vor hundert Jahren; und wir glauben es nicht besser als mit den Worten des Dictionnaire de l'administration, v. Administration, wieder geben zu können: "les Codes reglent des interets prives, qui varient d'un individu a l'autre -- le droit administratif est egalement regle par des principes generaux; mais leur application peut varier avec les circonstances sociales. La pensee du legislateur se trouve ainsi commentee, d'un cote par la jurisprudence, et de l'autre par la tradition des bureaux." Die Entscheidung selbst aber heißt hier wie bei dem Gericht eine Jurisdiktion; und schon Macarel sagt (Elements de jurispr. adm. I. 5.): "La jurisdiction contentieuse comprend tout ce qui fait legalement obstacle a l'administration lorsqu'en marchant elle froisse sur la route les interets des particuliers." Daher denn hat in Frankreich sowohl die Verantwortlichkeit als das eigentliche Verordnungsrecht eine ganz andere Gestalt, als in England und Deutschland; und darum ist und war es so falsch und so ergebnißlos, das deutsche Recht durch das französische erklären und fördern zu wollen. Das letztere ist eine Welt für sich und will für sich verstanden werden. Die folgende Darstellung wird dieß im Einzelnen beim Klagrecht zeigen.
In Deutschland tritt nun mit dem vorigen Jahrhundert an die Stelle der principiellen Klarheit Englands und der formellen Klarheit Frankreichs sofort eine gründliche, bis zum heutigen Tage nicht gehobene, und nur durch die historische Entwicklung erklärliche Verwirrung der Ausdrücke und Begriffe. Wir glauben, daß wir am besten den Charakter der deutschen Auffassung bezeichnen, indem wir sie mit dem Namen nennen, um den sich noch heute die Frage dreht, und der denn doch endlich einmal einem richtigeren Verständniß Platz machen sollte. Das ist der Unterschied zwischen den sogenannten Justiz- und Administrativsachen. Die Grundlage dieses Unterschiedes ist die historische Entwicklung der Staatsgewalt gegenüber dem Princip des feudalen Rechts. Allerdings war der Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung im vorigen Jahrhundert verschwunden; allein die öffentlichen Rechte der Grundherren und Körperschaften erschienen als Privatrechte, und indem man im Allgemeinen der Obrigkeit, als vollziehender Gewalt, das Recht zur Gesetzgebung auf dem Wege der Verordnung unbedingt einräumte, mußte man jede Verordnung über öffentliche Verhältnisse, welche dem Grundherrn unter dem Titel seiner Grund- herrlichkeit angehörten, als einen Eingriff in das bürgerliche Recht, als eine Beein- trächtigung eines jus quaesitum ansehen, die mithin vom bürgerlichen Ge- richte zu entscheiden, d. i. eine Justizsache sei. Die Gränze der Verordnungs- gewalt lag daher gleich anfangs in Deutschland weder in dem Begriff des Gesetzes, noch in dem der Verantwortlichkeit, sondern in dem historisch ent- standenen Privatrechte auf einen Antheil an der vollziehenden Gewalt, den die Staatsgewalt nicht nehmen konnte, ohne das Princip des Eigenthums anzugreifen. Dieser Antheil war nun einerseits höchst verschieden nach den verschiedenen Ländern, oder die Sachen, welche die bürgerlichen Gerichte gegenüber der Verordnungsgewalt zu erledigen hatten, erschienen in jedem Lande anders; nichts war daher gemeinsam in Deutschland, als der Grundsatz, daß jede Handlung der vollziehenden Gewalt und jede Verordnung,
vor hundert Jahren; und wir glauben es nicht beſſer als mit den Worten des Dictionnaire de l’administration, v. Administration, wieder geben zu können: „les Codes règlent des intérêts privés, qui varient d’un individu à l’autre — le droit administratif est également réglé par des principes généraux; mais leur application peut varier avec les circonstances sociales. La pensée du législateur se trouve ainsi commentée, d’un côté par la jurisprudence, et de l’autre par la tradition des bureaux.“ Die Entſcheidung ſelbſt aber heißt hier wie bei dem Gericht eine Jurisdiktion; und ſchon Macarel ſagt (Eléments de jurispr. adm. I. 5.): „La jurisdiction contentieuse comprend tout ce qui fait légalement obstacle à l’administration lorsqu’en marchant elle froisse sur la route les intérêts des particuliers.“ Daher denn hat in Frankreich ſowohl die Verantwortlichkeit als das eigentliche Verordnungsrecht eine ganz andere Geſtalt, als in England und Deutſchland; und darum iſt und war es ſo falſch und ſo ergebnißlos, das deutſche Recht durch das franzöſiſche erklären und fördern zu wollen. Das letztere iſt eine Welt für ſich und will für ſich verſtanden werden. Die folgende Darſtellung wird dieß im Einzelnen beim Klagrecht zeigen.
