die Beschlüsse der Gemeinden und die Controle ihrer Thätigkeit. Als richterliche Gewalt endlich ist er die erste Instanz in der Jurisdiction administrative und contentieuse. Bis 1852 war er in allen diesen Beziehungen vornehmlich das Organ der Minister; das Dekret vom 27. März 1852 hat ihn von den Ministern etwas unabhängiger, dafür aber ihn persönlich mächtiger und verantwortlicher gegenüber dem Staats- oberhaupt gemacht; die Decentralisation ist in der That nichts als eine schärfere Unterwerfung des Prefet unter den persönlichen Willen des Monarchen, die weitere Ausführung des Grundsatzes, der schon in der Aufhebung der persönlichen Verantwortlichkeit der Minister und der Uebertragung derselben an den Kaiser ausgedrückt ist. Neben dem Prefet stehen nur zwei Rathskörper mit wesentlich verschiedenen Aufgaben.
Das Conseil de prefecture war ursprünglich als Verwaltungs- gericht aufgefaßt, und bildete damit den Ausdruck der selbständigen Departemental- oder Landschaftsverwaltung. (S. oben.) Es hat diesen Charakter nie ganz verloren; man hat 1841, 1846 und endlich wieder 1848 daran ändern wollen, ohne etwas Wesentliches zu erzielen. Auch jetzt ist man im Grunde noch über das Gesetz vom 28. Pluviose an VIII nicht hinaus. Der Kern der Frage über das Conseil liegt in Frank- reich nicht in dem Streben, demselben eine neue Stellung zu geben, sondern vielmehr in der Competenzbestimmung, in der jurisdiction ad- ministrative, gegenüber dem Conseil d'Etat. Die Frage hat, obwohl sie für Frankreich von großer Wichtigkeit ist, keine allgemeinere Bedeu- tung. Das Verhältniß aber, in welchem der Conseil de prefecture zum Prefet steht, beruht auf folgenden Punkten.
Jeder Präfektur ist ein solches Conseil beigegeben; seit dem Dekret vom 28. März 1852 in vier Mitgliedern. Diese haben theils als Be- amtete, theils aber als Räthe zu fungiren; dennoch sind sie, obwohl sie vom Staatsoberhaupt schon gleich anfangs ernannt worden sind (Gesetz vom 28. Pluviose an VIII, Art. 18), doch keine wahren Beamteten, denn sie dürfen alle Nebengeschäfte betreiben, die ihnen nicht ausdrücklich untersagt sind. Als Beamtete sind sie wesentlich die erste Instanz der justice administrative und zwar in sieben ziemlich bestimmten Fällen. Diese Funktion ist dadurch von denen der eigentlichen Behörden verschieden, daß sie nicht dem Präfekten referiren, sondern hier selbst entscheiden. Dagegen stehen sie als eigentliche Räthe neben dem Prefet gleichfalls in einer Reihe von Fällen, wo das Conseil seinen Avis gibt, ohne daß der Prefet daran gebunden wäre. Man findet schon hier die Unter- scheidung zwischen deliberer und donner avis; denn in manchen Fällen ist der Prefetverpflichtet, das Gutachten des Conseil einzuholen, in manchen steht es ihm bloß frei. Im ersten Fall heißt es: der "Prefet
die Beſchlüſſe der Gemeinden und die Controle ihrer Thätigkeit. Als richterliche Gewalt endlich iſt er die erſte Inſtanz in der Jurisdiction administrative und contentieuse. Bis 1852 war er in allen dieſen Beziehungen vornehmlich das Organ der Miniſter; das Dekret vom 27. März 1852 hat ihn von den Miniſtern etwas unabhängiger, dafür aber ihn perſönlich mächtiger und verantwortlicher gegenüber dem Staats- oberhaupt gemacht; die Decentraliſation iſt in der That nichts als eine ſchärfere Unterwerfung des Préfet unter den perſönlichen Willen des Monarchen, die weitere Ausführung des Grundſatzes, der ſchon in der Aufhebung der perſönlichen Verantwortlichkeit der Miniſter und der Uebertragung derſelben an den Kaiſer ausgedrückt iſt. Neben dem Préfet ſtehen nur zwei Rathskörper mit weſentlich verſchiedenen Aufgaben.
Das Conseil de préfecture war urſprünglich als Verwaltungs- gericht aufgefaßt, und bildete damit den Ausdruck der ſelbſtändigen Departemental- oder Landſchaftsverwaltung. (S. oben.) Es hat dieſen Charakter nie ganz verloren; man hat 1841, 1846 und endlich wieder 1848 daran ändern wollen, ohne etwas Weſentliches zu erzielen. Auch jetzt iſt man im Grunde noch über das Geſetz vom 28. Pluvioſe an VIII nicht hinaus. Der Kern der Frage über das Conseil liegt in Frank- reich nicht in dem Streben, demſelben eine neue Stellung zu geben, ſondern vielmehr in der Competenzbeſtimmung, in der jurisdiction ad- ministrative, gegenüber dem Conseil d’État. Die Frage hat, obwohl ſie für Frankreich von großer Wichtigkeit iſt, keine allgemeinere Bedeu- tung. Das Verhältniß aber, in welchem der Conseil de préfecture zum Préfet ſteht, beruht auf folgenden Punkten.
