Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.für diesen Theil der Verwaltung entscheidende Ereigniß war erst die Die ganze Baupolizei hat nun in den einzelnen Ländern eine sehr für dieſen Theil der Verwaltung entſcheidende Ereigniß war erſt die Die ganze Baupolizei hat nun in den einzelnen Ländern eine ſehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0084" n="68"/> für dieſen Theil der Verwaltung entſcheidende Ereigniß war erſt die<lb/> Cholera. Seit 1830 beginnt eine Bewegung in ganz Europa, welche<lb/> die Grundſätze der höheren Baupolizei praktiſch, namentlich in den großen<lb/> Städten durchführt, und indem ſie gerade die Wohnungsverhältniſſe der<lb/> niederen Klaſſe als die Herde der Krankheit und der allgemeinen Ge-<lb/> fahr erkennt, und zuerſt die Herſtellung geſunder Wohnungen ernſtlich<lb/> als Aufgabe der Verwaltung in die Hand nimmt, nachdem die Geſund-<lb/> heit der Schulbauten ſchon früher, vereinzelt, vielfach berückſichtigt war.<lb/> Von dieſem Standpunkte war nur ein Schritt zu dem weiteren, die<lb/> Arbeiterwohnungen neben dem ſanitären zugleich vom <hi rendition="#g">ſocialen</hi> Ge-<lb/> ſichtspunkte zu betrachten, und mit der Geſundheit auch für die Billig-<lb/> keit und Zweckmäßigkeit derſelben zu ſorgen. Dafür ſind jedoch nur<lb/> noch einzelne Schritte in den großen Städten geſchehen. <hi rendition="#g">Vernach-<lb/> läſſigt</hi> dagegen iſt das Geſundheitsweſen der <hi rendition="#g">Werkſtätten</hi> des <hi rendition="#g">Ge-<lb/> werbes</hi>, während das der großen Fabrikslokalitäten gut beſorgt iſt.<lb/> Hier würden die <hi rendition="#g">Vereine der Aerzte</hi> viel, oft faſt allein, wirken<lb/> können. <hi rendition="#g">Neben</hi> dieſer Bewegung geht die niedere Baupolizei, die nicht<lb/> minder wichtig iſt, ihren Weg, und es iſt nicht zu verkennen, daß auch<lb/> in ihr das ſanitäre Element immer mehr Geltung gewinnt. Doch läßt<lb/> es ſich nicht läugnen, daß man bis jetzt in den Principien und For-<lb/> derungen viel weiter iſt, als, aus naheliegenden Gründen, in der Aus-<lb/> führung. Ehe die alten Uebelſtände beſeitigt ſind, werden wir noch ganze<lb/> Generationen brauchen.</p><lb/> <p>Die ganze Baupolizei hat nun in den einzelnen Ländern eine ſehr<lb/> verſchiedene Entwicklung gehabt, und daher auch eine ſehr verſchiedene<lb/> Organiſation gefunden, obgleich der Grundzug derſelbe iſt. Frankreich<lb/> hat auch hier die einheitliche Geſetzgebung mit all ihren Vortheilen und<lb/> Nachtheilen ausgebildet, die Vollziehung aber wie immer unter beinahe<lb/> vollſtändiger Ausſchließung der Selbſtverwaltung in die Hände der Be-<lb/> hörden gelegt. England hat dagegen vorzugsweiſe <hi rendition="#g">einzelne</hi> Geſetze<lb/> erlaſſen, und die Selbſtverwaltung, jedoch zuletzt unter Aufſicht der<lb/> amtlichen, auch hier die Ausführung übergeben. Es kann geſagt werden,<lb/> daß für England der <hi rendition="#g">Schwerpunkt aller Geſundheitspolizei</hi>,<lb/> unter ſtarker Vernachläſſigung der übrigen Theile derſelben, überwie-<lb/> gend eben in der geſetzlichen Entwicklung der höheren Baupolizei liegt,<lb/> die ſelbſt erſt in Folge der Cholera entſtanden iſt. In Deutſchland<lb/> endlich iſt zwar das Bauweſen meiſt trefflich ausgebildet, und daher<lb/> die niedere Baupolizei vielleicht die beſte der Welt; die höhere dagegen<lb/> iſt nirgends zu einem durchgreifenden geſetzlichen Syſtem entwickelt, ſon-<lb/> dern faſt ganz der örtlichen Selbſtverwaltung überlaſſen. Die Geſund-<lb/> heitsverwaltung wird hier <hi rendition="#g">nicht</hi> mehr, wie im vorigen Jahrhundert,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0084]