In Deutſchland tritt nun mit dem vorigen Jahrhundert an die Stelle der principiellen Klarheit Englands und der formellen Klarheit Frankreichs ſofort eine gründliche, bis zum heutigen Tage nicht gehobene, und nur durch die hiſtoriſche Entwicklung erklärliche Verwirrung der Ausdrücke und Begriffe. Wir glauben, daß wir am beſten den Charakter der deutſchen Auffaſſung bezeichnen, indem wir ſie mit dem Namen nennen, um den ſich noch heute die Frage dreht, und der denn doch endlich einmal einem richtigeren Verſtändniß Platz machen ſollte. Das iſt der Unterſchied zwiſchen den ſogenannten Juſtiz- und Adminiſtrativſachen. Die Grundlage dieſes Unterſchiedes iſt die hiſtoriſche Entwicklung der Staatsgewalt gegenüber dem Princip des feudalen Rechts. Allerdings war der Unterſchied zwiſchen Geſetz und Verordnung im vorigen Jahrhundert verſchwunden; allein die öffentlichen Rechte der Grundherren und Körperſchaften erſchienen als Privatrechte, und indem man im Allgemeinen der Obrigkeit, als vollziehender Gewalt, das Recht zur Geſetzgebung auf dem Wege der Verordnung unbedingt einräumte, mußte man jede Verordnung über öffentliche Verhältniſſe, welche dem Grundherrn unter dem Titel ſeiner Grund- herrlichkeit angehörten, als einen Eingriff in das bürgerliche Recht, als eine Beein- trächtigung eines jus quaesitum anſehen, die mithin vom bürgerlichen Ge- richte zu entſcheiden, d. i. eine Juſtizſache ſei. Die Gränze der Verordnungs- gewalt lag daher gleich anfangs in Deutſchland weder in dem Begriff des Geſetzes, noch in dem der Verantwortlichkeit, ſondern in dem hiſtoriſch ent- ſtandenen Privatrechte auf einen Antheil an der vollziehenden Gewalt, den die Staatsgewalt nicht nehmen konnte, ohne das Princip des Eigenthums anzugreifen. Dieſer Antheil war nun einerſeits höchſt verſchieden nach den verſchiedenen Ländern, oder die Sachen, welche die bürgerlichen Gerichte gegenüber der Verordnungsgewalt zu erledigen hatten, erſchienen in jedem Lande anders; nichts war daher gemeinſam in Deutſchland, als der Grundſatz, daß jede Handlung der vollziehenden Gewalt und jede Verordnung,
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„les Codes règlent des intérêts privés, qui varient d’un individu à l’autre
— le droit administratif est également réglé par des principes généraux;
mais leur application peut varier avec les circonstances sociales. La pensée
du législateur se trouve ainsi commentée, d’un côté par la jurisprudence,
et de l’autre par la tradition des bureaux.“ Die Entſcheidung ſelbſt aber
heißt hier wie bei dem Gericht eine Jurisdiktion; und ſchon Macarel ſagt
(Eléments de jurispr. adm. I. 5.): „La jurisdiction contentieuse comprend
tout ce qui fait légalement obstacle à l’administration lorsqu’en marchant
elle froisse sur la route les intérêts des particuliers.“ Daher denn hat
in Frankreich ſowohl die Verantwortlichkeit als das eigentliche Verordnungsrecht
eine ganz andere Geſtalt, als in England und Deutſchland; und darum iſt und
war es ſo falſch und ſo ergebnißlos, das deutſche Recht durch das franzöſiſche
erklären und fördern zu wollen. Das letztere iſt eine Welt für ſich und will
für ſich verſtanden werden. Die folgende Darſtellung wird dieß im Einzelnen
beim Klagrecht zeigen.
In Deutſchland tritt nun mit dem vorigen Jahrhundert an die Stelle der
principiellen Klarheit Englands und der formellen Klarheit Frankreichs ſofort
eine gründliche, bis zum heutigen Tage nicht gehobene, und nur durch die
hiſtoriſche Entwicklung erklärliche Verwirrung der Ausdrücke und Begriffe. Wir
glauben, daß wir am beſten den Charakter der deutſchen Auffaſſung bezeichnen,
indem wir ſie mit dem Namen nennen, um den ſich noch heute die Frage
dreht, und der denn doch endlich einmal einem richtigeren Verſtändniß Platz
machen ſollte. Das iſt der Unterſchied zwiſchen den ſogenannten Juſtiz- und
Adminiſtrativſachen. Die Grundlage dieſes Unterſchiedes iſt die hiſtoriſche
Entwicklung der Staatsgewalt gegenüber dem Princip des feudalen Rechts.
Allerdings war der Unterſchied zwiſchen Geſetz und Verordnung im vorigen
Jahrhundert verſchwunden; allein die öffentlichen Rechte der Grundherren und
Körperſchaften erſchienen als Privatrechte, und indem man im Allgemeinen
der Obrigkeit, als vollziehender Gewalt, das Recht zur Geſetzgebung auf dem
Wege der Verordnung unbedingt einräumte, mußte man jede Verordnung über
öffentliche Verhältniſſe, welche dem Grundherrn unter dem Titel ſeiner Grund-
herrlichkeit angehörten, als einen Eingriff in das bürgerliche Recht, als eine Beein-
trächtigung eines jus quaesitum anſehen, die mithin vom bürgerlichen Ge-
richte zu entſcheiden, d. i. eine Juſtizſache ſei. Die Gränze der Verordnungs-
gewalt lag daher gleich anfangs in Deutſchland weder in dem Begriff des
Geſetzes, noch in dem der Verantwortlichkeit, ſondern in dem hiſtoriſch ent-
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Gewalt, den die Staatsgewalt nicht nehmen konnte, ohne das Princip des
Eigenthums anzugreifen. Dieſer Antheil war nun einerſeits höchſt verſchieden
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Gerichte gegenüber der Verordnungsgewalt zu erledigen hatten, erſchienen in
jedem Lande anders; nichts war daher gemeinſam in Deutſchland, als der
Grundſatz, daß jede Handlung der vollziehenden Gewalt und jede Verordnung,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/108>, abgerufen am 27.11.2024.
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