Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Berg, Polizeirecht Bd. II. S. 64 und eine sehr gute Abhandlung IV.
2. Abtheilung Nr. XXXV. (zum Recht der Gesundheitspolizei). Auch
Mohl hat sie seiner Polizeiwissenschaft zum Grunde gelegt. Horn in
seinem trefflichen preußischen Medicinalwesen 1857 endlich hat die
"Organisation" noch selbständig hervorgehoben, und die gerichtliche Me-
dicin folgen lassen. Er hat doch wohl Recht gegen die unklare Form
von Römer und Simon (das Medicinalwesen des preußischen Staates
1844--1852), trotz dessen, was Rönne in seinem Staatsrecht II. §. 351
dagegen sagt. Die Verwaltungsgesetzkunden sind fast ganz unsystematisch.


I. Abschnitt.
Die Organisation des Gesundheitswesens.
I. Princip und Recht.

Man muß sich zuerst darüber einig sein, daß man in der Organi-
sation des Gesundheitswesens regelmäßig zwei Theile verwechselt oder
vermischt, deren Vermengung jede Klarheit unmöglich macht. Das sind
die ursprüngliche berufsmäßige Ordnung und das Recht des Heil-
personals, und die jüngere und gegenwärtige administrative Organi-
sation
der Gesundheitsverwaltung, die auf ganz verschiedenen Grund-
lagen beruhen, verschiedene Funktionen erfüllen, und erst in ihrem
Zusammenwirken die Organisation des Gesundheitswesens ergeben.

Die berufsmäßige Ordnung des Heilpersonals ist diejenige,
welche die Theilnahme des Einzelnen an der Sorge und Pflege in Ange-
legenheiten der öffentlichen Gesundheit von der fachmäßigen Bildung
abhängig macht. Sie empfängt daher ihre innere und äußere Ordnung
durch den Grad und die Art eben dieser von ihr für ihren Beruf gefor-
derten Bildung. Die Grundlage ihres Berufsrechtes ist daher die
öffentlich-rechtliche Ordnung dieser Bildung selbst an Universitäten und
andern Anstalten; das Berufs- und damit das öffentliche Ordnungs-
recht desselben besteht in der gesetzlichen Anerkennung des Rechts auf
eine bestimmte, eben durch jene Bildung begründete Funktion im Heil-
wesen. Diese berufsmäßige Ordnung ist daher ein selbständiges, durch
die Entwicklung der Wissenschaft begründetes Ganzes, und erscheint
unten als das Heilwesen.

Die staatliche oder administrative Organisation hat dagegen einen
ganz andern Charakter und Inhalt. Sie enthält ihrem Begriff nach

Berg, Polizeirecht Bd. II. S. 64 und eine ſehr gute Abhandlung IV.
2. Abtheilung Nr. XXXV. (zum Recht der Geſundheitspolizei). Auch
Mohl hat ſie ſeiner Polizeiwiſſenſchaft zum Grunde gelegt. Horn in
ſeinem trefflichen preußiſchen Medicinalweſen 1857 endlich hat die
„Organiſation“ noch ſelbſtändig hervorgehoben, und die gerichtliche Me-
dicin folgen laſſen. Er hat doch wohl Recht gegen die unklare Form
von Römer und Simon (das Medicinalweſen des preußiſchen Staates
1844—1852), trotz deſſen, was Rönne in ſeinem Staatsrecht II. §. 351
dagegen ſagt. Die Verwaltungsgeſetzkunden ſind faſt ganz unſyſtematiſch.


I. Abſchnitt.
Die Organiſation des Geſundheitsweſens.
I. Princip und Recht.

Man muß ſich zuerſt darüber einig ſein, daß man in der Organi-
ſation des Geſundheitsweſens regelmäßig zwei Theile verwechſelt oder
vermiſcht, deren Vermengung jede Klarheit unmöglich macht. Das ſind
die urſprüngliche berufsmäßige Ordnung und das Recht des Heil-
perſonals, und die jüngere und gegenwärtige adminiſtrative Organi-
ſation
der Geſundheitsverwaltung, die auf ganz verſchiedenen Grund-
lagen beruhen, verſchiedene Funktionen erfüllen, und erſt in ihrem
Zuſammenwirken die Organiſation des Geſundheitsweſens ergeben.

