ſpre-
chen, aber das laute Schluchzen der ganzen Ge-
meinde, das klaͤgliche, fuͤrchterliche Winſeln ſei-
nes Kindes hinderte ihn, er mußte harren, und
im Stillen die Fruͤchte ſeiner ſchrecklichen Rede
erwarten. Die Weiber verließen ihre Stuͤhle,
die Jungfrauen folgten, alle draͤngten ſich zur
Ungluͤcklichen, umarmten und kuͤßten ſie wechſels-
weiſe. Vergebung, Vater, Vergebung, rief ein
unſchuldiges Maͤdchen. Vergebung, riefen alle
Weiber und Jungfrauen. Vergebung erſchall's
von allen Emporkirchen der Maͤnner. Ich ver-
zeihe, ich vergebe willig, ſprach der Greis im
geruͤhrten Tone, ich hoffe, daß auch Gott ihr
Flehen hoͤrt, und mit barmherzigem Auge auf ſie
herabblickt. Der Kuß des Friedens ſoll ihr wer-
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