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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Landesherr alles für ein Hoheitsrecht erklärt, was auf eine oder die
andere Weise dem Fiscus eine Einnahme bringen kann. Dieser
letzte Grundsatz greift dann bekanntlich auch in der Selbstverwaltung
der Finanzen und des Gerichts durch, indem der Landesherr die indirekten
Besteuerungsformen einführt, und die Gerichtsbußen für sich in Anspruch
nimmt. Es ist klar, daß hier sehr wichtige Fragen unentschieden bleiben,
allein im Wesen ist dennoch die Sache schon bestimmt organisirt. Der
allgemeine Satz, daß die ständische Welt neben dem Königthum als
eine selbständige Ordnung dasteht, erscheint daher in den beiden großen
Bildungen des landesherrlichen Organismus und der Landschaft. Sie
ist eigentlich noch keine Selbstverwaltung, denn diese setzt eine Unter-
ordnung unter die Staatsregierung; sie ist vielmehr eine zweite selb-
ständige Verwaltung neben den Anfängen des letzteren in allen Ge-
bieten des Gesammtlebens.

Dieß nun sind die Grundlagen der ersten großen Epoche. Und
jetzt beginnt der Kampf beider Elemente, den wir schon früher beschrie-
ben haben. In spezieller Anwendung auf die obigen Grundverhältnisse
der Landschaft besteht er darin, daß zuerst das Verfassungsrecht der-
selben aufgehoben wird, und der landesherrliche Wille ohne landschaft-
liche Zustimmung Gesetz ist. Dann schiebt die landesherrliche Regie-
rung das landschaftliche Steuerbewilligungsrecht zur Seite; dann macht
es das Landgericht zu einer zweiten Instanz und stellt es so weit es
möglich ist unter sein -- das Reichsgericht -- als höchste Instanz, was
aber nur sehr unvollkommen gelingt, da die ständischen Unterschiede
und mit ihnen der Grund eines selbständigen Landesgerichts sich noch
immer erhalten. Endlich nimmt die landesherrliche Regierung, ohne-
hin Inhaberin der Polizei, unter dem Titel derselben alle Aufgaben der
innern Verwaltung an sich, und daher stammt dann die für alle Klar-
heit in der Verwaltungslehre so verderbliche Verwechslung von Polizei
und Verwaltung, von der wir später genug zu reden haben werden.
Mit allen diesen Thatsachen ist nun die alte Landschaft nur noch ein
leeres Schema ihrer früheren Aufgabe. Ihre Formen bleiben, aber
ihre Rechte gehören schon alle dem Staate. Noch gibt es Landtage,
Landmarschälle, Landesgerichte, Landesbeamten, Landeswürden; aber
sie enthalten nur noch eine Erinnerung an das alte Recht. Aber frei-
lich ist es gerade diese Erinnerung, welche, namentlich in Deutschland,
von sehr hoher Bedeutung geworden ist. Denn in ihr lebt das Recht
auf Theilnahme der Völker an der Gesetzgebung und Verwaltung fort,
in der Form des historischen Rechts; und in diesem Sinne werden wir
ihm wieder begegnen.

In diesen Zustand tritt nun mit dem 18. Jahrhundert der Sieg

Landesherr alles für ein Hoheitsrecht erklärt, was auf eine oder die
andere Weiſe dem Fiscus eine Einnahme bringen kann. Dieſer
letzte Grundſatz greift dann bekanntlich auch in der Selbſtverwaltung
der Finanzen und des Gerichts durch, indem der Landesherr die indirekten
Beſteuerungsformen einführt, und die Gerichtsbußen für ſich in Anſpruch
nimmt. Es iſt klar, daß hier ſehr wichtige Fragen unentſchieden bleiben,
allein im Weſen iſt dennoch die Sache ſchon beſtimmt organiſirt. Der
allgemeine Satz, daß die ſtändiſche Welt neben dem Königthum als
eine ſelbſtändige Ordnung daſteht, erſcheint daher in den beiden großen
Bildungen des landesherrlichen Organismus und der Landſchaft. Sie
iſt eigentlich noch keine Selbſtverwaltung, denn dieſe ſetzt eine Unter-
ordnung unter die Staatsregierung; ſie iſt vielmehr eine zweite ſelb-
ſtändige Verwaltung neben den Anfängen des letzteren in allen Ge-
bieten des Geſammtlebens.

