hiefür nur im Allgemeinen auf Gneists meisterhafte historische Ent- wicklung in seinem ersten Bande verweisen.
Wesentlich anders ist der Gang der Dinge in Frankreich. Vor der Revolution hatte das Königthum wie auf dem ganzen Continent Reichs- und Hofwürden, die aber namentlich seit Ludwig XIV. ganz verschmolzen erscheinen, und erbliche Landeswürden. Namentlich die erstern waren zu einem höchst ausgebreiteten System entwickelt, und die Bedürfnisse der Finanzen erzeugten eine Uebertragung dieser Würden auf die gewerbliche Welt in den sogenannten Offices du Roi, welche in nichts andrem bestanden als in dem Recht eines Gewerbes, sich den Namen eines Hofgewerbes beizulegen, die dann vom übrigen Conti- nent bald nachgeahmt wurden. Die Revolution, indem sie das König- thum stürzte, vernichtete natürlich das ganze System der Würden, und ließ alles was dahin gehörte, in das Aemtersystem aufgehen. Der wieder auftretende persönliche Staat mit Napoleon erkannte, daß er als solcher der Würden bedürfe. Der Kaiser schuf durch Gesetze, was die Geschichte durch den natürlichen Entwicklungsgang erzeugt hatte. Er errichtete das System der Reichswürden, das im Wesentlichen beibe- halten ist. Aber die völlige Vernichtung der ständischen Bildungen und der landständischen Selbständigkeit prägte diesem System der dignitaires de l'Empire ihren Charakter auf, der sie von dem englischen wie von dem deutschen unterscheidet. Sie waren nicht erblich, sondern ernannt, wenn auch auf Lebenszeit, und sie waren nur Reichs- oder Hofwürden; Landeswürden gab es nicht und konnte es nicht geben. Das unterschied sie von dem deutschen System. Dabei waren sie ohne alle amtliche Competenz, nur Ausdruck der Würde der Krone gegenüber dem thätigen Beamtenthum, und jeder Einfluß einer Volksvertretung von ihnen da- mit grundsätzlich ausgeschlossen; das unterschied sie vom englischen System. Das ganze Würdensystem trägt hier den Charakter des Ver- suchs über die Art und Weise, wie man die Reichswürden dazu be- nutzen kann, die Krone wieder aus der rein gesellschaftlichen Herrschaft, der Volkssouveränetät, herauszuheben und selbständig hinzustellen. Da- her haben auch die Besetzungen dieser Würdenstellen einen andern Cha- rakter. Ihnen liegt -- eben weil sie Erblichkeit ausschließen, der An- spruch eines Verdienstes zum Grunde, ohne daß sie doch selbst für eine Leistung bestimmt wären. Daher erscheinen sie auch nicht im öffentlichen Recht, sondern nur im Staatshandbuche.
Das Würdensystem Deutschlands hat sich nach dem Untergange des deutschen Reiches auf der Grundlage der eigentlichen öffentlichen Würde erhalten. Die deutschen Staaten, welche die Selbständigkeit der Länder mehr oder weniger, das Princip des adelichen Standesthums
hiefür nur im Allgemeinen auf Gneiſts meiſterhafte hiſtoriſche Ent- wicklung in ſeinem erſten Bande verweiſen.
Weſentlich anders iſt der Gang der Dinge in Frankreich. Vor der Revolution hatte das Königthum wie auf dem ganzen Continent Reichs- und Hofwürden, die aber namentlich ſeit Ludwig XIV. ganz verſchmolzen erſcheinen, und erbliche Landeswürden. Namentlich die erſtern waren zu einem höchſt ausgebreiteten Syſtem entwickelt, und die Bedürfniſſe der Finanzen erzeugten eine Uebertragung dieſer Würden auf die gewerbliche Welt in den ſogenannten Offices du Roi, welche in nichts andrem beſtanden als in dem Recht eines Gewerbes, ſich den Namen eines Hofgewerbes beizulegen, die dann vom übrigen Conti- nent bald nachgeahmt wurden. Die Revolution, indem ſie das König- thum ſtürzte, vernichtete natürlich das ganze Syſtem der Würden, und ließ alles was dahin gehörte, in das Aemterſyſtem aufgehen. Der wieder auftretende perſönliche Staat mit Napoleon erkannte, daß er als ſolcher der Würden bedürfe. Der Kaiſer ſchuf durch Geſetze, was die Geſchichte durch den natürlichen Entwicklungsgang erzeugt hatte. Er errichtete das Syſtem der Reichswürden, das im Weſentlichen beibe- halten iſt. Aber die völlige Vernichtung der ſtändiſchen Bildungen und der landſtändiſchen Selbſtändigkeit prägte dieſem Syſtem der dignitaires de l’Empire ihren Charakter auf, der ſie von dem engliſchen wie von dem deutſchen unterſcheidet. Sie waren nicht erblich, ſondern ernannt, wenn auch auf Lebenszeit, und ſie waren nur Reichs- oder Hofwürden; Landeswürden gab es nicht und konnte es nicht geben. Das unterſchied ſie von dem deutſchen Syſtem. Dabei waren ſie ohne alle amtliche Competenz, nur Ausdruck der Würde der Krone gegenüber dem thätigen Beamtenthum, und jeder Einfluß einer Volksvertretung von ihnen da- mit grundſätzlich ausgeſchloſſen; das unterſchied ſie vom engliſchen Syſtem. Das ganze Würdenſyſtem trägt hier den Charakter des Ver- ſuchs über die Art und Weiſe, wie man die Reichswürden dazu be- nutzen kann, die Krone wieder aus der rein geſellſchaftlichen Herrſchaft, der Volksſouveränetät, herauszuheben und ſelbſtändig hinzuſtellen. Da- her haben auch die Beſetzungen dieſer Würdenſtellen einen andern Cha- rakter. Ihnen liegt — eben weil ſie Erblichkeit ausſchließen, der An- ſpruch eines Verdienſtes zum Grunde, ohne daß ſie doch ſelbſt für eine Leiſtung beſtimmt wären. Daher erſcheinen ſie auch nicht im öffentlichen Recht, ſondern nur im Staatshandbuche.
