der Selbstverwaltung der Verwaltungsgemeinde in England, auf dem organischen Wesen und Recht der Selbstverwaltung beruhen, denn aus diesem kann eben nur eine Verwaltungsgemeinde hervorgehen, sondern es muß ein specifisch anderer Rechtstitel vorhanden sein. Dieser wieder kann nur in dem historischen Rechte der städtischen Selbstverwaltungs- körper bestehen. Und dieß ist in der That der Fall. Die städtische Gemeinde in England ist nur ein historischer Körper der Selbstver- waltung; ihre geschichtliche Selbständigkeit beruht ganz einfach auf der Thatsache der Entstehung des städtischen Lebens, welches sogar in dem Rechte der boroughs auf die Wahl ins Unterhaus die Elemente eines dritten Standes zeigt. Allein dieser dritte Stand kommt nicht zur Entwicklung, weil das Princip des freien Staatsbürgerthums auf dem Lande eben so gut gilt, als in der Stadt. Dieß Princip, für ganz England geltend, hat zwar eine Reihe sehr ernsthafter Kämpfe zu be- stehen, aber es siegt endlich ganz allgemein. Aus ihm geht dann die Selbstverwaltung in den Verwaltungsgemeinden hervor, welche wir eben als das Wesen des englischen Selfgovernment bezeichnet haben. Ihm sind daher die Städte sowohl als das flache Land unterworfen. Demnach sind die ersteren historisch selbständige Körper der Selbstver- waltung. So entsteht dann die Frage, in welchem Verhältniß diese historische Selbstverwaltung der städtischen Körper zu dem organischen Princip und Recht der Verwaltungsgemeinden in England steht. Und die Bestimmung dieses Rechts bildet eben das, was wir die Verfassung der englischen Stadtgemeinde nennen.
Diese Verfassung nun, deren Inhalt und Geschichte bei Gneist so vortrefflich dargestellt sind, beruht auf folgenden Punkten.
Erstlich haben die Städte als Grundlage ihrer historischen Selb- ständigkeit ein eigenes Vermögen, und es versteht sich von selbst, daß sie für dieß ihr Vermögen und die Verwaltung desselben nothwendig einen eigenen Körper haben müssen. Auf Grundlage desselben bilden sie juristische Persönlichkeiten, oder wie diese in England genannt wer- den, Corporations, und die Anerkennung dieser ihrer Selbständigkeit und Selbstverwaltung ist der act of incorporation, das Stadtrecht in England, welches dann natürlich auch die Grundlagen der freien Verwaltung mit Wahl und Vertretung mit den Elementen von Burge- meister, Magistrat und Gemeinderath enthalten. Diese heißen Mayor, Aldermen und Common Council. Das Recht zur Theilnahme an Wahl und Wählbarkeit ist dabei natürlich in der Stadt principiell kein anderes als in Verwaltungsgemeinde und Kreis; nur der ansäßige Bürger, paying scot und bearing lot, besitzt beide. Es ist in diesem Punkte gar kein wesentlicher Unterschied zwischen der Stadtgemeinde
der Selbſtverwaltung der Verwaltungsgemeinde in England, auf dem organiſchen Weſen und Recht der Selbſtverwaltung beruhen, denn aus dieſem kann eben nur eine Verwaltungsgemeinde hervorgehen, ſondern es muß ein ſpecifiſch anderer Rechtstitel vorhanden ſein. Dieſer wieder kann nur in dem hiſtoriſchen Rechte der ſtädtiſchen Selbſtverwaltungs- körper beſtehen. Und dieß iſt in der That der Fall. Die ſtädtiſche Gemeinde in England iſt nur ein hiſtoriſcher Körper der Selbſtver- waltung; ihre geſchichtliche Selbſtändigkeit beruht ganz einfach auf der Thatſache der Entſtehung des ſtädtiſchen Lebens, welches ſogar in dem Rechte der boroughs auf die Wahl ins Unterhaus die Elemente eines dritten Standes zeigt. Allein dieſer dritte Stand kommt nicht zur Entwicklung, weil das Princip des freien Staatsbürgerthums auf dem Lande eben ſo gut gilt, als in der Stadt. Dieß Princip, für ganz England geltend, hat zwar eine Reihe ſehr ernſthafter Kämpfe zu be- ſtehen, aber es ſiegt endlich ganz allgemein. Aus ihm geht dann die Selbſtverwaltung in den Verwaltungsgemeinden hervor, welche wir eben als das Weſen des engliſchen Selfgovernment bezeichnet haben. Ihm ſind daher die Städte ſowohl als das flache Land unterworfen. Demnach ſind die erſteren hiſtoriſch ſelbſtändige Körper der Selbſtver- waltung. So entſteht dann die Frage, in welchem Verhältniß dieſe hiſtoriſche Selbſtverwaltung der ſtädtiſchen Körper zu dem organiſchen Princip und Recht der Verwaltungsgemeinden in England ſteht. Und die Beſtimmung dieſes Rechts bildet eben das, was wir die Verfaſſung der engliſchen Stadtgemeinde nennen.
