Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.einen Grund ansehen, ein bürgerliches Recht daraus zu machen. Doch Dieß nun ist im Grunde sehr einfach. Es wird nur darauf an- Die Grundlage alles Pflegschaftswesens ist nämlich die Thatsache, Nun ist das die Natur des Menschen, daß, während er stets und Wenn nun ein solcher Zustand wirklich nur die Einzelnen berührte, einen Grund anſehen, ein bürgerliches Recht daraus zu machen. Doch Dieß nun iſt im Grunde ſehr einfach. Es wird nur darauf an- Die Grundlage alles Pflegſchaftsweſens iſt nämlich die Thatſache, Nun iſt das die Natur des Menſchen, daß, während er ſtets und Wenn nun ein ſolcher Zuſtand wirklich nur die Einzelnen berührte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0200" n="178"/> einen Grund anſehen, ein bürgerliches Recht daraus zu machen. Doch<lb/> müſſen wir die weitere Darlegung dieſes Gedankens, die ohne tieferes<lb/> Eingehen auf das Weſen des Rechts und auf die Geſchichte nicht denkbar<lb/> iſt, einer eigenen Arbeit überlaſſen. Hier muß es genügen, den innern<lb/> und klaren Zuſammenhang zwiſchen der Verwaltung und dem geſammten<lb/> Pflegſchaftsweſen feſtzuſtellen, und dem ganzen Gebiete ſeine organiſche<lb/> Stellung in der Wiſſenſchaft damit anzuweiſen.</p><lb/> <p>Dieß nun iſt im Grunde ſehr einfach. Es wird nur darauf an-<lb/> kommen, den Begriff des Pflegſchaftsweſens nur erſt einmal von dem<lb/> ſeines Rechtes zu trennen; die adminiſtrative Natur des letztern ergibt<lb/> ſich dann faſt von ſelbſt. Freilich muß man zu dem Ende einen allge-<lb/> meinen Ausgangspunkt annehmen.</p><lb/> <p>Die Grundlage alles Pflegſchaftsweſens iſt nämlich die Thatſache,<lb/> daß das, was wir eine Perſönlichkeit nennen, aus <hi rendition="#g">zwei</hi> Elementen<lb/> beſteht, die, obwohl innigſt verbunden, dennoch neben einander ſo ſelb-<lb/> ſtändig ſind, daß ſie ſich trennen, und jedes für ſich untergehen können.<lb/> Das <hi rendition="#g">erſte</hi> dieſer Elemente iſt das <hi rendition="#g">rein</hi> perſönliche, die Fähigkeit der<lb/> freien Selbſtbeſtimmung, ohne welche eine volle Perſönlichkeit nicht ge-<lb/> dacht werden kann; das <hi rendition="#g">zweite</hi> iſt das natürliche, die Gütereinheit der<lb/> Perſönlichkeit, die wir die Wirthſchaft nennen. Wir werden daher von<lb/> einer geiſtigen und von einer wirthſchaftlichen Perſönlichkeit reden können.</p><lb/> <p>Nun iſt das die Natur des Menſchen, daß, während er ſtets und<lb/> nothwendig eine wirthſchaftliche Perſönlichkeit iſt, die geiſtige Perſönlichkeit<lb/><hi rendition="#g">fehlen</hi> kann. Sie kann fehlen aus natürlichen Gründen, indem der<lb/> Einzelne wegen Alters, Krankheit, Wahnſinns keine freie Selbſtbeſtim-<lb/> mung hat; ſie kann fehlen, indem die Perſon dauernd abweſend iſt;<lb/> ſie kann aber auch fehlen, indem die Perſon ſtirbt; und ſie kann end-<lb/> lich fehlen, indem ſie die wirthſchaftliche Perſönlichkeit aufgeben, ihre<lb/> Gütereinheit auflöſen muß. Damit können alſo Zuſtände eintreten, in<lb/> welchen die Perſönlichkeit in der Wirklichkeit nur noch mit dem <hi rendition="#g">Einen</hi><lb/> ihrer beiden Momente exiſtirt. Und hier tritt nun die Frage ein, was in<lb/> ſolchem Falle die rechtlichen Forderungen und Folgen dieſes Zuſtandes ſind.