Das Würdenſyſtem Deutſchlands hat ſich nach dem Untergange des deutſchen Reiches auf der Grundlage der eigentlichen öffentlichen Würde erhalten. Die deutſchen Staaten, welche die Selbſtändigkeit der Länder mehr oder weniger, das Princip des adelichen Standesthums
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hiefür nur im Allgemeinen auf Gneiſts meiſterhafte hiſtoriſche Ent-
wicklung in ſeinem erſten Bande verweiſen.
Weſentlich anders iſt der Gang der Dinge in Frankreich. Vor
der Revolution hatte das Königthum wie auf dem ganzen Continent
Reichs- und Hofwürden, die aber namentlich ſeit Ludwig XIV. ganz
verſchmolzen erſcheinen, und erbliche Landeswürden. Namentlich die
erſtern waren zu einem höchſt ausgebreiteten Syſtem entwickelt, und
die Bedürfniſſe der Finanzen erzeugten eine Uebertragung dieſer Würden
auf die gewerbliche Welt in den ſogenannten Offices du Roi, welche
in nichts andrem beſtanden als in dem Recht eines Gewerbes, ſich den
Namen eines Hofgewerbes beizulegen, die dann vom übrigen Conti-
nent bald nachgeahmt wurden. Die Revolution, indem ſie das König-
thum ſtürzte, vernichtete natürlich das ganze Syſtem der Würden, und
ließ alles was dahin gehörte, in das Aemterſyſtem aufgehen. Der
wieder auftretende perſönliche Staat mit Napoleon erkannte, daß er als
ſolcher der Würden bedürfe. Der Kaiſer ſchuf durch Geſetze, was die
Geſchichte durch den natürlichen Entwicklungsgang erzeugt hatte. Er
errichtete das Syſtem der Reichswürden, das im Weſentlichen beibe-
halten iſt. Aber die völlige Vernichtung der ſtändiſchen Bildungen und
der landſtändiſchen Selbſtändigkeit prägte dieſem Syſtem der dignitaires
de l’Empire ihren Charakter auf, der ſie von dem engliſchen wie von
dem deutſchen unterſcheidet. Sie waren nicht erblich, ſondern ernannt,
wenn auch auf Lebenszeit, und ſie waren nur Reichs- oder Hofwürden;
Landeswürden gab es nicht und konnte es nicht geben. Das unterſchied
ſie von dem deutſchen Syſtem. Dabei waren ſie ohne alle amtliche
Competenz, nur Ausdruck der Würde der Krone gegenüber dem thätigen
Beamtenthum, und jeder Einfluß einer Volksvertretung von ihnen da-
mit grundſätzlich ausgeſchloſſen; das unterſchied ſie vom engliſchen
Syſtem. Das ganze Würdenſyſtem trägt hier den Charakter des Ver-
ſuchs über die Art und Weiſe, wie man die Reichswürden dazu be-
nutzen kann, die Krone wieder aus der rein geſellſchaftlichen Herrſchaft,
der Volksſouveränetät, herauszuheben und ſelbſtändig hinzuſtellen. Da-
her haben auch die Beſetzungen dieſer Würdenſtellen einen andern Cha-
rakter. Ihnen liegt — eben weil ſie Erblichkeit ausſchließen, der An-
ſpruch eines Verdienſtes zum Grunde, ohne daß ſie doch ſelbſt für eine
Leiſtung beſtimmt wären. Daher erſcheinen ſie auch nicht im öffentlichen
Recht, ſondern nur im Staatshandbuche.
Das Würdenſyſtem Deutſchlands hat ſich nach dem Untergange
des deutſchen Reiches auf der Grundlage der eigentlichen öffentlichen
Würde erhalten. Die deutſchen Staaten, welche die Selbſtändigkeit der
Länder mehr oder weniger, das Princip des adelichen Standesthums
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/290>, abgerufen am 21.11.2024.
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