Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.daß noch nicht aller Tage Abend, und der sich am Lottchen wohnte jetzt wirklich im Oberstübchen Am dritten Tage erfuhren einige Bauern, daß daß noch nicht aller Tage Abend, und der ſich am Lottchen wohnte jetzt wirklich im Oberſtuͤbchen Am dritten Tage erfuhren einige Bauern, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="79"/> daß noch nicht aller Tage Abend, und der ſich am<lb/> ſicherſten duͤnke, oft dem Falle am naͤchſten ſei.<lb/> Da aber die Ermahnung die Stolzen noch mehr<lb/> erbitterte, ſo ergriffen die Bauern ſtillſchweigend<lb/> Lottchens Bette, und trugen es auf ihren ſtarken<lb/> Schultern nach der nahen Schule. Ein alter<lb/> Greis blieb bei den ſtaunenden Schweſtern in der<lb/> leeren Kammer. Wir haben, ſprach er endlich<lb/> ernſthaft, heute vor acht Tagen im Gotteshauſe<lb/> demjenigen Fluch gelobt, der dem armen Vater<lb/> und ſeinem ungluͤcklichen Kinde einen Vorwurf<lb/> macht. Gott hat ihn gehoͤrt, nehmt euch in Acht,<lb/> daß er euch nicht ſchrecklich trift. Verſucht's nicht,<lb/> uns zu folgen, wir werden ſonſt Vaterrecht brau-<lb/> chen, denn das arme Lottchen iſt nun unſer Kind<lb/> geworden.</p><lb/> <p>Lottchen wohnte jetzt wirklich im Oberſtuͤbchen<lb/> der Schule, die Weiber des Dorfs umgaben ſie<lb/> mit ſtaͤrkerer Wache, und ſandten die Suppe zu-<lb/> ruͤck, welche die Schweſtern ihr am Abende mit<lb/> einem kraͤnkenden und ſpoͤttiſchen Gruße ſandten.<lb/> Sie haͤtten, lieſſen ſie ihnen ruͤckdeuten, ſchon<lb/> ſelbſt noch Huͤhner zur Suppe, und wuͤrden ſie<lb/> fuͤr ihr neues Kind nicht ſparen.</p><lb/> <p>Am dritten Tage erfuhren einige Bauern, daß<lb/> man auf dem Pfarrhofe nach einem Arzte geſandt<lb/> habe, ſie muthmaßten Krankheit ihres lieben<lb/> Pfarrers, und eilten ihn zu beſuchen. Sie fan-<lb/> den ihn auf ſeinem Bette, er rang ſchon mit dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0093]
daß noch nicht aller Tage Abend, und der ſich am
ſicherſten duͤnke, oft dem Falle am naͤchſten ſei.
Da aber die Ermahnung die Stolzen noch mehr
erbitterte, ſo ergriffen die Bauern ſtillſchweigend
Lottchens Bette, und trugen es auf ihren ſtarken
Schultern nach der nahen Schule. Ein alter
Greis blieb bei den ſtaunenden Schweſtern in der
leeren Kammer. Wir haben, ſprach er endlich
ernſthaft, heute vor acht Tagen im Gotteshauſe
demjenigen Fluch gelobt, der dem armen Vater
und ſeinem ungluͤcklichen Kinde einen Vorwurf
macht. Gott hat ihn gehoͤrt, nehmt euch in Acht,
daß er euch nicht ſchrecklich trift. Verſucht's nicht,
uns zu folgen, wir werden ſonſt Vaterrecht brau-
chen, denn das arme Lottchen iſt nun unſer Kind
geworden.
Lottchen wohnte jetzt wirklich im Oberſtuͤbchen
der Schule, die Weiber des Dorfs umgaben ſie
mit ſtaͤrkerer Wache, und ſandten die Suppe zu-
ruͤck, welche die Schweſtern ihr am Abende mit
einem kraͤnkenden und ſpoͤttiſchen Gruße ſandten.
Sie haͤtten, lieſſen ſie ihnen ruͤckdeuten, ſchon
ſelbſt noch Huͤhner zur Suppe, und wuͤrden ſie
fuͤr ihr neues Kind nicht ſparen.
Am dritten Tage erfuhren einige Bauern, daß
man auf dem Pfarrhofe nach einem Arzte geſandt
habe, ſie muthmaßten Krankheit ihres lieben
Pfarrers, und eilten ihn zu beſuchen. Sie fan-
den ihn auf ſeinem Bette, er rang ſchon mit dem
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