Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_141.001 Doch selbst der Weitblick des Zeus ist begrenzt. Auch pst_141.015 pst_141.025 6. pst_141.026 Lyrische Dichtung ist ungeschichtlich, hat keinen pst_141.027 Das Epos dagegen hat in der Geschichte seinen genau pst_141.001 Doch selbst der Weitblick des Zeus ist begrenzt. Auch pst_141.015 pst_141.025 6. pst_141.026 Lyrische Dichtung ist ungeschichtlich, hat keinen pst_141.027 Das Epos dagegen hat in der Geschichte seinen genau <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0145" n="141"/><lb n="pst_141.001"/> Sein Denken, von keinem anderen Gott und <lb n="pst_141.002"/> erst recht von keinem Menschen erreicht, wird vorbildlich <lb n="pst_141.003"/> in dem genaueren Sinn, daß Zeus so ist, wie der <lb n="pst_141.004"/> Mensch zu werden sich eben jetzt, in Homer, am Ende <lb n="pst_141.005"/> der epischen Kultur anschickt, jetzt, da die Schrift bekannt <lb n="pst_141.006"/> geworden und da sich die epische Parataxe bereits <lb n="pst_141.007"/> in eine, wenngleich noch lockere, Ordnung des <lb n="pst_141.008"/> Ganzen zu fügen beginnt. Denn stets verehrt der <lb n="pst_141.009"/> Mensch als Gott den Geist, der eben erst dämmert in <lb n="pst_141.010"/> ihm, zu dem sein Dasein angelegt ist. Der höchste Gott <lb n="pst_141.011"/> ist die Zukunft des Menschen, so hier die ratio des Zeus, <lb n="pst_141.012"/> die menschlich zu erfüllen ein Ziel der Geschichte des <lb n="pst_141.013"/> griechischen Volkes ist.</p> <lb n="pst_141.014"/> <p> Doch selbst der Weitblick des Zeus ist begrenzt. Auch <lb n="pst_141.015"/> er ist nicht ganz frei von Sorge und Angst um das, was <lb n="pst_141.016"/> auf Erden geschieht. Denn über ihm waltet noch ein <lb n="pst_141.017"/> Höheres, von dem er sich immer abhängig weiß, Moira, <lb n="pst_141.018"/> in deren Dunkel nun wirklich alles und jedes zusammenhängt. <lb n="pst_141.019"/> Moira aber ist in der epischen Welt der deus <lb n="pst_141.020"/> absconditus, unergründlich, undurchsichtig, das Geheimnis, <lb n="pst_141.021"/> das jenseits allen Erkennens und allen Ahnens <lb n="pst_141.022"/> bleibt, das Schicksal, das als Vorsehung zu deuten, dessen <lb n="pst_141.023"/> Plan zu erforschen, hier noch in keines Menschen <lb n="pst_141.024"/> Sinn kommt.</p> </div> <div n="2"> <lb n="pst_141.025"/> <head> <hi rendition="#c">6.</hi> </head> <lb n="pst_141.026"/> <p> Lyrische Dichtung ist ungeschichtlich, hat keinen <lb n="pst_141.027"/> Grund und keine Folgen; sie spricht nur Gleichgestimmte <lb n="pst_141.028"/> an; ihre Wirkungen sind zufälliger Art und <lb n="pst_141.029"/> vergehen, wie eine Stimmung vergeht.</p> <lb n="pst_141.030"/> <p> Das Epos dagegen hat in der Geschichte seinen genau </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0145]
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Sein Denken, von keinem anderen Gott und pst_141.002
erst recht von keinem Menschen erreicht, wird vorbildlich pst_141.003
in dem genaueren Sinn, daß Zeus so ist, wie der pst_141.004
Mensch zu werden sich eben jetzt, in Homer, am Ende pst_141.005
der epischen Kultur anschickt, jetzt, da die Schrift bekannt pst_141.006
geworden und da sich die epische Parataxe bereits pst_141.007
in eine, wenngleich noch lockere, Ordnung des pst_141.008
Ganzen zu fügen beginnt. Denn stets verehrt der pst_141.009
Mensch als Gott den Geist, der eben erst dämmert in pst_141.010
ihm, zu dem sein Dasein angelegt ist. Der höchste Gott pst_141.011
ist die Zukunft des Menschen, so hier die ratio des Zeus, pst_141.012
die menschlich zu erfüllen ein Ziel der Geschichte des pst_141.013
griechischen Volkes ist.
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Doch selbst der Weitblick des Zeus ist begrenzt. Auch pst_141.015
er ist nicht ganz frei von Sorge und Angst um das, was pst_141.016
auf Erden geschieht. Denn über ihm waltet noch ein pst_141.017
Höheres, von dem er sich immer abhängig weiß, Moira, pst_141.018
in deren Dunkel nun wirklich alles und jedes zusammenhängt. pst_141.019
Moira aber ist in der epischen Welt der deus pst_141.020
absconditus, unergründlich, undurchsichtig, das Geheimnis, pst_141.021
das jenseits allen Erkennens und allen Ahnens pst_141.022
bleibt, das Schicksal, das als Vorsehung zu deuten, dessen pst_141.023
Plan zu erforschen, hier noch in keines Menschen pst_141.024
Sinn kommt.
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Lyrische Dichtung ist ungeschichtlich, hat keinen pst_141.027
Grund und keine Folgen; sie spricht nur Gleichgestimmte pst_141.028
an; ihre Wirkungen sind zufälliger Art und pst_141.029
vergehen, wie eine Stimmung vergeht.
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Das Epos dagegen hat in der Geschichte seinen genau
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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