Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ders nicht hindere, sie ferner plagen zu kön-
nen, und die Aermste wurde sogleich arretirt,
um die Möglichkeit eines neuen Versuchs zu
hindern. Hier duldete und schmachtete sie dem
schrecklichen Tage entgegen, an welchem ihr
Gatte auf dem Rabensteine bluten sollte.
Sein Urtheil war unwiderruflich, man mach-
te es ihm am Morgen des andern Tages kund,
und er bereitete sich standhaft zum nahen To-
de. Seine Miene war, oder schien wenig-
stens heiter und ruhig, nur dann trübte sie
sich, und einige Thränen rollten unaufhalt-
sam über seine Wangen herab, als man ihm
die schreckliche Nachricht brachte, daß seine
lezte Bitte nicht erfüllt werden, daß er seine
Gattin nicht mehr sehen und sprechen könne.
Also dort, wo keine Trennung mehr möglich
ist! sprach er seufzend, und trat ans Fen-
ster, um neue Kräfte zur Standhaftigkeit zu
sammeln.

ders nicht hindere, ſie ferner plagen zu koͤn-
nen, und die Aermſte wurde ſogleich arretirt,
um die Moͤglichkeit eines neuen Verſuchs zu
hindern. Hier duldete und ſchmachtete ſie dem
ſchrecklichen Tage entgegen, an welchem ihr
Gatte auf dem Rabenſteine bluten ſollte.
Sein Urtheil war unwiderruflich, man mach-
te es ihm am Morgen des andern Tages kund,
und er bereitete ſich ſtandhaft zum nahen To-
de. Seine Miene war, oder ſchien wenig-
ſtens heiter und ruhig, nur dann truͤbte ſie
ſich, und einige Thraͤnen rollten unaufhalt-
ſam uͤber ſeine Wangen herab, als man ihm
die ſchreckliche Nachricht brachte, daß ſeine
lezte Bitte nicht erfuͤllt werden, daß er ſeine
Gattin nicht mehr ſehen und ſprechen koͤnne.
Alſo dort, wo keine Trennung mehr moͤglich
iſt! ſprach er ſeufzend, und trat ans Fen-
ſter, um neue Kraͤfte zur Standhaftigkeit zu
ſammeln.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="118"/>
ders nicht hindere, &#x017F;ie ferner plagen zu ko&#x0364;n-<lb/>
nen, und die Aerm&#x017F;te wurde &#x017F;ogleich arretirt,<lb/>
um die Mo&#x0364;glichkeit eines neuen Ver&#x017F;uchs zu<lb/>
hindern. Hier duldete und &#x017F;chmachtete &#x017F;ie dem<lb/>
&#x017F;chrecklichen Tage entgegen, an welchem ihr<lb/>
Gatte auf dem Raben&#x017F;teine bluten &#x017F;ollte.<lb/>
Sein Urtheil war unwiderruflich, man mach-<lb/>
te es ihm am Morgen des andern Tages kund,<lb/>
und er bereitete &#x017F;ich &#x017F;tandhaft zum nahen To-<lb/>
de. Seine Miene war, oder &#x017F;chien wenig-<lb/>
&#x017F;tens heiter und ruhig, nur dann tru&#x0364;bte &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich, und einige Thra&#x0364;nen rollten unaufhalt-<lb/>
&#x017F;am u&#x0364;ber &#x017F;eine Wangen herab, als man ihm<lb/>
die &#x017F;chreckliche Nachricht brachte, daß &#x017F;eine<lb/>
lezte Bitte nicht erfu&#x0364;llt werden, daß er &#x017F;eine<lb/>
Gattin nicht mehr &#x017F;ehen und &#x017F;prechen ko&#x0364;nne.<lb/>
Al&#x017F;o dort, wo keine Trennung mehr mo&#x0364;glich<lb/>
i&#x017F;t! &#x017F;prach er &#x017F;eufzend, und trat ans Fen-<lb/>
&#x017F;ter, um neue Kra&#x0364;fte zur Standhaftigkeit zu<lb/>
&#x017F;ammeln.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0128] ders nicht hindere, ſie ferner plagen zu koͤn- nen, und die Aermſte wurde ſogleich arretirt, um die Moͤglichkeit eines neuen Verſuchs zu hindern. Hier duldete und ſchmachtete ſie dem ſchrecklichen Tage entgegen, an welchem ihr Gatte auf dem Rabenſteine bluten ſollte. Sein Urtheil war unwiderruflich, man mach- te es ihm am Morgen des andern Tages kund, und er bereitete ſich ſtandhaft zum nahen To- de. Seine Miene war, oder ſchien wenig- ſtens heiter und ruhig, nur dann truͤbte ſie ſich, und einige Thraͤnen rollten unaufhalt- ſam uͤber ſeine Wangen herab, als man ihm die ſchreckliche Nachricht brachte, daß ſeine lezte Bitte nicht erfuͤllt werden, daß er ſeine Gattin nicht mehr ſehen und ſprechen koͤnne. Alſo dort, wo keine Trennung mehr moͤglich iſt! ſprach er ſeufzend, und trat ans Fen- ſter, um neue Kraͤfte zur Standhaftigkeit zu ſammeln.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/128
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/128>, abgerufen am 24.11.2024.