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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

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wenig ausgebildet; und eben in diesen Bereichen finden pst_056.002
wir uns von Mehrdeutigkeiten verwirrt. Immerhin läßt pst_056.003
sich wohl soviel sagen: Wenn wir ein Bild betrachten pst_056.004
wollen, treten wir ein wenig zurück, damit wir es übersehen pst_056.005
und das im Raum Verteilte als ein Ganzes aufzufassen pst_056.006
imstande sind. Der Abstand ist hier wesentlich. pst_056.007
Beim Hören von Musik spielt Nähe und Ferne nur insofern pst_056.008
eine Rolle, als die Instrumente aus einer bestimmten pst_056.009
Entfernung am besten klingen. Der richtige Abstand pst_056.010
vom Instrument ist etwa mit der günstigsten Beleuchtung pst_056.011
von Bildern zu vergleichen. Er schafft jedoch pst_056.012
kein Gegenüber wie beim Bild, das uns "vor-gestellt" pst_056.013
wird und das wir uns wieder, wenn es nicht mehr da pst_056.014
ist, vorzustellen vermögen. Vielmehr gilt von der Musik pst_056.015
das Wort Paul Valerys, der erklärt, Musik hebe den pst_056.016
Raum auf. Wir seien in ihr, sie sei in uns. Der wahre pst_056.017
Hörer sei "esclave de la presence generale de la musique", pst_056.018
eingeschlossen mit ihr wie eine Pythia in der pst_056.019
Kammer voll Rauch1. Das Gleichnis, auf das Lyrisch-Intime pst_056.020
bezogen, scheint vielleicht zu mächtig. Und freilich pst_056.021
wäre beizufügen, daß nicht alle Musik als lyrisch pst_056.022
bezeichnet werden darf. Eine Fuge von Bach ist nicht pst_056.023
lyrisch. Ob bei einer Fuge ein Abstand bestehe, und welchen pst_056.024
besonderen Sinn dies habe, kann hier nicht ausgeführt pst_056.025
werden. Lyrisch ist aber jene Musik, die Schiller pst_056.026
in der Schrift vom Erhabenen mit so scharfen Worten pst_056.027
verurteilt:

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"Auch die Musik der Neuern scheint es vorzüglich nur pst_056.029
auf die Sinnlichkeit anzulegen, und schmeichelt dadurch

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Paul Valery, Eupalinos, Paris 1924, S. 126.

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Entfernung am besten klingen. Der richtige Abstand pst_056.010
vom Instrument ist etwa mit der günstigsten Beleuchtung pst_056.011
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kein Gegenüber wie beim Bild, das uns «vor-gestellt» pst_056.013
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ist, vorzustellen vermögen. Vielmehr gilt von der Musik pst_056.015
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Hörer sei «esclave de la présence générale de la musique», pst_056.018
eingeschlossen mit ihr wie eine Pythia in der pst_056.019
Kammer voll Rauch1. Das Gleichnis, auf das Lyrisch-Intime pst_056.020
bezogen, scheint vielleicht zu mächtig. Und freilich pst_056.021
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  «Auch die Musik der Neuern scheint es vorzüglich nur pst_056.029
auf die Sinnlichkeit anzulegen, und schmeichelt dadurch

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Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/60>, abgerufen am 23.11.2024.