Ursprünglich war alle Währung Silberwährung ohne eine besonders geschiedene Scheidemünzwährung. Die Goldmünze war Waare, ohne Zahlungsrecht und Zahlungswerth. Mit dem wachsenden Völkerverkehr wird vermöge seiner Natur die Goldmünze mehr und mehr zuerst ein internationales Zahlungsmittel. Als einerseits die industrielle Pro- duktion und Consumtion sich entwickeln, und andererseits der ostindische Handel die Zahlungen nach dem Orient in einem steigenden Maße hebt, vermag die Masse des Silbers allmälig auch dem Zahlungsbedürfniß des inneren Verkehrs nicht mehr zu genügen, und das Gold wird da- her neben dem Silber zur umlaufenden Münze, die in dem Grade unentbehrlicher wird, in welchem der überseeische Verkehr das Silber absorbirt, und die fortschreitende Gesittung den Geldbetrag auf den Kopf der Bevölkerung steigert. Damit wird nun auch für die Gold- münze nicht bloß eine genaue und strenge Münzung, sondern auch die Währung nothwendig, und so entstehen jetzt drei Währungssysteme: die Goldwährung, welche die Silberwährung nur noch als Scheide- münze mit kleiner Verkehrswährung neben sich aufnimmt, die Doppel- währung, welche die Gold- und Silberwährung zugleich anerkennt, und daher stets gezwungen ist, einen gesetzlichen Zahlungswerth neben dem Zahlungsrecht für das Werthverhältniß beider Metalle aufzustellen, und die Silberwährung, in der die Goldmünze noch Waare ohne Zahlungsrecht, und mit bloßem Verkehrswerth ist. Es ist nun kein Zweifel, daß dieselben Gründe, welche die Goldwährung erzeugt haben, sie auch allmälig bei allen Völkern des Weltverkehrs einführen werden, da die Masse des Silbers anerkannt sich vermindert, und für den Münzbedarf nicht mehr ausreicht. Die Goldwährung erscheint daher als natürliche Währung des Völkerverkehrs, die Silberwährung als die des inneren Verkehrs, so zwar, daß dem entsprechend die Münzung des Goldes Sache der Völkerverträge, die Münzung des Silbers Sache der einheimischen Gesetzgebung bleibt. Die einzige Frage ist dabei die über die Modalitäten der Einführung der Goldwährung. Die lei- tenden Grundsätze dafür sind: 1) das Gold muß bereits als Verkehrs- zahlungsmittel bekannt sein, ehe man ihm die Währung gibt; 2) man muß ihm zuerst nur die halbe, und dann die volle Währung geben; 3) die Einlösungen des Papiergeldes und die Verzinsung der Staats- schulden in Gold gleichfalls der Verkehrswährung voraufgehen; 4) mit Uebergehung jeder Doppelwährung dem Silber als Scheidemünze seinen eigenen leichteren Münzfuß und seine eigene Scheidemünzwährung bei- legen.
Man wird den großen theoretischen Streit zwischen Gold und Silber nur dann richtig beurtheilen, wenn man sich dem Obigen gemäß darüber einig ist,
Urſprünglich war alle Währung Silberwährung ohne eine beſonders geſchiedene Scheidemünzwährung. Die Goldmünze war Waare, ohne Zahlungsrecht und Zahlungswerth. Mit dem wachſenden Völkerverkehr wird vermöge ſeiner Natur die Goldmünze mehr und mehr zuerſt ein internationales Zahlungsmittel. Als einerſeits die induſtrielle Pro- duktion und Conſumtion ſich entwickeln, und andererſeits der oſtindiſche Handel die Zahlungen nach dem Orient in einem ſteigenden Maße hebt, vermag die Maſſe des Silbers allmälig auch dem Zahlungsbedürfniß des inneren Verkehrs nicht mehr zu genügen, und das Gold wird da- her neben dem Silber zur umlaufenden Münze, die in dem Grade unentbehrlicher wird, in welchem der überſeeiſche Verkehr das Silber abſorbirt, und die fortſchreitende Geſittung den Geldbetrag auf den Kopf der Bevölkerung ſteigert. Damit wird nun auch für die Gold- münze nicht bloß eine genaue und ſtrenge Münzung, ſondern auch die Währung nothwendig, und ſo entſtehen jetzt drei Währungsſyſteme: die Goldwährung, welche die Silberwährung nur noch als Scheide- münze mit kleiner Verkehrswährung neben ſich aufnimmt, die Doppel- währung, welche die Gold- und Silberwährung zugleich anerkennt, und daher ſtets gezwungen iſt, einen geſetzlichen Zahlungswerth neben dem Zahlungsrecht für das Werthverhältniß beider Metalle aufzuſtellen, und die Silberwährung, in der die Goldmünze noch Waare ohne Zahlungsrecht, und mit bloßem Verkehrswerth iſt. Es iſt nun kein Zweifel, daß dieſelben Gründe, welche die Goldwährung erzeugt haben, ſie auch allmälig bei allen Völkern des Weltverkehrs einführen werden, da die Maſſe des Silbers anerkannt ſich vermindert, und für den Münzbedarf nicht mehr ausreicht. Die Goldwährung erſcheint daher als natürliche Währung des Völkerverkehrs, die Silberwährung als die des inneren Verkehrs, ſo zwar, daß dem entſprechend die Münzung des Goldes Sache der Völkerverträge, die Münzung des Silbers Sache der einheimiſchen Geſetzgebung bleibt. Die einzige Frage iſt dabei die über die Modalitäten der Einführung der Goldwährung. Die lei- tenden Grundſätze dafür ſind: 1) das Gold muß bereits als Verkehrs- zahlungsmittel bekannt ſein, ehe man ihm die Währung gibt; 2) man muß ihm zuerſt nur die halbe, und dann die volle Währung geben; 3) die Einlöſungen des Papiergeldes und die Verzinſung der Staats- ſchulden in Gold gleichfalls der Verkehrswährung voraufgehen; 4) mit Uebergehung jeder Doppelwährung dem Silber als Scheidemünze ſeinen eigenen leichteren Münzfuß und ſeine eigene Scheidemünzwährung bei- legen.
