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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Schifffahrt bedingt waren; aber das ist nicht Schuld dieser beiden
Städte, sondern es wäre auch hier Pflicht des deutschen Bundes
gewesen, das was England, Frankreich, Belgien, Nordamerika gethan,
für ganz Deutschland zu thun! Bei der Unthätigkeit des Bundestages
blieb nichts übrig, als daß die einzelnen Staaten durch strenge Aufsicht
auf die Auswanderungsagenten die Ausbeutung ihrer Angehörigen
zu hindern suchten. Es ist dabei nicht zu übersehen, daß Bremen und
Hamburg zwar sehr gut für die Auswanderungsschiffe sorgen, aber das
ganze Agenturwesen durchaus unbeachtet lassen, wie es die Natur
ihrer Aufgabe und die pecuniären Interessen ihrer Transportunter-
nehmer mit sich bringen. Indem wir das gerne anerkennen, liefert
eben dieß Vernachlässigen des Agenturwesens durch diese Exportplätze
einen neuen Beweis, daß hier nur durch eine deutsche Gesetzgebung
geholfen werden kann. Frankreich hat endlich durch das Dekret vom
15. Januar 1855 sich auch der Unternehmung für Auswanderung be-
mächtigt. Dieß Dekret zeichnet sich dadurch aus, daß nicht bloß die
Ordnung der Auswandererschiffe, die Bedingung der Concession für
Auswanderertransporte u. s. w. in ähnlicher Weise wie in England
und den Hansestädten geordnet ist, sondern daß auch Nachweisungs-
bureaus
für das Auswanderungs-, Verschiffungs- und Passagier-
recht der Auswanderer allenthalben organisirt sind. Eigenthümlich ist
die Bestimmung, daß auch fremde Auswanderer, die über französische
Häfen gehen, entweder einen Verschiffungsvertrag, oder eine gewisse
Summe Geldes nachweisen müssen. -- Das Beste, was wir über die
ganze Frage gelesen haben, ist ohne Zweifel ein sehr eingehender, theils
das Auswanderungs-Agenturwesen, theils die Auswanderungs-Trans-
portsunternehmungen betreffender Aufsatz von Geßler in der Zeitschrift
für Staatswissenschaft (Band 18, Seite 375), der uns die legislative
und administrative Frage ziemlich zu erschöpfen scheint. Leider hat er
auf die bereits bestehenden positiven Gesetze und Verordnungen viel zu
wenig Rücksicht genommen; es ist eine Arbeit de lege ferenda; als solche
aber sehr werthvoll.

b) Dasjenige endlich, was wir die Auswanderungspolitik
nennen, geht davon aus, daß die Auswanderung für die Bewohner
der früheren Heimath, des Vaterlandes der Auswanderer, theils in
volkswirthschaftlicher, theils in gesellschaftlicher Beziehung eine hochwich-
tige Thatsache ist; und damit entsteht die Frage, wie sich die Verwal-
tungen zu der Auswanderung verhalten, ob sie dieselben vom Gesichts-
punkt der einheimischen Interessen fördern, verhindern oder ordnen
sollen. Die dafür geltenden Grundsätze bilden das, was wir die Aus-
wanderungspolitik
nennen müssen.

Schifffahrt bedingt waren; aber das iſt nicht Schuld dieſer beiden
Städte, ſondern es wäre auch hier Pflicht des deutſchen Bundes
geweſen, das was England, Frankreich, Belgien, Nordamerika gethan,
für ganz Deutſchland zu thun! Bei der Unthätigkeit des Bundestages
blieb nichts übrig, als daß die einzelnen Staaten durch ſtrenge Aufſicht
auf die Auswanderungsagenten die Ausbeutung ihrer Angehörigen
zu hindern ſuchten. Es iſt dabei nicht zu überſehen, daß Bremen und
Hamburg zwar ſehr gut für die Auswanderungsſchiffe ſorgen, aber das
ganze Agenturweſen durchaus unbeachtet laſſen, wie es die Natur
ihrer Aufgabe und die pecuniären Intereſſen ihrer Transportunter-
nehmer mit ſich bringen. Indem wir das gerne anerkennen, liefert
eben dieß Vernachläſſigen des Agenturweſens durch dieſe Exportplätze
einen neuen Beweis, daß hier nur durch eine deutſche Geſetzgebung
geholfen werden kann. Frankreich hat endlich durch das Dekret vom
15. Januar 1855 ſich auch der Unternehmung für Auswanderung be-
mächtigt. Dieß Dekret zeichnet ſich dadurch aus, daß nicht bloß die
Ordnung der Auswandererſchiffe, die Bedingung der Conceſſion für
Auswanderertransporte u. ſ. w. in ähnlicher Weiſe wie in England
und den Hanſeſtädten geordnet iſt, ſondern daß auch Nachweiſungs-
bureaus
für das Auswanderungs-, Verſchiffungs- und Paſſagier-
recht der Auswanderer allenthalben organiſirt ſind. Eigenthümlich iſt
die Beſtimmung, daß auch fremde Auswanderer, die über franzöſiſche
Häfen gehen, entweder einen Verſchiffungsvertrag, oder eine gewiſſe
Summe Geldes nachweiſen müſſen. — Das Beſte, was wir über die
ganze Frage geleſen haben, iſt ohne Zweifel ein ſehr eingehender, theils
das Auswanderungs-Agenturweſen, theils die Auswanderungs-Trans-
portsunternehmungen betreffender Aufſatz von Geßler in der Zeitſchrift
für Staatswiſſenſchaft (Band 18, Seite 375), der uns die legislative
und adminiſtrative Frage ziemlich zu erſchöpfen ſcheint. Leider hat er
auf die bereits beſtehenden poſitiven Geſetze und Verordnungen viel zu
wenig Rückſicht genommen; es iſt eine Arbeit de lege ferenda; als ſolche
aber ſehr werthvoll.