Die berufsmäßige Ordnung des Heilperſonals iſt diejenige,
welche die Theilnahme des Einzelnen an der Sorge und Pflege in Ange-
legenheiten der öffentlichen Geſundheit von der fachmäßigen Bildung
abhängig macht. Sie empfängt daher ihre innere und äußere Ordnung
durch den Grad und die Art eben dieſer von ihr für ihren Beruf gefor-
derten Bildung. Die Grundlage ihres Berufsrechtes iſt daher die
öffentlich-rechtliche Ordnung dieſer Bildung ſelbſt an Univerſitäten und
andern Anſtalten; das Berufs- und damit das öffentliche Ordnungs-
recht deſſelben beſteht in der geſetzlichen Anerkennung des Rechts auf
eine beſtimmte, eben durch jene Bildung begründete Funktion im Heil-
weſen. Dieſe berufsmäßige Ordnung iſt daher ein ſelbſtändiges, durch
die Entwicklung der Wiſſenſchaft begründetes Ganzes, und erſcheint
unten als das Heilweſen.

Die ſtaatliche oder adminiſtrative Organiſation hat dagegen einen
ganz andern Charakter und Inhalt. Sie enthält ihrem Begriff nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0039" n="23"/><hi rendition="#g">Berg</hi>, Polizeirecht Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 64 und eine &#x017F;ehr gute Abhandlung <hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/>
2. Abtheilung Nr. <hi rendition="#aq">XXXV.</hi> (zum Recht der Ge&#x017F;undheitspolizei). Auch<lb/><hi rendition="#g">Mohl</hi> hat &#x017F;ie &#x017F;einer Polizeiwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zum Grunde gelegt. <hi rendition="#g">Horn</hi> in<lb/>
&#x017F;einem trefflichen preußi&#x017F;chen Medicinalwe&#x017F;en 1857 endlich hat die<lb/>
&#x201E;Organi&#x017F;ation&#x201C; noch &#x017F;elb&#x017F;tändig hervorgehoben, und die gerichtliche Me-<lb/>
dicin folgen la&#x017F;&#x017F;en. Er hat doch wohl Recht gegen die unklare Form<lb/>
von <hi rendition="#g">Römer</hi> und <hi rendition="#g">Simon</hi> (das Medicinalwe&#x017F;en des preußi&#x017F;chen Staates<lb/>
1844&#x2014;1852), trotz de&#x017F;&#x017F;en, was <hi rendition="#g">Rönne</hi> in &#x017F;einem Staatsrecht <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 351<lb/>
dagegen &#x017F;agt. Die Verwaltungsge&#x017F;etzkunden &#x017F;ind fa&#x017F;t ganz un&#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;ch.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chnitt.</hi><lb/>
Die Organi&#x017F;ation des Ge&#x017F;undheitswe&#x017F;ens.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Princip und Recht.</hi> </head><lb/>
              <p>Man muß &#x017F;ich zuer&#x017F;t darüber einig &#x017F;ein, daß man in der Organi-<lb/>
&#x017F;ation des Ge&#x017F;undheitswe&#x017F;ens regelmäßig zwei Theile verwech&#x017F;elt oder<lb/>
vermi&#x017F;cht, deren Vermengung jede Klarheit unmöglich macht. Das &#x017F;ind<lb/>
die ur&#x017F;prüngliche <hi rendition="#g">berufsmäßige</hi> Ordnung und das Recht des Heil-<lb/>
per&#x017F;onals, und die jüngere und gegenwärtige <hi rendition="#g">admini&#x017F;trative Organi-<lb/>
&#x017F;ation</hi> der Ge&#x017F;undheitsverwaltung, die auf ganz ver&#x017F;chiedenen Grund-<lb/>
lagen beruhen, ver&#x017F;chiedene Funktionen erfüllen, und er&#x017F;t in ihrem<lb/>
Zu&#x017F;ammenwirken die Organi&#x017F;ation des Ge&#x017F;undheitswe&#x017F;ens ergeben.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">berufsmäßige</hi> Ordnung des Heilper&#x017F;onals i&#x017F;t diejenige,<lb/>
welche die Theilnahme des Einzelnen an der Sorge und Pflege in Ange-<lb/>
legenheiten der öffentlichen Ge&#x017F;undheit von der <hi rendition="#g">fachmäßigen Bildung</hi><lb/>
