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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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thun haben. Allein es ist keine Frage, daß das Wegewesen die Haupt-
anwendung der Grundsätze bildet, welche dafür gelten. Man scheidet
daher mit Recht Hochbauten, Brückenbauten, Wasserbauten und Wege-
bauten. Jede derselben hat ihre Technik und daher ihre technische Fach-
bildung, welche die Verwaltungslehre als bekannt vorauszusetzen hat.
Dagegen ist für die Beurtheilung dieses Gebietes in erster Linie das
Verhältniß maßgebend, in welchem die Regierung zur Selbstverwaltung
steht; je weniger diese letzterer überhaupt überlassen ist, desto stärker
ist gegenüber dem Privatbau die Entwicklung des amtlichen Baukörpers
und seiner Thätigkeit; und umgekehrt entsteht daraus der große Unter-
schied zwischen England, Frankreich und Deutschland in dieser Beziehung.
Aus demselben Grunde erklärt sich auch die sehr verschiedene Entwick-
lung der Sache in den einzelnen Staaten Deutschlands, sowie anderer-
seits das Hineingreifen in das Privatbauwesen wieder ein eigentlich
wissenschaftliches System nicht thunlich macht.

In England gibt es gar kein öffentliches Bauwesen, wie es keine öffent-
liche Fachbildung für die Technik gibt. Hier ist alles der Privatthätigkeit und
Industrie überlassen. Dagegen ist mit unserem Jahrhundert das Wegewesen
stark amtlich entwickelt, theils auch durch die Gesellschaftsunternehmungen der
Turnpike Roads wesentlich gefördert (s. Gneist, Engl. Verwaltungsrecht II.
§. 119). Das gerade Gegentheil davon ist Frankreich. Hier ward schon 1722
der Plan gefaßt, das ganze Reich mit 12000 lieues Wegen vom Staat aus
zu versehen: 1750 ward das Corps der Ponts et Chaussees errichtet, das 1791
erhalten, mit mannichfachen Organisationen versehen, und zuletzt durch Decret
vom 13. Okt. 1851 neu organisirt wurde. Grundlage ist die Eintheilung in
den Conseil general des Ponts et Chaussees und die Inspecteurs erster und zweiter
Classe. Unter ihnen steht das ganze öffentliche Bauwesen Frankreichs, spe-
ciell das Wege- und Brückenwesen. Strenge und sehr detaillirte Vorschriften
über das Verfahren (s. besonders Laferriere, Droit publ. T. I. p. 620 sq.).
Kurze Darstellung der Organisation mit der sich daran schließenden Literatur
bei Block, v. Ponts et Chaussees; Errichtung der Ecole des Ponts et Chaus-
sees
schon 1750. Stellung des ganzen Körpers unter den Minister des Innern
durch Decret vom 25. Aug. 1804; unter das Ministere des travaux publics
(Decret vom 25. Juli 1833). Ueber das Verfahren bei Ueberlassung der
Arbeiten an Private, die Cahiers, die licitation etc. s. Laferriere a. a. O.
§. 2. 3. Das Conseil des batiments civils ib. §. 3. In Preußen besteht
nach französischem Vorbilde die durch Verordnung vom 22. Dec. 1849 neu
organisirte technische Baudeputation als Oberaufsichtsbehörde; daneben
die königliche Bauakademie in Berlin (errichtet durch Verordnung vom
20. April 1799); von da an mehrfach reorganisirt dem Ministerium für Handel
und öffentliche Arbeiten untergeordnet (Verordnung vom 18. März 1855);
s. Rönne, Baupolizei 2. Ausgabe S. 44 ff.; Rönne, Staatsrecht II. §. 228
(Kurz.) In Oesterreich ist das öffentliche Bauwesen noch nicht organisirt;

