Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880."Dann schluckst du's herunter zum Andern, nicht wahr, "O ja", war die leise Antwort; sie klang aber so, als "Hm, und wo hast du mit deinem Großvater ge¬ "Immer auf der Alm." "So, da ist's doch nicht so besonders kurzweilig, eher "O nein, da ist's so schön! so schön!" Heidi konnte Der Doktor stand auf; er legte freundlich Heidi's Kopf Wieder unten in die Wachtstube eingetreten, ließ er sich „Dann ſchluckſt du's herunter zum Andern, nicht wahr, „O ja“, war die leiſe Antwort; ſie klang aber ſo, als „Hm, und wo haſt du mit deinem Großvater ge¬ „Immer auf der Alm.“ „So, da iſt's doch nicht ſo beſonders kurzweilig, eher „O nein, da iſt's ſo ſchön! ſo ſchön!“ Heidi konnte Der Doktor ſtand auf; er legte freundlich Heidi's Kopf Wieder unten in die Wachtſtube eingetreten, ließ er ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0200" n="190"/> <p>„Dann ſchluckſt du's herunter zum Andern, nicht wahr,<lb/> ſo? Richtig! Na, du biſt doch recht gern in Frankfurt,<lb/> nicht?“</p><lb/> <p>„O ja“, war die leiſe Antwort; ſie klang aber ſo, als<lb/> bedeute ſie eher das Gegentheil.</p><lb/> <p>„Hm, und wo haſt du mit deinem Großvater ge¬<lb/> lebt?“</p><lb/> <p>„Immer auf der Alm.“</p><lb/> <p>„So, da iſt's doch nicht ſo beſonders kurzweilig, eher<lb/> ein wenig langweilig, nicht?“</p><lb/> <p>„O nein, da iſt's ſo ſchön! ſo ſchön!“ Heidi konnte<lb/> nicht weiter; die Erinnerung, die eben durchgemachte Auf¬<lb/> regung, das lang verhaltene Weinen überwältigten die Kräfte<lb/> des Kindes; gewaltſam ſtürzten ihm die Thränen aus den<lb/> Augen und es brach in ein lautes, heftiges Schluchzen aus.</p><lb/> <p>Der Doktor ſtand auf; er legte freundlich Heidi's Kopf<lb/> auf das Kiſſen nieder und ſagte: „So, noch ein klein wenig<lb/> weinen, das kann Nichts ſchaden, und dann ſchlafen, ganz<lb/> fröhlich einſchlafen, morgen wird Alles gut.“ Dann verließ<lb/> er das Zimmer.</p><lb/> <p>Wieder unten in die Wachtſtube eingetreten, ließ er ſich<lb/> dem harrenden Freunde gegenüber in den Lehnſtuhl nieder<lb/> und erklärte dem mit geſpannter Erwartung Lauſchenden:<lb/> „Seſemann, dein kleiner Schützling iſt erſtens mondſüchtig,<lb/> völlig unbewußt hat er dir allnächtlich als Geſpenſt die<lb/> Hausthür aufgemacht und deiner ganzen Mannſchaft die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [190/0200]
„Dann ſchluckſt du's herunter zum Andern, nicht wahr,
ſo? Richtig! Na, du biſt doch recht gern in Frankfurt,
nicht?“
„O ja“, war die leiſe Antwort; ſie klang aber ſo, als
bedeute ſie eher das Gegentheil.
„Hm, und wo haſt du mit deinem Großvater ge¬
lebt?“
„Immer auf der Alm.“
„So, da iſt's doch nicht ſo beſonders kurzweilig, eher
ein wenig langweilig, nicht?“
„O nein, da iſt's ſo ſchön! ſo ſchön!“ Heidi konnte
nicht weiter; die Erinnerung, die eben durchgemachte Auf¬
regung, das lang verhaltene Weinen überwältigten die Kräfte
des Kindes; gewaltſam ſtürzten ihm die Thränen aus den
Augen und es brach in ein lautes, heftiges Schluchzen aus.
Der Doktor ſtand auf; er legte freundlich Heidi's Kopf
auf das Kiſſen nieder und ſagte: „So, noch ein klein wenig
weinen, das kann Nichts ſchaden, und dann ſchlafen, ganz
fröhlich einſchlafen, morgen wird Alles gut.“ Dann verließ
er das Zimmer.
Wieder unten in die Wachtſtube eingetreten, ließ er ſich
dem harrenden Freunde gegenüber in den Lehnſtuhl nieder
und erklärte dem mit geſpannter Erwartung Lauſchenden:
„Seſemann, dein kleiner Schützling iſt erſtens mondſüchtig,
völlig unbewußt hat er dir allnächtlich als Geſpenſt die
Hausthür aufgemacht und deiner ganzen Mannſchaft die
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