es, den Fürsten dringend zu bitten, Gnade für Recht ergehen zu lassen, den armen Wai- sen einen Vater, der jammernden Gattin ei- nen geliebten Gemahl zu erhalten, aber ich bat, ich flehte vergebens! Freundin! Es ist schrecklich, aber es ist eben so wahr! Ich ha- be die Liebe meines Gatten verlohren, eine andere fesselt sein Herz, und füllt es mit Ra- che. Wie kann, wie soll der Uebersatte die Bitte seines Weibes hören, wenn die Allge- liebte, die immer stärker reizende Schwester des Ermordeten unaufhörlich nur blutige Ra- che heischt! Ich trage mein hartes Schicksal mit Geduld und Standhaftigkeit, kein Sterb- licher soll sich rühmen, meine Thränen zu se- hen, sollten sie in Zukunft mein empfindsames Auge zu hart pressen, so werden sie nur in Gegenwart des Allwissenden strömen, der mein Leiden kennt, der entscheiden mag: Ob mir dort dafür Lohn gebührt? Ich würde ih- nen gleichen Rath ertheilen, wenn ihr schreck-
Biogr. d. W. 4r Bd. H
es, den Fuͤrſten dringend zu bitten, Gnade fuͤr Recht ergehen zu laſſen, den armen Wai- ſen einen Vater, der jammernden Gattin ei- nen geliebten Gemahl zu erhalten, aber ich bat, ich flehte vergebens! Freundin! Es iſt ſchrecklich, aber es iſt eben ſo wahr! Ich ha- be die Liebe meines Gatten verlohren, eine andere feſſelt ſein Herz, und fuͤllt es mit Ra- che. Wie kann, wie ſoll der Ueberſatte die Bitte ſeines Weibes hoͤren, wenn die Allge- liebte, die immer ſtaͤrker reizende Schweſter des Ermordeten unaufhoͤrlich nur blutige Ra- che heiſcht! Ich trage mein hartes Schickſal mit Geduld und Standhaftigkeit, kein Sterb- licher ſoll ſich ruͤhmen, meine Thraͤnen zu ſe- hen, ſollten ſie in Zukunft mein empfindſames Auge zu hart preſſen, ſo werden ſie nur in Gegenwart des Allwiſſenden ſtroͤmen, der mein Leiden kennt, der entſcheiden mag: Ob mir dort dafuͤr Lohn gebuͤhrt? Ich wuͤrde ih- nen gleichen Rath ertheilen, wenn ihr ſchreck-
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es, den Fuͤrſten dringend zu bitten, Gnade
fuͤr Recht ergehen zu laſſen, den armen Wai-
ſen einen Vater, der jammernden Gattin ei-
nen geliebten Gemahl zu erhalten, aber ich
bat, ich flehte vergebens! Freundin! Es iſt
ſchrecklich, aber es iſt eben ſo wahr! Ich ha-
be die Liebe meines Gatten verlohren, eine
andere feſſelt ſein Herz, und fuͤllt es mit Ra-
che. Wie kann, wie ſoll der Ueberſatte die
Bitte ſeines Weibes hoͤren, wenn die Allge-
liebte, die immer ſtaͤrker reizende Schweſter
des Ermordeten unaufhoͤrlich nur blutige Ra-
che heiſcht! Ich trage mein hartes Schickſal
mit Geduld und Standhaftigkeit, kein Sterb-
licher ſoll ſich ruͤhmen, meine Thraͤnen zu ſe-
hen, ſollten ſie in Zukunft mein empfindſames
Auge zu hart preſſen, ſo werden ſie nur in
Gegenwart des Allwiſſenden ſtroͤmen, der
mein Leiden kennt, der entſcheiden mag: Ob
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/123>, abgerufen am 24.11.2024.
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