thun haben. Allein es iſt keine Frage, daß das Wegeweſen die Haupt-
anwendung der Grundſätze bildet, welche dafür gelten. Man ſcheidet
daher mit Recht Hochbauten, Brückenbauten, Waſſerbauten und Wege-
bauten. Jede derſelben hat ihre Technik und daher ihre techniſche Fach-
bildung, welche die Verwaltungslehre als bekannt vorauszuſetzen hat.
Dagegen iſt für die Beurtheilung dieſes Gebietes in erſter Linie das
Verhältniß maßgebend, in welchem die Regierung zur Selbſtverwaltung
ſteht; je weniger dieſe letzterer überhaupt überlaſſen iſt, deſto ſtärker
iſt gegenüber dem Privatbau die Entwicklung des amtlichen Baukörpers
und ſeiner Thätigkeit; und umgekehrt entſteht daraus der große Unter-
ſchied zwiſchen England, Frankreich und Deutſchland in dieſer Beziehung.
Aus demſelben Grunde erklärt ſich auch die ſehr verſchiedene Entwick-
lung der Sache in den einzelnen Staaten Deutſchlands, ſowie anderer-
ſeits das Hineingreifen in das Privatbauweſen wieder ein eigentlich
wiſſenſchaftliches Syſtem nicht thunlich macht.

In England gibt es gar kein öffentliches Bauweſen, wie es keine öffent-
liche Fachbildung für die Technik gibt. Hier iſt alles der Privatthätigkeit und
Induſtrie überlaſſen. Dagegen iſt mit unſerem Jahrhundert das Wegeweſen
ſtark amtlich entwickelt, theils auch durch die Geſellſchaftsunternehmungen der
Turnpike Roads weſentlich gefördert (ſ. Gneiſt, Engl. Verwaltungsrecht II.
§. 119). Das gerade Gegentheil davon iſt Frankreich. Hier ward ſchon 1722
der Plan gefaßt, das ganze Reich mit 12000 lieues Wegen vom Staat aus
zu verſehen: 1750 ward das Corps der Ponts et Chaussées errichtet, das 1791
erhalten, mit mannichfachen Organiſationen verſehen, und zuletzt durch Decret
vom 13. Okt. 1851 neu organiſirt wurde. Grundlage iſt die Eintheilung in
den Conseil général des Ponts et Chaussées und die Inspecteurs erſter und zweiter
Claſſe. Unter ihnen ſteht das ganze öffentliche Bauweſen Frankreichs, ſpe-
ciell das Wege- und Brückenweſen. Strenge und ſehr detaillirte Vorſchriften
über das Verfahren (ſ. beſonders Laferrière, Droit publ. T. I. p. 620 sq.).
Kurze Darſtellung der Organiſation mit der ſich daran ſchließenden Literatur
bei Block, v. Ponts et Chaussées; Errichtung der Ecole des Ponts et Chaus-
sées
ſchon 1750. Stellung des ganzen Körpers unter den Miniſter des Innern
durch Decret vom 25. Aug. 1804; unter das Ministère des travaux publics
(Decret vom 25. Juli 1833). Ueber das Verfahren bei Ueberlaſſung der
Arbeiten an Private, die Cahiers, die licitation etc. ſ. Laferrière a. a. O.
§. 2. 3. Das Conseil des bâtiments civils ib. §. 3. In Preußen beſteht
nach franzöſiſchem Vorbilde die durch Verordnung vom 22. Dec. 1849 neu
organiſirte techniſche Baudeputation als Oberaufſichtsbehörde; daneben
die königliche Bauakademie in Berlin (errichtet durch Verordnung vom
20. April 1799); von da an mehrfach reorganiſirt dem Miniſterium für Handel
und öffentliche Arbeiten untergeordnet (Verordnung vom 18. März 1855);
ſ. Rönne, Baupolizei 2. Ausgabe S. 44 ff.; Rönne, Staatsrecht II. §. 228
(Kurz.) In Oeſterreich iſt das öffentliche Bauweſen noch nicht organiſirt;