abhängig macht. Sie empfängt daher ihre innere und äußere Ordnung<lb/>
durch den Grad und die Art eben die&#x017F;er von ihr für ihren Beruf gefor-<lb/>
derten Bildung. Die Grundlage ihres Beruf<hi rendition="#g">srechtes</hi> i&#x017F;t daher die<lb/>
öffentlich-rechtliche Ordnung die&#x017F;er Bildung &#x017F;elb&#x017F;t an Univer&#x017F;itäten und<lb/>
andern An&#x017F;talten; das Berufs- und damit das öffentliche Ordnungs-<lb/>
recht de&#x017F;&#x017F;elben be&#x017F;teht in der ge&#x017F;etzlichen Anerkennung des Rechts auf<lb/>
eine be&#x017F;timmte, eben durch jene Bildung begründete Funktion im Heil-<lb/>
we&#x017F;en. Die&#x017F;e berufsmäßige Ordnung i&#x017F;t daher ein &#x017F;elb&#x017F;tändiges, durch<lb/>
die Entwicklung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft begründetes Ganzes, und er&#x017F;cheint<lb/>
unten als das <hi rendition="#g">Heilwe&#x017F;en</hi>.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">&#x017F;taatliche</hi> oder admini&#x017F;trative Organi&#x017F;ation hat dagegen einen<lb/>
ganz andern Charakter und Inhalt. Sie enthält ihrem Begriff nach<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0039] Berg, Polizeirecht Bd. II. S. 64 und eine ſehr gute Abhandlung IV. 2. Abtheilung Nr. XXXV. (zum Recht der Geſundheitspolizei). Auch Mohl hat ſie ſeiner Polizeiwiſſenſchaft zum Grunde gelegt. Horn in ſeinem trefflichen preußiſchen Medicinalweſen 1857 endlich hat die „Organiſation“ noch ſelbſtändig hervorgehoben, und die gerichtliche Me- dicin folgen laſſen. Er hat doch wohl Recht gegen die unklare Form von Römer und Simon (das Medicinalweſen des preußiſchen Staates 1844—1852), trotz deſſen, was Rönne in ſeinem Staatsrecht II. §. 351 dagegen ſagt. Die Verwaltungsgeſetzkunden ſind faſt ganz unſyſtematiſch. I. Abſchnitt. Die Organiſation des Geſundheitsweſens. I. Princip und Recht. Man muß ſich zuerſt darüber einig ſein, daß man in der Organi- ſation des Geſundheitsweſens regelmäßig zwei Theile verwechſelt oder vermiſcht, deren Vermengung jede Klarheit unmöglich macht. Das ſind die urſprüngliche berufsmäßige Ordnung und das Recht des Heil- perſonals, und die jüngere und gegenwärtige adminiſtrative Organi- ſation der Geſundheitsverwaltung, die auf ganz verſchiedenen Grund- lagen beruhen, verſchiedene Funktionen erfüllen, und erſt in ihrem Zuſammenwirken die Organiſation des Geſundheitsweſens ergeben. Die berufsmäßige Ordnung des Heilperſonals iſt diejenige, welche die Theilnahme des Einzelnen an der Sorge und Pflege in Ange- legenheiten der öffentlichen Geſundheit von der fachmäßigen Bildung abhängig macht. Sie empfängt daher ihre innere und äußere Ordnung durch den Grad und die Art eben dieſer von ihr für ihren Beruf gefor- derten Bildung. Die Grundlage ihres Berufsrechtes iſt daher die öffentlich-rechtliche Ordnung dieſer Bildung ſelbſt an Univerſitäten und andern Anſtalten; das Berufs- und damit das öffentliche Ordnungs- recht deſſelben beſteht in der geſetzlichen Anerkennung des Rechts auf eine beſtimmte, eben durch jene Bildung begründete Funktion im Heil- weſen. Dieſe berufsmäßige Ordnung iſt daher ein ſelbſtändiges, durch die Entwicklung der Wiſſenſchaft begründetes Ganzes, und erſcheint unten als das Heilweſen. Die ſtaatliche oder adminiſtrative Organiſation hat dagegen einen ganz andern Charakter und Inhalt. Sie enthält ihrem Begriff nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/39
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/39>, abgerufen am 21.11.2024.