alt und siech wurde, da entdeckte er ihm, daß er nicht sein Kind, sondern der Sohn des Unglücklichen Otto von Farwangen sei, den er einst als Freund liebte, und der ihm solchen, wie er noch nicht lallen konnte, bei Nachtzeit überbracht, und als das ein- zige Pfand einer höchst unglücklichen, aber namlosen Liebe anvertraut habe. Ich weiß nicht, sprach der Greis damals zu Hugo, ob dein Vater noch hienieden wallt, damit du ihn aber, wenn dich Gott in seine Ar- me führen sollte, sicher und gewiß erkennst, so verwahre dieses Stück eines zerbrochnen Ringes mit möglichster Sorgfalt. Derje- nige, welcher dir die andre Hälfte zeigt, ist dein Vater, ehre ihn als diesen, denn er ist höchst unglücklich, leider aber auch höchst unschuldig. Sage ihm, daß ich alles gethan habe, um Freundespflicht an dir zu erfüllen. Sein Name ist ausgelöscht unter den Namen der Edlen des Landes, ich habe
alt und ſiech wurde, da entdeckte er ihm, daß er nicht ſein Kind, ſondern der Sohn des Ungluͤcklichen Otto von Farwangen ſei, den er einſt als Freund liebte, und der ihm ſolchen, wie er noch nicht lallen konnte, bei Nachtzeit uͤberbracht, und als das ein- zige Pfand einer hoͤchſt ungluͤcklichen, aber namloſen Liebe anvertraut habe. Ich weiß nicht, ſprach der Greis damals zu Hugo, ob dein Vater noch hienieden wallt, damit du ihn aber, wenn dich Gott in ſeine Ar- me fuͤhren ſollte, ſicher und gewiß erkennſt, ſo verwahre dieſes Stuͤck eines zerbrochnen Ringes mit moͤglichſter Sorgfalt. Derje- nige, welcher dir die andre Haͤlfte zeigt, iſt dein Vater, ehre ihn als dieſen, denn er iſt hoͤchſt ungluͤcklich, leider aber auch hoͤchſt unſchuldig. Sage ihm, daß ich alles gethan habe, um Freundespflicht an dir zu erfuͤllen. Sein Name iſt ausgeloͤſcht unter den Namen der Edlen des Landes, ich habe
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alt und ſiech wurde, da entdeckte er ihm,
daß er nicht ſein Kind, ſondern der Sohn
des Ungluͤcklichen Otto von Farwangen ſei,
den er einſt als Freund liebte, und der
ihm ſolchen, wie er noch nicht lallen konnte,
bei Nachtzeit uͤberbracht, und als das ein-
zige Pfand einer hoͤchſt ungluͤcklichen, aber
namloſen Liebe anvertraut habe. Ich weiß
nicht, ſprach der Greis damals zu Hugo,
ob dein Vater noch hienieden wallt, damit
du ihn aber, wenn dich Gott in ſeine Ar-
me fuͤhren ſollte, ſicher und gewiß erkennſt,
ſo verwahre dieſes Stuͤck eines zerbrochnen
Ringes mit moͤglichſter Sorgfalt. Derje-
nige, welcher dir die andre Haͤlfte zeigt,
iſt dein Vater, ehre ihn als dieſen, denn
er iſt hoͤchſt ungluͤcklich, leider aber auch
hoͤchſt unſchuldig. Sage ihm, daß ich alles
gethan habe, um Freundespflicht an dir zu
erfuͤllen. Sein Name iſt ausgeloͤſcht unter
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/229>, abgerufen am 24.11.2024.
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