Vorsicht ist nöthig, ich werde dich daher nur Abends, und auch dann nur, wenn man dich in keiner Gesellschaft vermißt, bei mir erwarten, und mich damit trösten, daß die kurze Trennung dich mir auf ewig sichern wird.
Wilhelm hatte gegen diesen Entschluß, ob er ihn gleich selbst weise nennen mußte, noch manches einzuwenden; aber er gab end- lich der Vorstellung seiner Geliebten nach, und versprach in Zukunft nur bei Nachtzeit, nur verkleidet zu erscheinen. Im längern Ge- spräche fand endlich Amalie noch überdies, daß die ganze Verzögerung ein wahres Glück für sie sei, weil sie, wenn auch die Heurath noch so schnell vollzogen würde, doch nicht hätte in Gesellschaften erscheinen können, sich dort auf jeden Fall übler Nachreden blosstel- len würde, weil der Tag ihrer Heurath je- dem bekannt sein mußte, ihre nahe Ent-
Vorſicht iſt noͤthig, ich werde dich daher nur Abends, und auch dann nur, wenn man dich in keiner Geſellſchaft vermißt, bei mir erwarten, und mich damit troͤſten, daß die kurze Trennung dich mir auf ewig ſichern wird.
Wilhelm hatte gegen dieſen Entſchluß, ob er ihn gleich ſelbſt weiſe nennen mußte, noch manches einzuwenden; aber er gab end- lich der Vorſtellung ſeiner Geliebten nach, und verſprach in Zukunft nur bei Nachtzeit, nur verkleidet zu erſcheinen. Im laͤngern Ge- ſpraͤche fand endlich Amalie noch uͤberdies, daß die ganze Verzoͤgerung ein wahres Gluͤck fuͤr ſie ſei, weil ſie, wenn auch die Heurath noch ſo ſchnell vollzogen wuͤrde, doch nicht haͤtte in Geſellſchaften erſcheinen koͤnnen, ſich dort auf jeden Fall uͤbler Nachreden blosſtel- len wuͤrde, weil der Tag ihrer Heurath je- dem bekannt ſein mußte, ihre nahe Ent-
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Vorſicht iſt noͤthig, ich werde dich daher nur
Abends, und auch dann nur, wenn man
dich in keiner Geſellſchaft vermißt, bei mir
erwarten, und mich damit troͤſten, daß die
kurze Trennung dich mir auf ewig ſichern
wird.
Wilhelm hatte gegen dieſen Entſchluß,
ob er ihn gleich ſelbſt weiſe nennen mußte,
noch manches einzuwenden; aber er gab end-
lich der Vorſtellung ſeiner Geliebten nach,
und verſprach in Zukunft nur bei Nachtzeit,
nur verkleidet zu erſcheinen. Im laͤngern Ge-
ſpraͤche fand endlich Amalie noch uͤberdies, daß
die ganze Verzoͤgerung ein wahres Gluͤck fuͤr
ſie ſei, weil ſie, wenn auch die Heurath
noch ſo ſchnell vollzogen wuͤrde, doch nicht
haͤtte in Geſellſchaften erſcheinen koͤnnen, ſich
dort auf jeden Fall uͤbler Nachreden blosſtel-
len wuͤrde, weil der Tag ihrer Heurath je-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/150>, abgerufen am 24.11.2024.
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