Dieſe Verfaſſung nun, deren Inhalt und Geſchichte bei Gneiſt ſo vortrefflich dargeſtellt ſind, beruht auf folgenden Punkten.
Erſtlich haben die Städte als Grundlage ihrer hiſtoriſchen Selb- ſtändigkeit ein eigenes Vermögen, und es verſteht ſich von ſelbſt, daß ſie für dieß ihr Vermögen und die Verwaltung deſſelben nothwendig einen eigenen Körper haben müſſen. Auf Grundlage deſſelben bilden ſie juriſtiſche Perſönlichkeiten, oder wie dieſe in England genannt wer- den, Corporations, und die Anerkennung dieſer ihrer Selbſtändigkeit und Selbſtverwaltung iſt der act of incorporation, das Stadtrecht in England, welches dann natürlich auch die Grundlagen der freien Verwaltung mit Wahl und Vertretung mit den Elementen von Burge- meiſter, Magiſtrat und Gemeinderath enthalten. Dieſe heißen Mayor, Aldermen und Common Council. Das Recht zur Theilnahme an Wahl und Wählbarkeit iſt dabei natürlich in der Stadt principiell kein anderes als in Verwaltungsgemeinde und Kreis; nur der anſäßige Bürger, paying scot und bearing lot, beſitzt beide. Es iſt in dieſem Punkte gar kein weſentlicher Unterſchied zwiſchen der Stadtgemeinde
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der Selbſtverwaltung der Verwaltungsgemeinde in England, auf dem
organiſchen Weſen und Recht der Selbſtverwaltung beruhen, denn aus
dieſem kann eben nur eine Verwaltungsgemeinde hervorgehen, ſondern
es muß ein ſpecifiſch anderer Rechtstitel vorhanden ſein. Dieſer wieder
kann nur in dem hiſtoriſchen Rechte der ſtädtiſchen Selbſtverwaltungs-
körper beſtehen. Und dieß iſt in der That der Fall. Die ſtädtiſche
Gemeinde in England iſt nur ein hiſtoriſcher Körper der Selbſtver-
waltung; ihre geſchichtliche Selbſtändigkeit beruht ganz einfach auf der
Thatſache der Entſtehung des ſtädtiſchen Lebens, welches ſogar in dem
Rechte der boroughs auf die Wahl ins Unterhaus die Elemente eines
dritten Standes zeigt. Allein dieſer dritte Stand kommt nicht zur
Entwicklung, weil das Princip des freien Staatsbürgerthums auf dem
Lande eben ſo gut gilt, als in der Stadt. Dieß Princip, für ganz
England geltend, hat zwar eine Reihe ſehr ernſthafter Kämpfe zu be-
ſtehen, aber es ſiegt endlich ganz allgemein. Aus ihm geht dann die
Selbſtverwaltung in den Verwaltungsgemeinden hervor, welche wir
eben als das Weſen des engliſchen Selfgovernment bezeichnet haben.
Ihm ſind daher die Städte ſowohl als das flache Land unterworfen.
Demnach ſind die erſteren hiſtoriſch ſelbſtändige Körper der Selbſtver-
waltung. So entſteht dann die Frage, in welchem Verhältniß dieſe
hiſtoriſche Selbſtverwaltung der ſtädtiſchen Körper zu dem organiſchen
Princip und Recht der Verwaltungsgemeinden in England ſteht. Und
die Beſtimmung dieſes Rechts bildet eben das, was wir die Verfaſſung
der engliſchen Stadtgemeinde nennen.
Dieſe Verfaſſung nun, deren Inhalt und Geſchichte bei Gneiſt ſo
vortrefflich dargeſtellt ſind, beruht auf folgenden Punkten.
Erſtlich haben die Städte als Grundlage ihrer hiſtoriſchen Selb-
ſtändigkeit ein eigenes Vermögen, und es verſteht ſich von ſelbſt,
daß ſie für dieß ihr Vermögen und die Verwaltung deſſelben nothwendig
einen eigenen Körper haben müſſen. Auf Grundlage deſſelben bilden
ſie juriſtiſche Perſönlichkeiten, oder wie dieſe in England genannt wer-
den, Corporations, und die Anerkennung dieſer ihrer Selbſtändigkeit
und Selbſtverwaltung iſt der act of incorporation, das Stadtrecht
in England, welches dann natürlich auch die Grundlagen der freien
Verwaltung mit Wahl und Vertretung mit den Elementen von Burge-
meiſter, Magiſtrat und Gemeinderath enthalten. Dieſe heißen Mayor,
Aldermen und Common Council. Das Recht zur Theilnahme an
Wahl und Wählbarkeit iſt dabei natürlich in der Stadt principiell kein
anderes als in Verwaltungsgemeinde und Kreis; nur der anſäßige
Bürger, paying scot und bearing lot, beſitzt beide. Es iſt in dieſem
Punkte gar kein weſentlicher Unterſchied zwiſchen der Stadtgemeinde
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/497>, abgerufen am 22.11.2024.
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