Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.muthen, weil sie alsdann das schönste Glück des Er trauerte, als er dießmal die Geliebte sei- Ungeachtet eben der längste Tag des Sommers muthen, weil ſie alsdann das ſchoͤnſte Gluͤck des Er trauerte, als er dießmal die Geliebte ſei- Ungeachtet eben der laͤngſte Tag des Sommers <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="108"/> muthen, weil ſie alsdann das ſchoͤnſte Gluͤck des<lb/> Lebens nie gefuͤhlt, nie genoſſen haͤtten.</p><lb/> <p>Er trauerte, als er dießmal die Geliebte ſei-<lb/> nes Herzens nicht mehr auf dem Gange erblickte,<lb/> und verwuͤnſchte eben in Gedanken die zu große<lb/> Zudringlichkeit ſeiner Kammeraden, welche ihn am<lb/> fruͤhern Abſchiede verhindert hatten, als ein leiſer<lb/> Ruf ſeines Namens, der ſein Herz durchbebte,<lb/> ihm Ruͤckblick gebot. Es war Karoline, welche<lb/> ſich im leichten Nachtkleide hinter der Thuͤre her-<lb/> vorbog, und ihm mit der Hand naͤher winkte,<lb/> er folgte dieſem Winke mit groͤßten Freuden, aber<lb/> es bedurfte ihrer noch viele, ehe er es wagte, in<lb/> Karolinens Zimmer zu treten, haͤtte die Entſchloß-<lb/> ne nicht ſeine Hand ergriffen, ihn nicht ſelbſt mit<lb/> ſanfter Gewalt hineingezogen, er wuͤrde die edelſte<lb/> Zeit mit vielen unnuͤtzen Komplimenten verſchwen-<lb/> det haben.</p><lb/> <p>Ungeachtet eben der laͤngſte Tag des Sommers<lb/> ſich naͤherte, ſo daͤmmerte es doch ſchon maͤchtig,<lb/> Karoline hatte, um nicht Verdacht zu erregen,<lb/> kein Licht angezuͤndet, ſie wollte aber doch gerne<lb/> beim Geſpraͤche Konraden ins Auge blicken, und<lb/> fuͤhrte ihn daher ans Fenſter. Seine Hand ruhte<lb/> noch immer in der ihrigen, ward oft von dieſer<lb/> ſanft gedruͤckt, aber Konrad konnte den Druck<lb/> nicht erwiedern, alle Kraft des Lebens hatte ihn<lb/> verlaſſen, Sinne und Gefuͤhle beſchaͤftigten ſich<lb/> nur mit dem großen, unerwarteten Gluͤcke, das<lb/> ſein Herz nur ahnden, nicht faſſen konnte. Eine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0116]
muthen, weil ſie alsdann das ſchoͤnſte Gluͤck des
Lebens nie gefuͤhlt, nie genoſſen haͤtten.
Er trauerte, als er dießmal die Geliebte ſei-
nes Herzens nicht mehr auf dem Gange erblickte,
und verwuͤnſchte eben in Gedanken die zu große
Zudringlichkeit ſeiner Kammeraden, welche ihn am
fruͤhern Abſchiede verhindert hatten, als ein leiſer
Ruf ſeines Namens, der ſein Herz durchbebte,
ihm Ruͤckblick gebot. Es war Karoline, welche
ſich im leichten Nachtkleide hinter der Thuͤre her-
vorbog, und ihm mit der Hand naͤher winkte,
er folgte dieſem Winke mit groͤßten Freuden, aber
es bedurfte ihrer noch viele, ehe er es wagte, in
Karolinens Zimmer zu treten, haͤtte die Entſchloß-
ne nicht ſeine Hand ergriffen, ihn nicht ſelbſt mit
ſanfter Gewalt hineingezogen, er wuͤrde die edelſte
Zeit mit vielen unnuͤtzen Komplimenten verſchwen-
det haben.
Ungeachtet eben der laͤngſte Tag des Sommers
ſich naͤherte, ſo daͤmmerte es doch ſchon maͤchtig,
Karoline hatte, um nicht Verdacht zu erregen,
kein Licht angezuͤndet, ſie wollte aber doch gerne
beim Geſpraͤche Konraden ins Auge blicken, und
fuͤhrte ihn daher ans Fenſter. Seine Hand ruhte
noch immer in der ihrigen, ward oft von dieſer
ſanft gedruͤckt, aber Konrad konnte den Druck
nicht erwiedern, alle Kraft des Lebens hatte ihn
verlaſſen, Sinne und Gefuͤhle beſchaͤftigten ſich
nur mit dem großen, unerwarteten Gluͤcke, das
ſein Herz nur ahnden, nicht faſſen konnte. Eine
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