Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

daß die Bank an die Stelle der finanziellen Cassenverwaltung trete.
Diese Grundsätze beginnen bereits sich Bahn zu brechen. Unterdessen
schließt die bisherige Epoche mit dem großen Resultate, das als Vor-
aussetzung der nächsten Epoche betrachtet werden muß: der Scheidung
der Notenbanken von den Creditbanken
. Diese ist daher bis
jetzt der herrschende Charakter des öffentlichen Bankrechts unserer Zeit
und hat das gegenwärtige Bankrecht definitiv gestaltet.

III. Die leitenden Grundsätze dieses öffentlichen Bankrechts, als
Ergebniß dieser historischen Entwicklung, sind nun folgende:

1) Das Bankrecht ist kein reines Vereins- sondern ein Verwal-
tungsrecht, in welchem die Gesetzgebung (durch Gesetz oder Bank-
statut) die Principien der Funktion der Bank bestimmt, und der Bank-
verein unter amtlicher Oberaufsicht die Vollziehung hat.
2) Es darf nur Eine Notenbank geben.
3) Die Fundation und Emission der Noten werden vom Gesetze
bestimmt.
4) Die gesetzliche Aufgabe der Creditverwaltung der Bank ist der
Zahlungscredit mit strengem Ausschluß des Unternehmungscredits. Da-
her kein Erwerb von Immobilien, keine Betheiligung an Unterneh-
mungen, kein Handel in Werthpapieren, kein Disconto auf lange
Sicht. Consequent ist dafür, daß den Noten der Bank die volle
Währung
, Staatswährung sowohl als Verkehrswährung gegeben werde.
5) Die Erfüllung dieser Aufgabe setzt ein System von Filialen
voraus, und diese wieder machen es möglich und werden es hervor-
bringen, daß das ganze Zahlungswesen des Staats in Ein- und Aus-
gabe durch die Bank verwaltet werde.

Diese Grundsätze des Bankrechts sowohl als der historische Ent-
wicklungsgang des Bankwesens ist in jedem Staate Europas wieder
verschieden
. Die Banken haben eben so wohl ihre staatliche Indi-
vidualität wie die übrigen Theile der Verwaltung. Bei dieser natio-
nalen Darstellung des Bankwesens beginnt daher das besondere
Gebiet der Banklehre, das selbständige und weitläufige Bearbeitung
bedarf.

Die bisherige Literatur über das Bankwesen ist aus zwei Gründen nur
als Material für die Beurtheilung zu gebrauchen. Erstlich mangelt ihr die
Beachtung des öffentlichen Rechts der Banken, zweitens aber und vor allem
jede Vergleichung der verschiedenen Banksysteme. Wagner ist zu einseitig
im englischen Bankwesen, Hübner zu einseitig compilirend. Die Engländer
wissen wenig von Frankreich und gar nichts von Deutschland; die Franzosen
kennen nur Frankreich; die Deutschen kennen beide, aber sind eben nur Natio-
nalökonomen, die von Busch und Adam Smith bis zu Wagner fast nur über

daß die Bank an die Stelle der finanziellen Caſſenverwaltung trete.
Dieſe Grundſätze beginnen bereits ſich Bahn zu brechen. Unterdeſſen
ſchließt die bisherige Epoche mit dem großen Reſultate, das als Vor-
ausſetzung der nächſten Epoche betrachtet werden muß: der Scheidung
der Notenbanken von den Creditbanken
. Dieſe iſt daher bis
jetzt der herrſchende Charakter des öffentlichen Bankrechts unſerer Zeit
und hat das gegenwärtige Bankrecht definitiv geſtaltet.

III. Die leitenden Grundſätze dieſes öffentlichen Bankrechts, als
Ergebniß dieſer hiſtoriſchen Entwicklung, ſind nun folgende:

1) Das Bankrecht iſt kein reines Vereins- ſondern ein Verwal-
tungsrecht, in welchem die Geſetzgebung (durch Geſetz oder Bank-
ſtatut) die Principien der Funktion der Bank beſtimmt, und der Bank-
verein unter amtlicher Oberaufſicht die Vollziehung hat.
2) Es darf nur Eine Notenbank geben.
3) Die Fundation und Emiſſion der Noten werden vom Geſetze
beſtimmt.
4) Die geſetzliche Aufgabe der Creditverwaltung der Bank iſt der
Zahlungscredit mit ſtrengem Ausſchluß des Unternehmungscredits. Da-
her kein Erwerb von Immobilien, keine Betheiligung an Unterneh-
mungen, kein Handel in Werthpapieren, kein Disconto auf lange
Sicht. Conſequent iſt dafür, daß den Noten der Bank die volle
Währung
, Staatswährung ſowohl als Verkehrswährung gegeben werde.
5) Die Erfüllung dieſer Aufgabe ſetzt ein Syſtem von Filialen
voraus, und dieſe wieder machen es möglich und werden es hervor-
bringen, daß das ganze Zahlungsweſen des Staats in Ein- und Aus-
gabe durch die Bank verwaltet werde.