Dieß nun ſind die Grundlagen der erſten großen Epoche. Und
jetzt beginnt der Kampf beider Elemente, den wir ſchon früher beſchrie-
ben haben. In ſpezieller Anwendung auf die obigen Grundverhältniſſe
der Landſchaft beſteht er darin, daß zuerſt das Verfaſſungsrecht der-
ſelben aufgehoben wird, und der landesherrliche Wille ohne landſchaft-
liche Zuſtimmung Geſetz iſt. Dann ſchiebt die landesherrliche Regie-
rung das landſchaftliche Steuerbewilligungsrecht zur Seite; dann macht
es das Landgericht zu einer zweiten Inſtanz und ſtellt es ſo weit es
möglich iſt unter ſein — das Reichsgericht — als höchſte Inſtanz, was
aber nur ſehr unvollkommen gelingt, da die ſtändiſchen Unterſchiede
und mit ihnen der Grund eines ſelbſtändigen Landesgerichts ſich noch
immer erhalten. Endlich nimmt die landesherrliche Regierung, ohne-
hin Inhaberin der Polizei, unter dem Titel derſelben alle Aufgaben der
innern Verwaltung an ſich, und daher ſtammt dann die für alle Klar-
heit in der Verwaltungslehre ſo verderbliche Verwechslung von Polizei
und Verwaltung, von der wir ſpäter genug zu reden haben werden.
Mit allen dieſen Thatſachen iſt nun die alte Landſchaft nur noch ein
leeres Schema ihrer früheren Aufgabe. Ihre Formen bleiben, aber
ihre Rechte gehören ſchon alle dem Staate. Noch gibt es Landtage,
Landmarſchälle, Landesgerichte, Landesbeamten, Landeswürden; aber
ſie enthalten nur noch eine Erinnerung an das alte Recht. Aber frei-
lich iſt es gerade dieſe Erinnerung, welche, namentlich in Deutſchland,
von ſehr hoher Bedeutung geworden iſt. Denn in ihr lebt das Recht
auf Theilnahme der Völker an der Geſetzgebung und Verwaltung fort,
in der Form des hiſtoriſchen Rechts; und in dieſem Sinne werden wir
ihm wieder begegnen.

In dieſen Zuſtand tritt nun mit dem 18. Jahrhundert der Sieg

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[412/0436] Landesherr alles für ein Hoheitsrecht erklärt, was auf eine oder die andere Weiſe dem Fiscus eine Einnahme bringen kann. Dieſer letzte Grundſatz greift dann bekanntlich auch in der Selbſtverwaltung der Finanzen und des Gerichts durch, indem der Landesherr die indirekten Beſteuerungsformen einführt, und die Gerichtsbußen für ſich in Anſpruch nimmt. Es iſt klar, daß hier ſehr wichtige Fragen unentſchieden bleiben, allein im Weſen iſt dennoch die Sache ſchon beſtimmt organiſirt. Der allgemeine Satz, daß die ſtändiſche Welt neben dem Königthum als eine ſelbſtändige Ordnung daſteht, erſcheint daher in den beiden großen Bildungen des landesherrlichen Organismus und der Landſchaft. Sie iſt eigentlich noch keine Selbſtverwaltung, denn dieſe ſetzt eine Unter- ordnung unter die Staatsregierung; ſie iſt vielmehr eine zweite ſelb- ſtändige Verwaltung neben den Anfängen des letzteren in allen Ge- bieten des Geſammtlebens. Dieß nun ſind die Grundlagen der erſten großen Epoche. Und jetzt beginnt der Kampf beider Elemente, den wir ſchon früher beſchrie- ben haben. In ſpezieller Anwendung auf die obigen Grundverhältniſſe der Landſchaft beſteht er darin, daß zuerſt das Verfaſſungsrecht der- ſelben aufgehoben wird, und der landesherrliche Wille ohne landſchaft- liche Zuſtimmung Geſetz iſt. Dann ſchiebt die landesherrliche Regie- rung das landſchaftliche Steuerbewilligungsrecht zur Seite; dann macht es das Landgericht zu einer zweiten Inſtanz und ſtellt es ſo weit es möglich iſt unter ſein — das Reichsgericht — als höchſte Inſtanz, was aber nur ſehr unvollkommen gelingt, da die ſtändiſchen Unterſchiede und mit ihnen der Grund eines ſelbſtändigen Landesgerichts ſich noch immer erhalten. Endlich nimmt die landesherrliche Regierung, ohne- hin Inhaberin der Polizei, unter dem Titel derſelben alle Aufgaben der innern Verwaltung an ſich, und daher ſtammt dann die für alle Klar- heit in der Verwaltungslehre ſo verderbliche Verwechslung von Polizei und Verwaltung, von der wir ſpäter genug zu reden haben werden. Mit allen dieſen Thatſachen iſt nun die alte Landſchaft nur noch ein leeres Schema ihrer früheren Aufgabe. Ihre Formen bleiben, aber ihre Rechte gehören ſchon alle dem Staate. Noch gibt es Landtage, Landmarſchälle, Landesgerichte, Landesbeamten, Landeswürden; aber ſie enthalten nur noch eine Erinnerung an das alte Recht. Aber frei- lich iſt es gerade dieſe Erinnerung, welche, namentlich in Deutſchland, von ſehr hoher Bedeutung geworden iſt. Denn in ihr lebt das Recht auf Theilnahme der Völker an der Geſetzgebung und Verwaltung fort, in der Form des hiſtoriſchen Rechts; und in dieſem Sinne werden wir ihm wieder begegnen. In dieſen Zuſtand tritt nun mit dem 18. Jahrhundert der Sieg

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/436>, abgerufen am 22.11.2024.