für dieſen Theil der Verwaltung entſcheidende Ereigniß war erſt die
Cholera. Seit 1830 beginnt eine Bewegung in ganz Europa, welche
die Grundſätze der höheren Baupolizei praktiſch, namentlich in den großen
Städten durchführt, und indem ſie gerade die Wohnungsverhältniſſe der
niederen Klaſſe als die Herde der Krankheit und der allgemeinen Ge-
fahr erkennt, und zuerſt die Herſtellung geſunder Wohnungen ernſtlich
als Aufgabe der Verwaltung in die Hand nimmt, nachdem die Geſund-
heit der Schulbauten ſchon früher, vereinzelt, vielfach berückſichtigt war.
Von dieſem Standpunkte war nur ein Schritt zu dem weiteren, die
Arbeiterwohnungen neben dem ſanitären zugleich vom ſocialen Ge-
ſichtspunkte zu betrachten, und mit der Geſundheit auch für die Billig-
keit und Zweckmäßigkeit derſelben zu ſorgen. Dafür ſind jedoch nur
noch einzelne Schritte in den großen Städten geſchehen. Vernach-
läſſigt dagegen iſt das Geſundheitsweſen der Werkſtätten des Ge-
werbes, während das der großen Fabrikslokalitäten gut beſorgt iſt.
Hier würden die Vereine der Aerzte viel, oft faſt allein, wirken
können. Neben dieſer Bewegung geht die niedere Baupolizei, die nicht
minder wichtig iſt, ihren Weg, und es iſt nicht zu verkennen, daß auch
in ihr das ſanitäre Element immer mehr Geltung gewinnt. Doch läßt
es ſich nicht läugnen, daß man bis jetzt in den Principien und For-
derungen viel weiter iſt, als, aus naheliegenden Gründen, in der Aus-
führung. Ehe die alten Uebelſtände beſeitigt ſind, werden wir noch ganze
Generationen brauchen.
Die ganze Baupolizei hat nun in den einzelnen Ländern eine ſehr
verſchiedene Entwicklung gehabt, und daher auch eine ſehr verſchiedene
Organiſation gefunden, obgleich der Grundzug derſelbe iſt. Frankreich
hat auch hier die einheitliche Geſetzgebung mit all ihren Vortheilen und
Nachtheilen ausgebildet, die Vollziehung aber wie immer unter beinahe
vollſtändiger Ausſchließung der Selbſtverwaltung in die Hände der Be-
hörden gelegt. England hat dagegen vorzugsweiſe einzelne Geſetze
erlaſſen, und die Selbſtverwaltung, jedoch zuletzt unter Aufſicht der
amtlichen, auch hier die Ausführung übergeben. Es kann geſagt werden,
daß für England der Schwerpunkt aller Geſundheitspolizei,
unter ſtarker Vernachläſſigung der übrigen Theile derſelben, überwie-
gend eben in der geſetzlichen Entwicklung der höheren Baupolizei liegt,
die ſelbſt erſt in Folge der Cholera entſtanden iſt. In Deutſchland
endlich iſt zwar das Bauweſen meiſt trefflich ausgebildet, und daher
die niedere Baupolizei vielleicht die beſte der Welt; die höhere dagegen
iſt nirgends zu einem durchgreifenden geſetzlichen Syſtem entwickelt, ſon-
dern faſt ganz der örtlichen Selbſtverwaltung überlaſſen. Die Geſund-
heitsverwaltung wird hier nicht mehr, wie im vorigen Jahrhundert,
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