Man wird den großen theoretiſchen Streit zwiſchen Gold und Silber nur dann richtig beurtheilen, wenn man ſich dem Obigen gemäß darüber einig iſt,
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Urſprünglich war alle Währung Silberwährung ohne eine beſonders
geſchiedene Scheidemünzwährung. Die Goldmünze war Waare, ohne
Zahlungsrecht und Zahlungswerth. Mit dem wachſenden Völkerverkehr
wird vermöge ſeiner Natur die Goldmünze mehr und mehr zuerſt ein
internationales Zahlungsmittel. Als einerſeits die induſtrielle Pro-
duktion und Conſumtion ſich entwickeln, und andererſeits der oſtindiſche
Handel die Zahlungen nach dem Orient in einem ſteigenden Maße hebt,
vermag die Maſſe des Silbers allmälig auch dem Zahlungsbedürfniß
des inneren Verkehrs nicht mehr zu genügen, und das Gold wird da-
her neben dem Silber zur umlaufenden Münze, die in dem Grade
unentbehrlicher wird, in welchem der überſeeiſche Verkehr das Silber
abſorbirt, und die fortſchreitende Geſittung den Geldbetrag auf den
Kopf der Bevölkerung ſteigert. Damit wird nun auch für die Gold-
münze nicht bloß eine genaue und ſtrenge Münzung, ſondern auch die
Währung nothwendig, und ſo entſtehen jetzt drei Währungsſyſteme:
die Goldwährung, welche die Silberwährung nur noch als Scheide-
münze mit kleiner Verkehrswährung neben ſich aufnimmt, die Doppel-
währung, welche die Gold- und Silberwährung zugleich anerkennt,
und daher ſtets gezwungen iſt, einen geſetzlichen Zahlungswerth neben
dem Zahlungsrecht für das Werthverhältniß beider Metalle aufzuſtellen,
und die Silberwährung, in der die Goldmünze noch Waare ohne
Zahlungsrecht, und mit bloßem Verkehrswerth iſt. Es iſt nun kein
Zweifel, daß dieſelben Gründe, welche die Goldwährung erzeugt haben,
ſie auch allmälig bei allen Völkern des Weltverkehrs einführen werden,
da die Maſſe des Silbers anerkannt ſich vermindert, und für den
Münzbedarf nicht mehr ausreicht. Die Goldwährung erſcheint daher
als natürliche Währung des Völkerverkehrs, die Silberwährung als
die des inneren Verkehrs, ſo zwar, daß dem entſprechend die Münzung
des Goldes Sache der Völkerverträge, die Münzung des Silbers Sache
der einheimiſchen Geſetzgebung bleibt. Die einzige Frage iſt dabei die
über die Modalitäten der Einführung der Goldwährung. Die lei-
tenden Grundſätze dafür ſind: 1) das Gold muß bereits als Verkehrs-
zahlungsmittel bekannt ſein, ehe man ihm die Währung gibt; 2) man
muß ihm zuerſt nur die halbe, und dann die volle Währung geben;
3) die Einlöſungen des Papiergeldes und die Verzinſung der Staats-
ſchulden in Gold gleichfalls der Verkehrswährung voraufgehen; 4) mit
Uebergehung jeder Doppelwährung dem Silber als Scheidemünze ſeinen
eigenen leichteren Münzfuß und ſeine eigene Scheidemünzwährung bei-
legen.
Man wird den großen theoretiſchen Streit zwiſchen Gold und Silber nur
dann richtig beurtheilen, wenn man ſich dem Obigen gemäß darüber einig iſt,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/261>, abgerufen am 22.11.2024.
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