b) Dasjenige endlich, was wir die Auswanderungspolitik
nennen, geht davon aus, daß die Auswanderung für die Bewohner
der früheren Heimath, des Vaterlandes der Auswanderer, theils in
volkswirthſchaftlicher, theils in geſellſchaftlicher Beziehung eine hochwich-
tige Thatſache iſt; und damit entſteht die Frage, wie ſich die Verwal-
tungen zu der Auswanderung verhalten, ob ſie dieſelben vom Geſichts-
punkt der einheimiſchen Intereſſen fördern, verhindern oder ordnen
ſollen. Die dafür geltenden Grundſätze bilden das, was wir die Aus-
wanderungspolitik
nennen müſſen.

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[207/0229] Schifffahrt bedingt waren; aber das iſt nicht Schuld dieſer beiden Städte, ſondern es wäre auch hier Pflicht des deutſchen Bundes geweſen, das was England, Frankreich, Belgien, Nordamerika gethan, für ganz Deutſchland zu thun! Bei der Unthätigkeit des Bundestages blieb nichts übrig, als daß die einzelnen Staaten durch ſtrenge Aufſicht auf die Auswanderungsagenten die Ausbeutung ihrer Angehörigen zu hindern ſuchten. Es iſt dabei nicht zu überſehen, daß Bremen und Hamburg zwar ſehr gut für die Auswanderungsſchiffe ſorgen, aber das ganze Agenturweſen durchaus unbeachtet laſſen, wie es die Natur ihrer Aufgabe und die pecuniären Intereſſen ihrer Transportunter- nehmer mit ſich bringen. Indem wir das gerne anerkennen, liefert eben dieß Vernachläſſigen des Agenturweſens durch dieſe Exportplätze einen neuen Beweis, daß hier nur durch eine deutſche Geſetzgebung geholfen werden kann. Frankreich hat endlich durch das Dekret vom 15. Januar 1855 ſich auch der Unternehmung für Auswanderung be- mächtigt. Dieß Dekret zeichnet ſich dadurch aus, daß nicht bloß die Ordnung der Auswandererſchiffe, die Bedingung der Conceſſion für Auswanderertransporte u. ſ. w. in ähnlicher Weiſe wie in England und den Hanſeſtädten geordnet iſt, ſondern daß auch Nachweiſungs- bureaus für das Auswanderungs-, Verſchiffungs- und Paſſagier- recht der Auswanderer allenthalben organiſirt ſind. Eigenthümlich iſt die Beſtimmung, daß auch fremde Auswanderer, die über franzöſiſche Häfen gehen, entweder einen Verſchiffungsvertrag, oder eine gewiſſe Summe Geldes nachweiſen müſſen. — Das Beſte, was wir über die ganze Frage geleſen haben, iſt ohne Zweifel ein ſehr eingehender, theils das Auswanderungs-Agenturweſen, theils die Auswanderungs-Trans- portsunternehmungen betreffender Aufſatz von Geßler in der Zeitſchrift für Staatswiſſenſchaft (Band 18, Seite 375), der uns die legislative und adminiſtrative Frage ziemlich zu erſchöpfen ſcheint. Leider hat er auf die bereits beſtehenden poſitiven Geſetze und Verordnungen viel zu wenig Rückſicht genommen; es iſt eine Arbeit de lege ferenda; als ſolche aber ſehr werthvoll. b) Dasjenige endlich, was wir die Auswanderungspolitik nennen, geht davon aus, daß die Auswanderung für die Bewohner der früheren Heimath, des Vaterlandes der Auswanderer, theils in volkswirthſchaftlicher, theils in geſellſchaftlicher Beziehung eine hochwich- tige Thatſache iſt; und damit entſteht die Frage, wie ſich die Verwal- tungen zu der Auswanderung verhalten, ob ſie dieſelben vom Geſichts- punkt der einheimiſchen Intereſſen fördern, verhindern oder ordnen ſollen. Die dafür geltenden Grundſätze bilden das, was wir die Aus- wanderungspolitik nennen müſſen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/229>, abgerufen am 23.11.2024.