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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

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"Mein einziges, mein höchstes Ziel ist gesunken; ich pst_198.002
habe nun keines mehr"1.

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Die "Familie Schroffenstein" offenbart die Unzugänglichkeit pst_198.004
der Wahrheit, die Gott, ein rätselhafter pst_198.005
Gott, ein deus absconditus, verfügt hat.

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Doch schon in diesem ersten Drama erschließt sich pst_198.007
eine höhere Welt, die des "Gefühls", wie Kleist sich pst_198.008
ausdrückt, der Liebe, für die das Glück nicht im ruhigen pst_198.009
Selbstbesitz der Tugend und nicht in diskursiver Erkenntnis pst_198.010
besteht, sondern in der Vereinigung mit Geliebtem. pst_198.011
Auch dieses Ideal jedoch zerstört der Dichter pst_198.012
durch eiserne Konsequenz. Die Vereinigung soll vollkommen pst_198.013
sein. Das "Ich in dir und du in mir", von dem pst_198.014
die Liebeslieder singen, soll vom gesamten Menschen pst_198.015
gelten. Kuß und Umarmung können sich mit der Berührung pst_198.016
des Körpers nicht begnügen. Penthesilea pst_198.017
stürzt sich auf Achill und zerfleischt ihn in liebender Bemühung, pst_198.018
das unerträgliche Gegenüber zu tilgen. In der pst_198.019
"gebrechlichen Einrichtung der Welt" hat sich die Leidenschaft pst_198.020
selber ad absurdum geführt und bewiesen, pst_198.021
daß Liebesglück unmöglich ist. Wäre sie milder gewesen, pst_198.022
sie hätte sich mit dem möglichen Glück begnügt.

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Wir nennen solche Ereignisse wie das Scheitern der pst_198.025
Wahrheit in der "Familie Schroffenstein", das Scheitern pst_198.026
der Liebe in der "Penthesilea" tragisch. Das Tragische pst_198.027
ereignet sich, wenn das, worum es in einem letzten pst_198.028
allumfassenden Sinne geht, worauf ein menschliches pst_198.029
Dasein ankommt, zerbricht. Im Tragischen, anders

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An Wilhelmine von Zenge, 22. März 1801.
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  «Mein einziges, mein höchstes Ziel ist gesunken; ich pst_198.002
habe nun keines mehr»1.

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  Die «Familie Schroffenstein» offenbart die Unzugänglichkeit pst_198.004
der Wahrheit, die Gott, ein rätselhafter pst_198.005
Gott, ein deus absconditus, verfügt hat.

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  Doch schon in diesem ersten Drama erschließt sich pst_198.007
eine höhere Welt, die des «Gefühls», wie Kleist sich pst_198.008
ausdrückt, der Liebe, für die das Glück nicht im ruhigen pst_198.009
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sie hätte sich mit dem möglichen Glück begnügt.

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Wahrheit in der «Familie Schroffenstein», das Scheitern pst_198.026
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allumfassenden Sinne geht, worauf ein menschliches pst_198.029
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Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/202>, abgerufen am 21.11.2024.