Ihre Kräfte wichen, sie sank leblos zur Erde, aber Angst und nahende Verzweiflung riß sie wieder auf ihre Knie empor, sie streck- te ihre Arme fürchterlich in die Höhe, und flehte mit zitternden Lippen, mit stammeln- den Worten Gottes Allmacht und Barmher- zigkeit zu ihrer Rettung herab. Sie schiens nicht zu achten, nicht zu fühlen, als man auch noch das Wenige, was man anfangs für ihr Eigenthum erkannte, mit Siegeln beleg- te, sie folgte willig, wie man ihr kund mach- te, daß sie ein Haus, welches auf fürstlichen Befehl konfiszirt sey, verlassen müsse.
Einer ihrer alten, aber auch treusten Diener, leitete sie nach seiner elenden Woh- nung, sie führte ihre Kinder am Arme, und blickte mit starrem Auge zum Himmel empor. Eine Menge Volks folgte der Leidenden mit thränendem Auge, mit gerührtem Herzen. Schon wähnte der treue Diener, daß ihre
Ihre Kraͤfte wichen, ſie ſank leblos zur Erde, aber Angſt und nahende Verzweiflung riß ſie wieder auf ihre Knie empor, ſie ſtreck- te ihre Arme fuͤrchterlich in die Hoͤhe, und flehte mit zitternden Lippen, mit ſtammeln- den Worten Gottes Allmacht und Barmher- zigkeit zu ihrer Rettung herab. Sie ſchiens nicht zu achten, nicht zu fuͤhlen, als man auch noch das Wenige, was man anfangs fuͤr ihr Eigenthum erkannte, mit Siegeln beleg- te, ſie folgte willig, wie man ihr kund mach- te, daß ſie ein Haus, welches auf fuͤrſtlichen Befehl konfiszirt ſey, verlaſſen muͤſſe.
Einer ihrer alten, aber auch treuſten Diener, leitete ſie nach ſeiner elenden Woh- nung, ſie fuͤhrte ihre Kinder am Arme, und blickte mit ſtarrem Auge zum Himmel empor. Eine Menge Volks folgte der Leidenden mit thraͤnendem Auge, mit geruͤhrtem Herzen. Schon waͤhnte der treue Diener, daß ihre
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Ihre Kraͤfte wichen, ſie ſank leblos zur
Erde, aber Angſt und nahende Verzweiflung
riß ſie wieder auf ihre Knie empor, ſie ſtreck-
te ihre Arme fuͤrchterlich in die Hoͤhe, und
flehte mit zitternden Lippen, mit ſtammeln-
den Worten Gottes Allmacht und Barmher-
zigkeit zu ihrer Rettung herab. Sie ſchiens
nicht zu achten, nicht zu fuͤhlen, als man
auch noch das Wenige, was man anfangs fuͤr
ihr Eigenthum erkannte, mit Siegeln beleg-
te, ſie folgte willig, wie man ihr kund mach-
te, daß ſie ein Haus, welches auf fuͤrſtlichen
Befehl konfiszirt ſey, verlaſſen muͤſſe.
Einer ihrer alten, aber auch treuſten
Diener, leitete ſie nach ſeiner elenden Woh-
nung, ſie fuͤhrte ihre Kinder am Arme, und
blickte mit ſtarrem Auge zum Himmel empor.
Eine Menge Volks folgte der Leidenden mit
thraͤnendem Auge, mit geruͤhrtem Herzen.
Schon waͤhnte der treue Diener, daß ihre
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/121>, abgerufen am 24.11.2024.
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