Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

sich ein Haus miethete, und äusserst einsam
lebte.

Der alte Mönch ward ihr lieb und theuer,
sie ernannte ihn zu ihrem Kaplan, nahm ihn
mit sich, und lernte bald die damals noch so
seltne Kunst, sich durch geschriebne Buchstaben
verständlich zu machen. Er ward in der Folge
ihr Dollmetscher, und erklärte dann immer,
was sie einem oder dem andern sagen wollte.

Auch ihrer Tochter, welche sich Kleta nann-
te, mußte die Schreibekunst lernen, und da
sie einsah, daß dies das einzige Mittel sei,
mit ihrer Mutter sprechen zu können, so er-
warb sie sich bald so große Fertigkeit darinne,
daß sie, nach der Versicherung des Mönches,
nicht allein sehr schön, sondern auch fertiger,
als mancher gelehrte Mann schreiben konnte.


X 2

ſich ein Haus miethete, und aͤuſſerſt einſam
lebte.

Der alte Moͤnch ward ihr lieb und theuer,
ſie ernannte ihn zu ihrem Kaplan, nahm ihn
mit ſich, und lernte bald die damals noch ſo
ſeltne Kunſt, ſich durch geſchriebne Buchſtaben
verſtaͤndlich zu machen. Er ward in der Folge
ihr Dollmetſcher, und erklaͤrte dann immer,
was ſie einem oder dem andern ſagen wollte.

Auch ihrer Tochter, welche ſich Kleta nann-
te, mußte die Schreibekunſt lernen, und da
ſie einſah, daß dies das einzige Mittel ſei,
mit ihrer Mutter ſprechen zu koͤnnen, ſo er-
warb ſie ſich bald ſo große Fertigkeit darinne,
daß ſie, nach der Verſicherung des Moͤnches,
nicht allein ſehr ſchoͤn, ſondern auch fertiger,
als mancher gelehrte Mann ſchreiben konnte.


X 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0337" n="323"/>
&#x017F;ich ein Haus miethete, und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t ein&#x017F;am<lb/>
lebte.</p><lb/>
        <p>Der alte Mo&#x0364;nch ward ihr lieb und theuer,<lb/>
&#x017F;ie ernannte ihn zu ihrem Kaplan, nahm ihn<lb/>
mit &#x017F;ich, und lernte bald die damals noch &#x017F;o<lb/>
&#x017F;eltne Kun&#x017F;t, &#x017F;ich durch ge&#x017F;chriebne Buch&#x017F;taben<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich zu machen. Er ward in der Folge<lb/>
ihr Dollmet&#x017F;cher, und erkla&#x0364;rte dann immer,<lb/>
was &#x017F;ie einem oder dem andern &#x017F;agen wollte.</p><lb/>
        <p>Auch ihrer Tochter, welche &#x017F;ich Kleta nann-<lb/>
te, mußte die Schreibekun&#x017F;t lernen, und da<lb/>
&#x017F;ie ein&#x017F;ah, daß dies das einzige Mittel &#x017F;ei,<lb/>
mit ihrer Mutter &#x017F;prechen zu ko&#x0364;nnen, &#x017F;o er-<lb/>
warb &#x017F;ie &#x017F;ich bald &#x017F;o große Fertigkeit darinne,<lb/>
daß &#x017F;ie, nach der Ver&#x017F;icherung des Mo&#x0364;nches,<lb/>
nicht allein &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n, &#x017F;ondern auch fertiger,<lb/>
als mancher gelehrte Mann &#x017F;chreiben konnte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">X 2</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0337] ſich ein Haus miethete, und aͤuſſerſt einſam lebte. Der alte Moͤnch ward ihr lieb und theuer, ſie ernannte ihn zu ihrem Kaplan, nahm ihn mit ſich, und lernte bald die damals noch ſo ſeltne Kunſt, ſich durch geſchriebne Buchſtaben verſtaͤndlich zu machen. Er ward in der Folge ihr Dollmetſcher, und erklaͤrte dann immer, was ſie einem oder dem andern ſagen wollte. Auch ihrer Tochter, welche ſich Kleta nann- te, mußte die Schreibekunſt lernen, und da ſie einſah, daß dies das einzige Mittel ſei, mit ihrer Mutter ſprechen zu koͤnnen, ſo er- warb ſie ſich bald ſo große Fertigkeit darinne, daß ſie, nach der Verſicherung des Moͤnches, nicht allein ſehr ſchoͤn, ſondern auch fertiger, als mancher gelehrte Mann ſchreiben konnte. X 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/337
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/337>, abgerufen am 24.11.2024.