</p><lb/> <p>Wenn nun ein ſolcher Zuſtand wirklich nur die Einzelnen berührte,<lb/> ſo würde das Recht deſſelben kein anderes als das bürgerliche ſein<lb/> können. So iſt es auch in der That, wo jemand z. B. während einer<lb/> geiſtigen Affektion einen Vertrag ſchließt, oder in ſeiner Abweſenheit<lb/> der <hi rendition="#aq">negotiorum gestor</hi> ſeine Angelegenheiten verwaltet. Man iſt ſich<lb/> vollſtändig darüber einig, daß da, wo die Störung oder materielle<lb/> Aufhebung der freien Selbſtbeſtimmung nur im Verhältniß des Ein-<lb/> zelnen <hi rendition="#g">zum Einzelnen</hi> vorkommt, die Grundſätze des bürgerlichen<lb/> Rechts entſcheiden.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [178/0200]
einen Grund anſehen, ein bürgerliches Recht daraus zu machen. Doch
müſſen wir die weitere Darlegung dieſes Gedankens, die ohne tieferes
Eingehen auf das Weſen des Rechts und auf die Geſchichte nicht denkbar
iſt, einer eigenen Arbeit überlaſſen. Hier muß es genügen, den innern
und klaren Zuſammenhang zwiſchen der Verwaltung und dem geſammten
Pflegſchaftsweſen feſtzuſtellen, und dem ganzen Gebiete ſeine organiſche
Stellung in der Wiſſenſchaft damit anzuweiſen.
Dieß nun iſt im Grunde ſehr einfach. Es wird nur darauf an-
kommen, den Begriff des Pflegſchaftsweſens nur erſt einmal von dem
ſeines Rechtes zu trennen; die adminiſtrative Natur des letztern ergibt
ſich dann faſt von ſelbſt. Freilich muß man zu dem Ende einen allge-
meinen Ausgangspunkt annehmen.
Die Grundlage alles Pflegſchaftsweſens iſt nämlich die Thatſache,
daß das, was wir eine Perſönlichkeit nennen, aus zwei Elementen
beſteht, die, obwohl innigſt verbunden, dennoch neben einander ſo ſelb-
ſtändig ſind, daß ſie ſich trennen, und jedes für ſich untergehen können.
Das erſte dieſer Elemente iſt das rein perſönliche, die Fähigkeit der
freien Selbſtbeſtimmung, ohne welche eine volle Perſönlichkeit nicht ge-
dacht werden kann; das zweite iſt das natürliche, die Gütereinheit der
Perſönlichkeit, die wir die Wirthſchaft nennen. Wir werden daher von
einer geiſtigen und von einer wirthſchaftlichen Perſönlichkeit reden können.
Nun iſt das die Natur des Menſchen, daß, während er ſtets und
nothwendig eine wirthſchaftliche Perſönlichkeit iſt, die geiſtige Perſönlichkeit
fehlen kann. Sie kann fehlen aus natürlichen Gründen, indem der
Einzelne wegen Alters, Krankheit, Wahnſinns keine freie Selbſtbeſtim-
mung hat; ſie kann fehlen, indem die Perſon dauernd abweſend iſt;
ſie kann aber auch fehlen, indem die Perſon ſtirbt; und ſie kann end-
lich fehlen, indem ſie die wirthſchaftliche Perſönlichkeit aufgeben, ihre
Gütereinheit auflöſen muß. Damit können alſo Zuſtände eintreten, in
welchen die Perſönlichkeit in der Wirklichkeit nur noch mit dem Einen
ihrer beiden Momente exiſtirt. Und hier tritt nun die Frage ein, was in
ſolchem Falle die rechtlichen Forderungen und Folgen dieſes Zuſtandes ſind.
Wenn nun ein ſolcher Zuſtand wirklich nur die Einzelnen berührte,
ſo würde das Recht deſſelben kein anderes als das bürgerliche ſein
können. So iſt es auch in der That, wo jemand z. B. während einer
geiſtigen Affektion einen Vertrag ſchließt, oder in ſeiner Abweſenheit
der negotiorum gestor ſeine Angelegenheiten verwaltet. Man iſt ſich
vollſtändig darüber einig, daß da, wo die Störung oder materielle
Aufhebung der freien Selbſtbeſtimmung nur im Verhältniß des Ein-
zelnen zum Einzelnen vorkommt, die Grundſätze des bürgerlichen
Rechts entſcheiden.
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