Dieſe Grundſätze des Bankrechts ſowohl als der hiſtoriſche Ent-
wicklungsgang des Bankweſens iſt in jedem Staate Europas wieder
verſchieden
. Die Banken haben eben ſo wohl ihre ſtaatliche Indi-
vidualität wie die übrigen Theile der Verwaltung. Bei dieſer natio-
nalen Darſtellung des Bankweſens beginnt daher das beſondere
Gebiet der Banklehre, das ſelbſtändige und weitläufige Bearbeitung
bedarf.

Die bisherige Literatur über das Bankweſen iſt aus zwei Gründen nur
als Material für die Beurtheilung zu gebrauchen. Erſtlich mangelt ihr die
Beachtung des öffentlichen Rechts der Banken, zweitens aber und vor allem
jede Vergleichung der verſchiedenen Bankſyſteme. Wagner iſt zu einſeitig
im engliſchen Bankweſen, Hübner zu einſeitig compilirend. Die Engländer
wiſſen wenig von Frankreich und gar nichts von Deutſchland; die Franzoſen
kennen nur Frankreich; die Deutſchen kennen beide, aber ſind eben nur Natio-
nalökonomen, die von Buſch und Adam Smith bis zu Wagner faſt nur über

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0321" n="297"/>
daß die Bank an die Stelle der finanziellen Ca&#x017F;&#x017F;enverwaltung trete.<lb/>
Die&#x017F;e Grund&#x017F;ätze beginnen bereits &#x017F;ich Bahn zu brechen. Unterde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chließt die bisherige Epoche mit dem großen Re&#x017F;ultate, das als Vor-<lb/>
aus&#x017F;etzung der näch&#x017F;ten Epoche betrachtet werden muß: der <hi rendition="#g">Scheidung<lb/>
der Notenbanken von den Creditbanken</hi>. Die&#x017F;e i&#x017F;t daher bis<lb/>
jetzt der herr&#x017F;chende Charakter des öffentlichen Bankrechts un&#x017F;erer Zeit<lb/>
und hat das gegenwärtige Bankrecht definitiv ge&#x017F;taltet.</p><lb/>
                    <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Die leitenden Grund&#x017F;ätze die&#x017F;es öffentlichen Bankrechts, als<lb/>
Ergebniß die&#x017F;er hi&#x017F;tori&#x017F;chen Entwicklung, &#x017F;ind nun folgende:</p><lb/>
                    <list>
                      <item>1) Das Bankrecht i&#x017F;t kein reines Vereins- &#x017F;ondern ein Verwal-<lb/>
tungsrecht, in welchem die <hi rendition="#g">Ge&#x017F;etzgebung</hi> (durch Ge&#x017F;etz oder Bank-<lb/>
&#x017F;tatut) die Principien der Funktion der Bank be&#x017F;timmt, und der Bank-<lb/>
verein unter amtlicher Oberauf&#x017F;icht die Vollziehung hat.</item><lb/>
                      <item>2) Es darf nur <hi rendition="#g">Eine</hi> Notenbank geben.</item><lb/>
                      <item>3) Die Fundation und Emi&#x017F;&#x017F;ion der Noten werden vom Ge&#x017F;etze<lb/>
be&#x017F;timmt.</item><lb/>
                      <item>4) Die ge&#x017F;etzliche Aufgabe der Creditverwaltung der Bank i&#x017F;t der<lb/>
Zahlungscredit mit &#x017F;trengem Aus&#x017F;chluß des Unternehmungscredits. Da-<lb/>
her <hi rendition="#g">kein</hi> Erwerb von Immobilien, <hi rendition="#g">keine</hi> Betheiligung an Unterneh-<lb/>
mungen, <hi rendition="#g">kein</hi> Handel in Werthpapieren, kein Disconto auf lange<lb/>
Sicht. Con&#x017F;equent i&#x017F;t dafür, daß den Noten der Bank die <hi rendition="#g">volle<lb/>
Währung</hi>, Staatswährung &#x017F;owohl als Verkehrswährung gegeben werde.</item><lb/>
                      <item>5) Die Erfüllung die&#x017F;er Aufgabe &#x017F;etzt ein Sy&#x017F;tem von <hi rendition="#g">Filialen</hi><lb/>
voraus, und die&#x017F;e wieder machen es möglich und werden es hervor-<lb/>
bringen, daß das ganze Zahlungswe&#x017F;en des Staats in Ein- und Aus-<lb/>
gabe <hi rendition="#g">durch die Bank verwaltet werde</hi>.</item>
                    </list><lb/>
                    <p>Die&#x017F;e Grund&#x017F;ätze des Bankrechts &#x017F;owohl als der hi&#x017F;tori&#x017F;che Ent-<lb/>
wicklungsgang des Bankwe&#x017F;ens i&#x017F;t in jedem Staate Europas <hi rendition="#g">wieder<lb/>
ver&#x017F;chieden</hi>. Die Banken haben eben &#x017F;o wohl ihre &#x017F;taatliche Indi-<lb/>
