haßte Bürgerin am Arme des Fürsten erblickte. Viele kannten sie noch nicht, ehe sie aber for- schen und fragen konnten: Wer die fremde Dame sey? Ergriff die Fürstin die Hand der Gräfin, und führte sie bei allen Damen des Hofs mit der Bemerkung auf, daß dies die würdige Gemahlin des Herrn Präsidenten Gra- fen von L-- sey, und daß sie sich glücklich schätze, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.
Es war des Mitleids würdig, wie die staunenden Damen ihre Fassung zu erhalten suchten, nicht freundlich seyn wollten, und doch freundlich seyn mußten. Der Fürst sah zu, und lächelte. Man nahm Platz an der Tafel, die Gräfin sas an der Seite des Für- sten, der Graf neben der Fürstin. Alles schwieg, nur diese sprachen, und die Gräfin, welche izt ihren innern Werth zu fühlen be- gann, zeichnete sich bald auf eine äusserst vor- theilhafte Art aus. Jeder der Tafelnden such-
haßte Buͤrgerin am Arme des Fuͤrſten erblickte. Viele kannten ſie noch nicht, ehe ſie aber for- ſchen und fragen konnten: Wer die fremde Dame ſey? Ergriff die Fuͤrſtin die Hand der Graͤfin, und fuͤhrte ſie bei allen Damen des Hofs mit der Bemerkung auf, daß dies die wuͤrdige Gemahlin des Herrn Praͤſidenten Gra- fen von L— ſey, und daß ſie ſich gluͤcklich ſchaͤtze, ihre Bekanntſchaft gemacht zu haben.
Es war des Mitleids wuͤrdig, wie die ſtaunenden Damen ihre Faſſung zu erhalten ſuchten, nicht freundlich ſeyn wollten, und doch freundlich ſeyn mußten. Der Fuͤrſt ſah zu, und laͤchelte. Man nahm Platz an der Tafel, die Graͤfin ſas an der Seite des Fuͤr- ſten, der Graf neben der Fuͤrſtin. Alles ſchwieg, nur dieſe ſprachen, und die Graͤfin, welche izt ihren innern Werth zu fuͤhlen be- gann, zeichnete ſich bald auf eine aͤuſſerſt vor- theilhafte Art aus. Jeder der Tafelnden ſuch-
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haßte Buͤrgerin am Arme des Fuͤrſten erblickte.
Viele kannten ſie noch nicht, ehe ſie aber for-
ſchen und fragen konnten: Wer die fremde
Dame ſey? Ergriff die Fuͤrſtin die Hand der
Graͤfin, und fuͤhrte ſie bei allen Damen des
Hofs mit der Bemerkung auf, daß dies die
wuͤrdige Gemahlin des Herrn Praͤſidenten Gra-
fen von L— ſey, und daß ſie ſich gluͤcklich ſchaͤtze,
ihre Bekanntſchaft gemacht zu haben.
Es war des Mitleids wuͤrdig, wie die
ſtaunenden Damen ihre Faſſung zu erhalten
ſuchten, nicht freundlich ſeyn wollten, und
doch freundlich ſeyn mußten. Der Fuͤrſt ſah
zu, und laͤchelte. Man nahm Platz an der
Tafel, die Graͤfin ſas an der Seite des Fuͤr-
ſten, der Graf neben der Fuͤrſtin. Alles
ſchwieg, nur dieſe ſprachen, und die Graͤfin,
welche izt ihren innern Werth zu fuͤhlen be-
gann, zeichnete ſich bald auf eine aͤuſſerſt vor-
theilhafte Art aus. Jeder der Tafelnden ſuch-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/85>, abgerufen am 21.11.2024.
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