Jeder Präfektur iſt ein ſolches Conseil beigegeben; ſeit dem Dekret vom 28. März 1852 in vier Mitgliedern. Dieſe haben theils als Be- amtete, theils aber als Räthe zu fungiren; dennoch ſind ſie, obwohl ſie vom Staatsoberhaupt ſchon gleich anfangs ernannt worden ſind (Geſetz vom 28. Pluvioſe an VIII, Art. 18), doch keine wahren Beamteten, denn ſie dürfen alle Nebengeſchäfte betreiben, die ihnen nicht ausdrücklich unterſagt ſind. Als Beamtete ſind ſie weſentlich die erſte Inſtanz der justice administrative und zwar in ſieben ziemlich beſtimmten Fällen. Dieſe Funktion iſt dadurch von denen der eigentlichen Behörden verſchieden, daß ſie nicht dem Präfekten referiren, ſondern hier ſelbſt entſcheiden. Dagegen ſtehen ſie als eigentliche Räthe neben dem Préfet gleichfalls in einer Reihe von Fällen, wo das Conseil ſeinen Avis gibt, ohne daß der Préfet daran gebunden wäre. Man findet ſchon hier die Unter- ſcheidung zwiſchen délibérer und donner avis; denn in manchen Fällen iſt der Préfetverpflichtet, das Gutachten des Conseil einzuholen, in manchen ſteht es ihm bloß frei. Im erſten Fall heißt es: der „Préfet
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die Beſchlüſſe der Gemeinden und die Controle ihrer Thätigkeit. Als
richterliche Gewalt endlich iſt er die erſte Inſtanz in der Jurisdiction
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Beziehungen vornehmlich das Organ der Miniſter; das Dekret vom
27. März 1852 hat ihn von den Miniſtern etwas unabhängiger, dafür
aber ihn perſönlich mächtiger und verantwortlicher gegenüber dem Staats-
oberhaupt gemacht; die Decentraliſation iſt in der That nichts als eine
ſchärfere Unterwerfung des Préfet unter den perſönlichen Willen des
Monarchen, die weitere Ausführung des Grundſatzes, der ſchon in der
Aufhebung der perſönlichen Verantwortlichkeit der Miniſter und der
Uebertragung derſelben an den Kaiſer ausgedrückt iſt. Neben dem Préfet
ſtehen nur zwei Rathskörper mit weſentlich verſchiedenen Aufgaben.
Das Conseil de préfecture war urſprünglich als Verwaltungs-
gericht aufgefaßt, und bildete damit den Ausdruck der ſelbſtändigen
Departemental- oder Landſchaftsverwaltung. (S. oben.) Es hat dieſen
Charakter nie ganz verloren; man hat 1841, 1846 und endlich wieder
1848 daran ändern wollen, ohne etwas Weſentliches zu erzielen. Auch
jetzt iſt man im Grunde noch über das Geſetz vom 28. Pluvioſe an VIII
nicht hinaus. Der Kern der Frage über das Conseil liegt in Frank-
reich nicht in dem Streben, demſelben eine neue Stellung zu geben,
ſondern vielmehr in der Competenzbeſtimmung, in der jurisdiction ad-
ministrative, gegenüber dem Conseil d’État. Die Frage hat, obwohl
ſie für Frankreich von großer Wichtigkeit iſt, keine allgemeinere Bedeu-
tung. Das Verhältniß aber, in welchem der Conseil de préfecture
zum Préfet ſteht, beruht auf folgenden Punkten.
Jeder Präfektur iſt ein ſolches Conseil beigegeben; ſeit dem Dekret
vom 28. März 1852 in vier Mitgliedern. Dieſe haben theils als Be-
amtete, theils aber als Räthe zu fungiren; dennoch ſind ſie, obwohl
ſie vom Staatsoberhaupt ſchon gleich anfangs ernannt worden ſind
(Geſetz vom 28. Pluvioſe an VIII, Art. 18), doch keine wahren Beamteten,
denn ſie dürfen alle Nebengeſchäfte betreiben, die ihnen nicht ausdrücklich
unterſagt ſind. Als Beamtete ſind ſie weſentlich die erſte Inſtanz der justice
administrative und zwar in ſieben ziemlich beſtimmten Fällen. Dieſe
Funktion iſt dadurch von denen der eigentlichen Behörden verſchieden,
daß ſie nicht dem Präfekten referiren, ſondern hier ſelbſt entſcheiden.
Dagegen ſtehen ſie als eigentliche Räthe neben dem Préfet gleichfalls
in einer Reihe von Fällen, wo das Conseil ſeinen Avis gibt, ohne daß
der Préfet daran gebunden wäre. Man findet ſchon hier die Unter-
ſcheidung zwiſchen délibérer und donner avis; denn in manchen Fällen
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/447>, abgerufen am 22.11.2024.
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