vidualität wie die übrigen Theile der Verwaltung. Bei die&#x017F;er natio-<lb/>
nalen Dar&#x017F;tellung des Bankwe&#x017F;ens beginnt daher das <hi rendition="#g">be&#x017F;ondere</hi><lb/>
Gebiet der Banklehre, das &#x017F;elb&#x017F;tändige und weitläufige Bearbeitung<lb/>
bedarf.</p><lb/>
                    <p>Die bisherige Literatur über das Bankwe&#x017F;en i&#x017F;t aus zwei Gründen nur<lb/>
als Material für die Beurtheilung zu gebrauchen. Er&#x017F;tlich mangelt ihr die<lb/>
Beachtung des öffentlichen Rechts der Banken, zweitens aber und vor allem<lb/><hi rendition="#g">jede Vergleichung</hi> der ver&#x017F;chiedenen Bank&#x017F;y&#x017F;teme. <hi rendition="#g">Wagner</hi> i&#x017F;t zu ein&#x017F;eitig<lb/>
im engli&#x017F;chen Bankwe&#x017F;en, <hi rendition="#g">Hübner</hi> zu ein&#x017F;eitig compilirend. Die Engländer<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en wenig von Frankreich und gar nichts von Deut&#x017F;chland; die Franzo&#x017F;en<lb/>
kennen nur Frankreich; die Deut&#x017F;chen kennen beide, aber &#x017F;ind eben nur Natio-<lb/>
nalökonomen, die von Bu&#x017F;ch und Adam Smith bis zu Wagner fa&#x017F;t nur über<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0321] daß die Bank an die Stelle der finanziellen Caſſenverwaltung trete. Dieſe Grundſätze beginnen bereits ſich Bahn zu brechen. Unterdeſſen ſchließt die bisherige Epoche mit dem großen Reſultate, das als Vor- ausſetzung der nächſten Epoche betrachtet werden muß: der Scheidung der Notenbanken von den Creditbanken. Dieſe iſt daher bis jetzt der herrſchende Charakter des öffentlichen Bankrechts unſerer Zeit und hat das gegenwärtige Bankrecht definitiv geſtaltet. III. Die leitenden Grundſätze dieſes öffentlichen Bankrechts, als Ergebniß dieſer hiſtoriſchen Entwicklung, ſind nun folgende: 1) Das Bankrecht iſt kein reines Vereins- ſondern ein Verwal- tungsrecht, in welchem die Geſetzgebung (durch Geſetz oder Bank- ſtatut) die Principien der Funktion der Bank beſtimmt, und der Bank- verein unter amtlicher Oberaufſicht die Vollziehung hat. 2) Es darf nur Eine Notenbank geben. 3) Die Fundation und Emiſſion der Noten werden vom Geſetze beſtimmt. 4) Die geſetzliche Aufgabe der Creditverwaltung der Bank iſt der Zahlungscredit mit ſtrengem Ausſchluß des Unternehmungscredits. Da- her kein Erwerb von Immobilien, keine Betheiligung an Unterneh- mungen, kein Handel in Werthpapieren, kein Disconto auf lange Sicht. Conſequent iſt dafür, daß den Noten der Bank die volle Währung, Staatswährung ſowohl als Verkehrswährung gegeben werde. 5) Die Erfüllung dieſer Aufgabe ſetzt ein Syſtem von Filialen voraus, und dieſe wieder machen es möglich und werden es hervor- bringen, daß das ganze Zahlungsweſen des Staats in Ein- und Aus- gabe durch die Bank verwaltet werde. Dieſe Grundſätze des Bankrechts ſowohl als der hiſtoriſche Ent- wicklungsgang des Bankweſens iſt in jedem Staate Europas wieder verſchieden. Die Banken haben eben ſo wohl ihre ſtaatliche Indi- vidualität wie die übrigen Theile der Verwaltung. Bei dieſer natio- nalen Darſtellung des Bankweſens beginnt daher das beſondere Gebiet der Banklehre, das ſelbſtändige und weitläufige Bearbeitung bedarf. Die bisherige Literatur über das Bankweſen iſt aus zwei Gründen nur als Material für die Beurtheilung zu gebrauchen. Erſtlich mangelt ihr die Beachtung des öffentlichen Rechts der Banken, zweitens aber und vor allem jede Vergleichung der verſchiedenen Bankſyſteme. Wagner iſt zu einſeitig im engliſchen Bankweſen, Hübner zu einſeitig compilirend. Die Engländer wiſſen wenig von Frankreich und gar nichts von Deutſchland; die Franzoſen kennen nur Frankreich; die Deutſchen kennen beide, aber ſind eben nur Natio- nalökonomen, die von Buſch und Adam Smith bis zu Wagner faſt nur über

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/321
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/321>, abgerufen am 22.11.2024.