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[183/0207] thun haben. Allein es iſt keine Frage, daß das Wegeweſen die Haupt- anwendung der Grundſätze bildet, welche dafür gelten. Man ſcheidet daher mit Recht Hochbauten, Brückenbauten, Waſſerbauten und Wege- bauten. Jede derſelben hat ihre Technik und daher ihre techniſche Fach- bildung, welche die Verwaltungslehre als bekannt vorauszuſetzen hat. Dagegen iſt für die Beurtheilung dieſes Gebietes in erſter Linie das Verhältniß maßgebend, in welchem die Regierung zur Selbſtverwaltung ſteht; je weniger dieſe letzterer überhaupt überlaſſen iſt, deſto ſtärker iſt gegenüber dem Privatbau die Entwicklung des amtlichen Baukörpers und ſeiner Thätigkeit; und umgekehrt entſteht daraus der große Unter- ſchied zwiſchen England, Frankreich und Deutſchland in dieſer Beziehung. Aus demſelben Grunde erklärt ſich auch die ſehr verſchiedene Entwick- lung der Sache in den einzelnen Staaten Deutſchlands, ſowie anderer- ſeits das Hineingreifen in das Privatbauweſen wieder ein eigentlich wiſſenſchaftliches Syſtem nicht thunlich macht. In England gibt es gar kein öffentliches Bauweſen, wie es keine öffent- liche Fachbildung für die Technik gibt. Hier iſt alles der Privatthätigkeit und Induſtrie überlaſſen. Dagegen iſt mit unſerem Jahrhundert das Wegeweſen ſtark amtlich entwickelt, theils auch durch die Geſellſchaftsunternehmungen der Turnpike Roads weſentlich gefördert (ſ. Gneiſt, Engl. Verwaltungsrecht II. §. 119). Das gerade Gegentheil davon iſt Frankreich. Hier ward ſchon 1722 der Plan gefaßt, das ganze Reich mit 12000 lieues Wegen vom Staat aus zu verſehen: 1750 ward das Corps der Ponts et Chaussées errichtet, das 1791 erhalten, mit mannichfachen Organiſationen verſehen, und zuletzt durch Decret vom 13. Okt. 1851 neu organiſirt wurde. Grundlage iſt die Eintheilung in den Conseil général des Ponts et Chaussées und die Inspecteurs erſter und zweiter Claſſe. Unter ihnen ſteht das ganze öffentliche Bauweſen Frankreichs, ſpe- ciell das Wege- und Brückenweſen. Strenge und ſehr detaillirte Vorſchriften über das Verfahren (ſ. beſonders Laferrière, Droit publ. T. I. p. 620 sq.). Kurze Darſtellung der Organiſation mit der ſich daran ſchließenden Literatur bei Block, v. Ponts et Chaussées; Errichtung der Ecole des Ponts et Chaus- sées ſchon 1750. Stellung des ganzen Körpers unter den Miniſter des Innern durch Decret vom 25. Aug. 1804; unter das Ministère des travaux publics (Decret vom 25. Juli 1833). Ueber das Verfahren bei Ueberlaſſung der Arbeiten an Private, die Cahiers, die licitation etc. ſ. Laferrière a. a. O. §. 2. 3. Das Conseil des bâtiments civils ib. §. 3. In Preußen beſteht nach franzöſiſchem Vorbilde die durch Verordnung vom 22. Dec. 1849 neu organiſirte techniſche Baudeputation als Oberaufſichtsbehörde; daneben die königliche Bauakademie in Berlin (errichtet durch Verordnung vom 20. April 1799); von da an mehrfach reorganiſirt dem Miniſterium für Handel und öffentliche Arbeiten untergeordnet (Verordnung vom 18. März 1855); ſ. Rönne, Baupolizei 2. Ausgabe S. 44 ff.; Rönne, Staatsrecht II. §. 228 (Kurz.) In Oeſterreich iſt das öffentliche Bauweſen noch nicht organiſirt;

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/207>, abgerufen am 04.12.2024.