Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.Thräne, ganz der Freude geweiht, entquoll seinem Konrad. Mir? Widerfahren? das Glück -- -- die große Freude -- -- Weine ich denn wirklich? -- -- (fährt mit der Hand über seine Wangen) Wirklich! Wies kommt, weiß ich nicht -- -- Ich habe keine Ursache da- zu, war nie so glücklich! Wenn das Gefühl der höchsten Freude Thränen erregen kann, so muß es solch eine Thräne seyn. Ich habe das erstere noch nicht gefühlt, und kann nicht aus Erfahrung sprechen. Karoline. (unruhig) Wo waren sie? Wer hat sie so glücklich gemacht? Konrad. Wer? Sie fragen? Gott! Bin ichs denn würdig, in ihr Zimmer treten, mit ih- nen sprechen zu dürfen? Ist dieß nicht das größ- te, unverdienteste Glück? Karoline. (freudig) Wohl mir, daß meine Ahndung mich nicht betrog, als ich ähnli- ches Gefühl in ihrem Herzen muthmaßte! Heil mir, daß ich meinen Entschluß ausführte. Die Zeit ist edel, die Gefahr groß, will ich Rettung erwarten, so muß ich die erstere benutzen, und jede Bedenklichkeit unterdrücken. Haben Sie noch keine Geliebte? Haben Sie noch keinem Mädchen Treue verheißen? Konrad. Noch nie! Noch nie! Thraͤne, ganz der Freude geweiht, entquoll ſeinem Konrad. Mir? Widerfahren? das Gluͤck — — die große Freude — — Weine ich denn wirklich? — — (faͤhrt mit der Hand uͤber ſeine Wangen) Wirklich! Wies kommt, weiß ich nicht — — Ich habe keine Urſache da- zu, war nie ſo gluͤcklich! Wenn das Gefuͤhl der hoͤchſten Freude Thraͤnen erregen kann, ſo muß es ſolch eine Thraͤne ſeyn. Ich habe das erſtere noch nicht gefuͤhlt, und kann nicht aus Erfahrung ſprechen. Karoline. (unruhig) Wo waren ſie? Wer hat ſie ſo gluͤcklich gemacht? Konrad. Wer? Sie fragen? Gott! Bin ichs denn wuͤrdig, in ihr Zimmer treten, mit ih- nen ſprechen zu duͤrfen? Iſt dieß nicht das groͤß- te, unverdienteſte Gluͤck? Karoline. (freudig) Wohl mir, daß meine Ahndung mich nicht betrog, als ich aͤhnli- ches Gefuͤhl in ihrem Herzen muthmaßte! Heil mir, daß ich meinen Entſchluß ausfuͤhrte. Die Zeit iſt edel, die Gefahr groß, will ich Rettung erwarten, ſo muß ich die erſtere benutzen, und jede Bedenklichkeit unterdruͤcken. Haben Sie noch keine Geliebte? Haben Sie noch keinem Maͤdchen Treue verheißen? Konrad. Noch nie! Noch nie! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0117" n="109"/> Thraͤne, ganz der Freude geweiht, entquoll ſeinem<lb/> großen Auge, und ſchlich langſam uͤber ſeine hoch-<lb/> geroͤthete Wangen. Sie weinen? rief Karoline<lb/> erſchrocken aus! Was iſt ihnen widerfahren?</p><lb/> <sp who="KON"> <speaker><hi rendition="#g">Konrad</hi>.</speaker> <p>Mir? Widerfahren? das Gluͤck<lb/> — — die große Freude — — Weine ich denn<lb/> wirklich? — — <stage>(<hi rendition="#g">faͤhrt mit der Hand uͤber<lb/> ſeine Wangen</hi>)</stage> Wirklich! Wies kommt,<lb/> weiß ich nicht — — Ich habe keine Urſache da-<lb/> zu, war nie ſo gluͤcklich! Wenn das Gefuͤhl der<lb/> hoͤchſten Freude Thraͤnen erregen kann, ſo muß es<lb/> ſolch eine Thraͤne ſeyn. Ich habe das erſtere noch<lb/> nicht gefuͤhlt, und kann nicht aus Erfahrung<lb/> ſprechen.</p> </sp><lb/> <sp who="#KARO"> <speaker><hi rendition="#g">Karoline</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">unruhig</hi>)</stage> <p>Wo waren ſie?<lb/> Wer hat ſie ſo gluͤcklich gemacht?</p> </sp><lb/> <sp who="KON"> <speaker><hi rendition="#g">Konrad</hi>.</speaker> <p>Wer? Sie fragen? Gott! Bin<lb/> ichs denn wuͤrdig, in ihr Zimmer treten, mit ih-<lb/> nen ſprechen zu duͤrfen? Iſt dieß nicht das groͤß-<lb/> te, unverdienteſte Gluͤck?</p> </sp><lb/> <sp who="#KARO"> <speaker><hi rendition="#g">Karoline</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">freudig</hi>)</stage> <p>Wohl mir, daß<lb/> meine Ahndung mich nicht betrog, als ich aͤhnli-<lb/> ches Gefuͤhl in ihrem Herzen muthmaßte! Heil<lb/> mir, daß ich meinen Entſchluß ausfuͤhrte. Die<lb/> Zeit iſt edel, die Gefahr groß, will ich Rettung<lb/> erwarten, ſo muß ich die erſtere benutzen, und jede<lb/> Bedenklichkeit unterdruͤcken. Haben Sie noch keine<lb/> Geliebte? Haben Sie noch keinem Maͤdchen<lb/> Treue verheißen?</p> </sp><lb/> <sp who="KON"> <speaker><hi rendition="#g">Konrad</hi>.</speaker> <p>Noch nie! Noch nie!</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [109/0117]
Thraͤne, ganz der Freude geweiht, entquoll ſeinem
großen Auge, und ſchlich langſam uͤber ſeine hoch-
geroͤthete Wangen. Sie weinen? rief Karoline
erſchrocken aus! Was iſt ihnen widerfahren?
Konrad. Mir? Widerfahren? das Gluͤck
— — die große Freude — — Weine ich denn
wirklich? — — (faͤhrt mit der Hand uͤber
ſeine Wangen) Wirklich! Wies kommt,
weiß ich nicht — — Ich habe keine Urſache da-
zu, war nie ſo gluͤcklich! Wenn das Gefuͤhl der
hoͤchſten Freude Thraͤnen erregen kann, ſo muß es
ſolch eine Thraͤne ſeyn. Ich habe das erſtere noch
nicht gefuͤhlt, und kann nicht aus Erfahrung
ſprechen.
Karoline. (unruhig) Wo waren ſie?
Wer hat ſie ſo gluͤcklich gemacht?
Konrad. Wer? Sie fragen? Gott! Bin
ichs denn wuͤrdig, in ihr Zimmer treten, mit ih-
nen ſprechen zu duͤrfen? Iſt dieß nicht das groͤß-
te, unverdienteſte Gluͤck?
Karoline. (freudig) Wohl mir, daß
meine Ahndung mich nicht betrog, als ich aͤhnli-
ches Gefuͤhl in ihrem Herzen muthmaßte! Heil
mir, daß ich meinen Entſchluß ausfuͤhrte. Die
Zeit iſt edel, die Gefahr groß, will ich Rettung
erwarten, ſo muß ich die erſtere benutzen, und jede
Bedenklichkeit unterdruͤcken. Haben Sie noch keine
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Treue verheißen?
Konrad. Noch nie! Noch nie!
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